Türkei Garantie für Lira-Sparguthaben: Erdogan sorgt für einen Kurssprung

In der türkischen Wirtschaft fallen die Reaktionen auf seine Garantie gemischt aus.
Istanbul Ein Versprechen des türkischen Präsidenten hat den massiven Abwärtstrend der türkischen Lira umgekehrt. Innerhalb einer Nacht machte die Lira die Kursverluste der vergangenen drei Wochen wieder gut. Am Dienstagmittag (Ortszeit) notierte der Wechselkurs wie am 1. Dezember bei 13,56 Lira pro US-Dollar – ein Kurssprung von rund 30 Prozent zum Vortag.
Hintergrund ist ein Versprechen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan, Bankeinlagen in Lira vor Wechselkursverlusten zu schützen. Die Regierung wolle einspringen, wenn die Wechselkursverluste stärker seien als der von der Bank versprochene Sparzins. Effektiv würde das bedeuten, dass Sparerinnen und Sparer in Lira immer genau dieselbe Rendite erhalten, wie wenn sie ihre Lira-Bestände in harte Währung eintauschen.
Die Regierung hofft, dass damit weniger Menschen ihr Geld in harte Währungen tauschen. „Ab jetzt wird kein Bürger mehr Anlass haben, angesichts jeglicher Wechselkursschwankungen seine Lira-Sparbeträge in Devisen umzutauschen“, sagte Erdogan am Montagabend in einer einstündigen Fernsehansprache.
Sein neuer Finanzminister Nureddin Nebati ergänzte am Dienstag die Details dieses „Währungsgeschützte Lira-Festgeldeinlagen“ genannten Vorhabens. „Für Wechselkursberechnungen veröffentlicht die Zentralbank der Republik Türkei den Dollar-Kaufkurs täglich um 11 Uhr“, erklärte Nebati auf einer Pressekonferenz in Ankara. Demnach werde jeden Tag zu diesem Zeitpunkt auf jedem festverzinslichen Lira-Konto von Privatpersonen in der Türkei der Zinsgewinn mit dem möglichen Wechselkursverlust verglichen.
„Falls die Wechselkursänderung am Ende des Fälligkeitsdatums über dem Zinssatz liegt, wird die Differenz dem Konto des Kunden in Lira gutgeschrieben“, erklärte Nebati. Finanziert wird das Ganze vom Finanzministerium – und damit letztlich vom Steuerzahler.
Außerdem sollen Exporteure von der türkischen Zentralbank sogenannte Futures erhalten, mit denen die Zentralbank das Wechselkursrisiko übernimmt. Zudem soll ein Steuerfreibetrag für Beamte und Mindestlohnempfänger eingeführt werden in Höhe des aktuellen Mindestlohns. Der Staat steuert darüber hinaus einen größeren Anteil an Steueraufkommen zum staatlichen Rentensystem bei und verzichtet bei Dividendenzahlungen von Aktienkonzernen an ihre Investoren auf einen Teil der Steuer.
Die Lira hat in diesem Jahr massiv an Wert zum Euro und US-Dollar verloren. Zwischenzeitlich lag der Wechselkurs bei über 18 Lira pro US-Dollar. Die Ausschläge haben viele Menschen in der Türkei an den Rand des Ruins gebracht. Zuletzt hatten immer mehr Türkinnen und Türken ihre Sparguthaben aus Furcht vor Wertverlusten in Euro oder Dollar gewechselt und damit die Lira weiter geschwächt. Dieser Teufelskreis soll mit dem neuen Plan beendet werden.
Übernachtverlust von 25 Prozent für Dollar-Sparer
Alpaslan Cakar, Vorstandsvorsitzender des türkischen Bankenverbands (TBB) und Generaldirektor der Ziraat Bank, gab bekannt, dass im Anschluss an das von Erdogan angekündigte Konjunkturpaket innerhalb einer Nacht eine Milliarde Dollar in Banken zurück in Lira getauscht wurde. „Sie erhalten den Zinssaldo am Fälligkeitstag und an dem Zeitpunkt, an dem Ihr Geld zum Wechselkurs dieses Tages eingeht“, erklärte Cakar auf Habertürk TV.
Fernsehkameras hielten am Dienstagmorgen Szenen an Wechselstuben fest. Zu sehen war zum Beispiel ein Mann, der vor wenigen Tagen rund 1000 Lira zu einem Kurs von 18,30 in Dollar getauscht hatte. Dafür hatte er rund 55 Dollar erhalten. Jetzt tauschte er das Geld zurück in Lira – und erhielt nur noch 737 Lira. „Auch wenn ich Geld verloren habe, freue ich mich darüber“ sagte er in die Kamera. „Es ist der richtige Schritt.“
Erdogan wirbt für Vertrauen in die Lira
Doch nicht jeder im Land dürfte ein solch glühender Nationalist sein, der sich über einen Übernachtverlust von mehr als 25 Prozent freut. Der Fernsehmoderator Tuncay Mollaveisoglu berichtete von Zuschauern, die ihm berichteten, sie hätten ihre Häuser verkauft und das Geld zu 17 bis 18 Lira je Dollar in die US-Währung getauscht – aus Angst vor weiteren Wertverlusten der Lira. „Jetzt liegt der Kurs bei 13 Lira je Dollar“, sagte Mollaveisoglu am Dienstagmorgen im Fernsehen. „Diese Menschen werden nicht schlafen können. Ist das nicht traurig?“
Wie nachhaltig die Kehrtwende beim Wechselkurs ist, bleibt abzuwarten. Der Lira-Kurs am Dienstagmittag lag um rund drei Prozent schwächer als noch am Vormittag. Der Goldpreis sank in der Türkei über Nacht um ein Drittel. Am Montag musste man noch rund 1000 Lira für ein Gramm Gold auf dem Istanbuler Basar bezahlen. Am Dienstag lag der Preis bei 650 Lira.
