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Türkei, Griechenland, Italien Der Süden brennt – und die Regierungen wirken überfordert

In Südeuropa und der Türkei zerstören Feuerwalzen ganze Wälder, Menschen flüchten aus ihren Häusern. Nun geraten die Regierungen unter Druck.
04.08.2021 - 04:00 Uhr 2 Kommentare
Eine Frau flieht mit ihren Tieren vor einem sich ausbreitenden Waldbrand in der Nähe der Küstenstadt Bodrum. Quelle: dpa
Katastrophenstimmung in der Türkei

Eine Frau flieht mit ihren Tieren vor einem sich ausbreitenden Waldbrand in der Nähe der Küstenstadt Bodrum.

(Foto: dpa)

Istanbul, Athen, Rom Für die Betroffenen der Waldbrände im Ferienort Köycegiz kommt die wohl einzig positive Nachricht am Dienstag aus Spanien: Zwei Löschflugzeuge hat der Nato-Partner umgehend einsatzbereit gemacht und in den Süden der Türkei geschickt. Auf Twitter versprühen die spanischen Diplomaten Hoffnung: „Unsere beiden ,Corsairs‘ sind angekommen – jetzt lasst uns diese Feuer einfangen!“

Die Hilfe eines Partnerlandes bedeutet viel in Zeiten, in denen die eigenen Regierungen beim Krisenmanagement überfordert scheinen. In Ankara hatte die Medienaufsichtsbehörde Rtük am Dienstag Medien verboten, weiter über die Waldbrände zu berichten – so etwas passiert sonst vor allem bei ungeklärten Terroranschlägen.

„Zeigt nicht die Waldbrände, sonst erhaltet ihr die härteste Strafe“, soll Rtük-Direktor Ebubekir Sahin nach Angaben von Mitgliedern des Rundfunkbeirats den Fernsehsendern gedroht haben.

Türkei: Staatschef Erdogan wirft Teebeutel aus dem Bus

Die schlimmsten Waldbrände seit Jahrzehnten bringen die Regierungen der Mittelmeerländer unter Druck, und zwar mehrfach. Sie müssen während der Pandemie nicht nur eine weitere Katastrophe bekämpfen. Vor allem bedrohen die Brände auch den aufkeimenden Tourismus. Hinzu kommt, dass sich manche Regierung schwertut, die Situation unter Kontrolle zu halten.

Im Land sind laut der türkischen Kommunikationsdirektion seit der vergangenen Woche 156 Brände ausgebrochen. 146 davon seien am Dienstagmorgen unter Kontrolle gebracht worden. Aus der Luft unterstützten 16 Flugzeuge und 51 Hubschrauber die Löscharbeiten, wie Forstminister Bekir Pakdemirli erklärte.

Die Brände sind vornehmlich an der Mittelmeerküste entfacht, besonders betroffen sind die Urlaubsregionen Antalya, Mugla, aber auch Adana. Etliche Regionen wurden evakuiert, viele Dörfer und Landstriche wurden von den Flammen zerstört. Teilweise mussten kleinere Hotels geräumt werden – die großen Bettenburgen von Antalya liegen weiter entfernt von den brennenden Wäldern.

„Wir erleben Tage mit einer Hitze von über 40 Grad Celsius, starkem Wind und einer extrem niedrigen Luftfeuchtigkeit“, erklärte der Minister. Die Brände, die sich seit vergangenem Mittwoch ausbreiten, kosteten bisher acht Menschen das Leben und zwangen Einheimische und Touristen in die Flucht.

Teilweise wurden sie in Booten aus den Urlaubsorten gebracht. Viele Dorfbewohner verloren ihre Häuser.

Der Regierung in Ankara fällt es schwer, neben den Feuerwalzen auch das mediale Momentum unter Kontrolle zu halten. Erst musste Forstminister Pakdemirli einräumen, dass der Staat keine einsatzfähige Löschflugzeug-Flotte besitze. Dann wurde bekannt, dass die Türkei die Hilfsangebote einiger Länder abgelehnt habe.

Pakdemirli wies diese Anschuldigung zurück und erklärte, die Regierung habe lediglich Angebote für Flugzeuge abgelehnt, die weniger als fünf Tonnen Wasser transportieren könnten.

Doch bis dahin war längst der Eindruck entstanden, die Türkei wolle keine Hilfe aus dem Westen annehmen. Auch der Präsident selbst machte keine gute Figur. Erst beobachtete Recep Tayyip Erdogan das Geschehen aus seinem Helikopter. Später fuhr er durch einen der Orte und warf Teebeutel aus seinem fahrenden Bus. Bürger warfen ihm Gefühlskälte vor.

Während die Behörden untersuchten, ob die Brände auf Brandstiftung durch kurdische Extremisten zurückzuführen waren, vermuteten Experten vor allem den Klimawandel und Fahrlässigkeit als Hintergrund.

Auch wenn die direkten Folgen für den Tourismus überschaubar scheinen, gibt es Kritik. Die türkische Wirtschaft sei grundsätzlich anfällig für externe Faktoren, sagt der Analyst Seref Oguz. Der Tourismus sei eine wichtige Stütze, sowohl was Deviseneinnahmen angeht als auch Arbeitsplätze für Hunderttausende.

