Türkei und Todesstrafe „Wir wollen die Todesstrafe“

Auf dem zentralen Istanbuler Taksim-Platz hängen Erdogan-Anhänger eine Puppe auf, die den Exil-Prediger Fethullah Gülen darstellen soll.
Istanbul Vom Taksim-Platz in Istanbul werden Demonstranten normalerweise mit Tränengas und Wasserwerfern vertrieben. Das gilt allerdings nur, wenn sie regierungskritisch sind. Seit dem Putschversuch in der Türkei versammeln sich dort Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die seinem Aufruf folgen, die Plätze nicht möglichen weiteren Umstürzlern zu überlassen. In der Nacht zu Dienstag üben die „Demokratie-Wachen“ schon einmal den Umgang mit Putschisten: Sie hängen eine lebensgroße Puppe an einen Galgen.
Bei Erdogans Auftritten seit dem Putschversuch fordern Anhänger immer wieder in Sprechchören: „Wir wollen die Todesstrafe“. Erdogan hat ein gutes Gespür dafür, wie seine Anhänger ticken – und weiß somit gut Bescheid darüber, was die Mehrheit der Türken denkt. Der Präsident gibt Volkes Stimme in einem ersten Interview seit dem Aufstand der Putschisten so wieder: „Warum sollte ich sie auf Jahre hinweg im Gefängnis halten und füttern? – das sagen die Leute.“
Diese Rhetorik geht ausgerechnet auf Militärdiktator Kenan Evren zurück, der nach einem Putsch 1980 drei Jahre lang mit eiserner Faust herrschte und im vergangenen Jahr einsam zu Grabe getragen wurde. „Sollen wir sie etwa füttern und nicht hängen?“ ist das bekannteste Zitat Evrens, der etliche Menschen hinrichten ließ. „Wenn man die, die es verdienen, nicht hängt, dann vermehren sie sich wie Viren.“
Ein ähnliches Bild hat Erdogan bemüht – und zwar mit Blick auf die Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, den er für den Drahtzieher des Putschversuches hält. Der Präsident kündigte an: „In allen Behörden des Staates wird der Säuberungsprozess von diesen Viren fortgesetzt.“ Mehr als 13.000 Menschen wurden bislang suspendiert, darunter über 2700 Richter und Staatsanwälte. Mehr als 7500 Menschen wurden festgenommen, die meisten davon Soldaten.
Ministerpräsident Binali Yildirim sagt am Dienstag im Parlament: „Was die Verurteilung und Bestrafung der Putschisten angeht, sollen meine Bürger beruhigt sein. Ich denke, dass diesem verbrecherischen Vorstoß die höchste Strafe gegeben wird, die es gibt.“ Bislang ist das lebenslange Haft. Sollte das nicht ausreichen, sagt Yildirim, „dann werden wir uns nicht davor scheuen, die nötige Regelung vorzunehmen. Die Botschaft des Volkes ist uns ein Befehl.“
Dieser Befehl könnte in Form einer Volksbefragung gegeben werden. Alleine kann Yildirims islamisch-konservative AKP die Verfassung nicht ändern. Deren Artikel 38 wurde 2004 um die Abschaffung der Todesstrafe ergänzt – Voraussetzung für den Beginn der EU-Beitrittsgespräche im Jahr darauf. Für die Änderung wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig, die unwahrscheinlich ist.