Der Aktienindex Bist100 rutschte derweil den dritten Tag in Folge ab, diesmal um fünf Prozent. Der Index besteht aus vielen Firmen mit hohem Auslandsgeschäft. Unternehmen mit Deviseneinnahmen, darunter der Stahlhersteller Eregli Demir und der Glashersteller Sise ve Cam, führten am Dienstag die Verlustliste an.
Sparguthaben in Lira werden wieder attraktiver – eine Art Zinserhöhung
In der türkischen Wirtschaft fallen die Reaktionen gemischt aus. Letztlich wirke die Einlagengarantie wie eine Zinserhöhung für Einlagen in Lira, erklärte die Ökonomin Burcu Aydin Özüdogru von der Bilkent-Universität in Ankara.
Angesichts der Inflation von derzeit 21 Prozent forderte der Präsident der Istanbuler Handelskammer ITO, Sekib Avdagic, Händler auf, nun sofort ihre Preise zu senken. „In dieser kritischen Zeit werden wir weiterhin mit aller Kraft zu unserer Regierung und unserem neuen Wirtschaftsmodell stehen“, sagte Avdagic am Dienstag.

Die Lira hat in diesem Jahr massiv an Wert zum Euro und US-Dollar verloren.
„Der Kurssprung könnte signalisieren, dass das Schlimmste für die Lira vorerst überstanden ist, wenn das Programm einen Teil des Vertrauens der Privatkunden-Lira-Einleger wiederherstellen kann“, sagte Todd Schubert, Leiter Fixed Income Research bei der Bank of Singapore, der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er glaubt jedoch: „Am Ende des Tages wird die Lira tendenziell volatil sein und einem Abwärtsdruck ausgesetzt sein, bis die Zinssätze einen glaubwürdigen Anker gegen die Inflation darstellen.“
Auch ein deutscher Manager, der seit mehreren Jahrzehnten in der Türkei lebt und Firmen berät, meint: „Allein an den Devisenmärkten werden Summen gehandelt, die das jährliche Bruttoinlandsprodukt der Türkei übersteigen. Diese Mechanismen kann man für ein paar Tage überbrücken, aber nicht mal eben so aushebeln.“
Die türkische Regierung steht weiter hinter ihrer äußerst unorthodoxen Wirtschaftspolitik. Mit einem Mix aus niedrigen Zinsen, Devisenmarktinterventionen und islamisch geprägten Vorstellungen will Staatschef Erdogan die Märkte bändigen. „Wir versprechen unserem Volk eine neue Vision“, sagte Erdogan noch am Montag. „Ich bitte unser Volk: Glaubt an uns, und vertraut uns! Ihr wisst ja, wo euer Vertrauen unser Land in den vergangenen 19 Jahren hingeführt hat.“
Forderungen nach einer vorgezogenen Neuwahl erteilte er eine Absage. Diese fordert vor allem die Opposition seit mehreren Monaten, aber zuletzt hatte auch der türkische Industrieverband deutliche Kritik an der Wirtschaftspolitik geübt.
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Alle diese Entwicklungen ändern nichts daran, dass Erdogan mit dieser Politik vor unserer Haustür sämtliche Produktion aus der EU in die Türkei holen wird. Die Türkei kann genau das, was Griechenland, Bulgarien(Lew) und vor allem Euroland NICHT mehr machen kann. Leidtragender ist der türkische Angestellte, Arbeiter und Sparer. Aber... es ist empirisch bereits nachgewiesen... mit Inflation kann man leben und wirtschaften. Mit null Produktion, keiner Arbeit und keiner Action eher nicht.
Letztlich... ist auch die EU auf eine stabile Türkei angewiesen und wird im Zweifel diese stützen mit Geld. Sonst kommen aus der Türkei, einem Land mit 83 Mio Einwohnern, nicht nur 5 Mio Flüchtlinge Richtung Deutschland, Österreich und Schweden... sondern dann gleich mal 14 Mio Asylanten.
Erdogan pokert hoch... aber die anderen Politiker in der Türkei sind bereits zu doof, um zu erraten ob sie gerade mau-mau, Skat oder Texas Hold'em spielen. so Leid es mir tut das zu sagen... er wird sehr wahrscheinlich wiedergewählt werden.(In Ermangelung ernsthafter Alternativen)