Wenn Hoteliers wegen der Brände renovieren müssen, bräuchten sie dafür Kredite. Doch die Zinsen sind wegen der Inflation sehr hoch, Kredite teuer. „Wir haben schlicht nicht den Luxus, den Tourismussektor den Naturkräften zu überlassen.“

Ein Löschflugzeug kämpft in der Nähe von Oristano gegen die Flammen. Quelle: dpa
Italienische Ferieninsel Sardinien

Ein Löschflugzeug kämpft in der Nähe von Oristano gegen die Flammen.

(Foto: dpa)

Italien: 99 Prozent der Feuer sind mutwillig gelegt worden

Nicht viel besser ist die Lage in Italien. In Pescara, direkt an der Adriaküste in Mittelitalien, sind große Teile eines Pinienwaldes abgebrannt. Am Sonntag zogen schwarze Rauchwolken über die Stadt, das Feuer reichte bis zu Häusern und Schulen.

Durch den starken Wind war auch der Sandstrand in tiefen Rauch gehüllt, Touristen flohen von ihren Liegen, Sonnenschirme brannten. Hunderte Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Das Feuer in den Abruzzen ist mittlerweile unter Kontrolle – aber zehn Strandabschnitte sind zerstört.

„Die freundlichen Sommer meiner Kindheit existieren nicht mehr“, schrieb die Schriftstellerin Donatella di Pietrantonio, die die Feuer aus der Ferne beobachtete, in der Zeitung „La Repubblica“. „Selbst im Kreislauf eines Lebens spürt man den Klimawandel und seine direkten Effekte.“

Andernorts brennen die Feuer weiter, vor allem auf der Urlaubsinsel Sizilien. Am Samstag zählte allein die Feuerwehr in Catania 115 Notrufe. „Seit Anfang 2021 sind hier 8000 Hektar abgebrannt, 99 Prozent der Feuer waren mutwillig gelegt“, beklagt sich der Chef des regionalen Zivilschutzes.

Oft geht es bei den Bränden um die erzwungene Umwidmung von Gelände etwa in Weideland. Verdächtigt werden Viehzüchter und die Mafia.

Seit Anfang Juli haben in Italien mehr als 61.000 Hektar an Landfläche gebrannt. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti beziffert die Schäden auf rund drei Milliarden Euro. Die Zivilschutzbehörde musste schon mehrmals um Hilfe aus anderen Ländern bitten – so schickten Franzosen und Griechen Löschflugzeuge gen Sardinien, als dort vergangene Woche mehrere Feuer ausbrachen. Auch Sizilien braucht nun Hilfe aus dem Ausland.

Das an einem Berghang ausgebrochene Feuer frisst sich immer weiter in Richtung der Küstenstädte. Verzweifelt versucht die Feuerwehr, die Brände einzudämmen. Quelle: dpa
Waldbrand nahe der griechischen Stadt Patras

Das an einem Berghang ausgebrochene Feuer frisst sich immer weiter in Richtung der Küstenstädte. Verzweifelt versucht die Feuerwehr, die Brände einzudämmen.

(Foto: dpa)

Griechenland: Der Tourismus erholt sich trotz der Brände

In Griechenland erreichte die Hitzewelle am Dienstag mit Temperaturen von örtlich bis zu 46 Grad ihren bisherigen Höhepunkt. Auf der Insel Rhodos kämpften die Feuerwehren gegen einen Waldbrand, touristische Einrichtungen waren aber nicht bedroht. Die Brandgefahr bleibt aber wegen der Dürre extrem hoch. Frühestens für das Wochenende rechnen die Meteorologen mit sinkenden Temperaturen.

Nach einem schwierigen Start hat sich der griechische Tourismus berappelt – und das trotz Hitzewelle, Bränden und der Delta-Variante, die Mitte Juli ausgerechnet auf der Partyinsel Mykonos zu Musikverbot und nächtlicher Ausgangssperre führte.

Auch die neuerliche Einstufung als Corona-Risikogebiet scheint die Urlauber nicht zu stören: Im Juli stieg die Zahl der Touristen gegenüber dem Vorjahr um 49 Prozent. Den größten Anteil stellen die Deutschen mit 30 Prozent.

An touristischen Hotspots melden viele Hoteliers nahezu Vollbelegung. Mykonos hat bei den Übernachtungen sogar das Niveau von 2019 fast wieder erreicht. Über Stornierungen wegen der Waldbrände gibt es bislang keine Berichte.

Mehr: Sturzfluten und Dürren: Wie lebt es sich auf einer vier Grad wärmeren Erde?

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2 Kommentare zu "Türkei, Griechenland, Italien: Der Süden brennt – und die Regierungen wirken überfordert "

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  • Der Süden brennt, weil der Süden weiß, dass er in Brüssel resp. Deutschland Anträge für Kohle stellen kann/muß und dann wird alles gut. Er selbst kann gar nichst mehr.

  • "Regierungen überfordert" ... wäre Deutschland nicht so reich an Tafelsilber, würde es an der Ahr doch genauso aussehen.

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