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Türkei Wie Erdogan mit seiner aggressiven Politik Unternehmer verunsichert

Volkswagens Rückzug aus der Türkei verstimmt Manager in dem Land. Die Kritik am türkischen Militäreinsatz könnte noch schlimmere Folgen haben.
16.10.2019 - 17:46 Uhr Kommentieren
Der türkische Präsident steht wegen des Militäreinsatzes in Nordsyrien unter Druck. Quelle: AP
Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident steht wegen des Militäreinsatzes in Nordsyrien unter Druck.

(Foto: AP)

Istanbul Alper Kanca ist enttäuscht. „Gerade wenn man denkt, dass die Probleme weniger werden und die Unsicherheit abnimmt, dann kommen solche Nachrichten.“ Kanca ist Präsident des türkischen Verbands für Automobilzulieferer (Taysad) und hatte den Bau eines Volkswagen-Werks nach Kräften unterstützt.

Doch das Unternehmen machte Anfang dieser Woche einen Rückzieher, nachdem die Türkei wegen eines Militäreinsatzes in die Kritik geraten war. „Wenn Sie denken, alles läuft nach Plan, dann sind solche Nachrichten deprimierend.“

So wie Kanca denken derzeit viele türkische Unternehmer. Die Militäroffensive in Nordsyrien belastet die türkische Wirtschaft. Die USA haben der Türkei mehrmals mit massiven Sanktionen gedroht, sollte sie die Kurdenmilizen in Nordsyrien angreifen. Jetzt machen die USA Ernst, erhöhen Stahlzölle und belegten zwei Ministerien und drei Minister mit Strafmaßnahmen.

Die türkische Wirtschaft reagiert gelassen – noch. Doch es mehren sich die Zeichen, dass Investoren sich abwenden. „Die türkischen Finanzmärkte werden von einer massiven politischen Agenda getrieben“, heißt es in einer Analyse der türkischen Denizbank. Das heißt: Wenn sich der Streit mit den Partnern nicht legt, droht der Türkei ein erneuter wirtschaftlicher Kollaps.

Schuld ist ein Militäreinsatz in Nordsyrien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ließ sein Militär dort einmarschieren, kurz nachdem US-Präsident Donald Trump seine eigenen Truppen aus der Region abgezogen hatte. Die Türkei will dort YPG-Milizen, die Verbindungen zur Terrorgruppe PKK haben, von der Grenze verdrängen und eine Sicherheitszone für Flüchtlinge schaffen.

Doch das Vorgehen der Türkei erntete von der ersten Minute an internationale Kritik. Mehrere EU-Staaten verweigern dem Land Waffenverkäufe, darunter auch Deutschland.

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Die US-Justiz hat außerdem die staatliche Halkbank wegen Betrugs, Geldwäsche und der Umgehung von Iran-Sanktionen in Milliardenhöhe angeklagt. Das „wagemutige“ Vorgehen der Bank sei von ranghohen türkischen Regierungsvertretern unterstützt worden, die teils Millionen US-Dollar Bestechungsgelder kassiert hätten, erklärte der New Yorker Staatsanwalt Geoffrey Berman.

Nach Ansicht der Anklage soll Halkbank von 2012 bis 2016 rund 20 Milliarden US-Dollar an iranischen Geldern verschoben haben. Erdogan nannte die Anklage „hässlich“.

Die USA wollen die Türkei dazu zwingen, Verhandlungen mit der YPG zu führen, die jahrelang von den Amerikanern mit Geld und Waffen unterstützt worden ist. Die Türkei setze sich nicht mit „Terroristen“ an einen Tisch, betonte Erdogan. Er wird sich am Donnerstag in Ankara aber mit US-Vizepräsident Mike Pence und -Außenminister Mike Pompeo zu Gesprächen über die türkische Offensive in Nordsyrien treffen.

Das bestätigte am Mittwoch sein Kommunikationsdirektor. Der türkische Präsident wollte die Delegation zuerst gar nicht empfangen, kündigte zwischenzeitlich aber an, dass er über eine Waffenruhe rede, wenn sich die YPG aus einem 30 Kilometer breiten Grenzstreifen zur Türkei zurückziehe.

Solange die beiden Länder sich nicht einigen, steigt der Druck auf die türkische Wirtschaft. Auch wenn die ersten Sanktionen der USA nicht direkt auf türkische Unternehmen abzielen, sind Investoren verunsichert. Der Istanbuler Leitindex sinkt seit Beginn der Offensive. Die Lira verlor nur leicht an Wert, was auch mit Stützungskäufen türkischer Staatsbanken zusammenhängt.

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Die Sanktionen würden der Wirtschaft nicht direkt schaden, erklärt Stéphane Colliac von Euler Hermes, der Tochtergesellschaft für Exportkredite im Versicherungskonzern Allianz. „Aber der indirekte Einfluss über den Wechselkurs, neue Schulden und eine schlechtere Zahlungsbereitschaft hätte deutlich schärfere Konsequenzen“, erläutern Colliac und seine Kollegen in einer aktuellen Länderanalyse, die dem Handelsblatt vorliegt.

Die jüngsten Zinssenkungen beschreiben die Experten als „voreilig“, die Lira habe seitdem bereits an Wert verloren. „Die türkische Wirtschaft ist nicht immun gegen einen neuen Schock.“

Das gilt auch für den Tourismus. Schon einmal mieden viele Urlauber das Land aus Angst vor Terror oder aus „politischen Gründen“. Zurzeit ist die Hochsaison vorbei. Sollte die PKK oder die YPG wie zuletzt 2016 wieder mit Anschlägen in dem Land drohen, könnte sich die Lage ändern.

Deutsche verschieben ihre Investitionen

Für deutsche Unternehmen sei die Türkei ein attraktiver Investitions- und Wirtschaftsstandort, betont Thilo Pahl, Delegierter der deutschen Wirtschaft in der Türkei und Geschäftsführer der Außenhandelskammer in Istanbul. Doch die derzeitige Unsicherheit verschlechtere das Investitionsklima, ist auch er überzeugt. Demnach sei es aktuell wieder schwierig, mit den Mutterhäusern über zusätzliche Gelder zu verhandeln. Die würden „eher wieder aufgeschoben statt angeschoben“.

Mit weiteren Sanktionen gegen die Türkei könnte die Lira beispielsweise weiter an Wert verlieren. Dann steigt der Inflationsdruck, und die Notenbank müsste die Zinsen wieder anheben, „mit den entsprechenden Bremseffekten für betriebliche Investitionen“, erklärt Pahl.

Verbandspräsident Kanca will die Hoffnung nicht aufgeben. „Wenn Volkswagen rational und nicht ideologisch verzerrt entscheidet, dann halte ich die Türkei derzeit für die beste Investition, die das Unternehmen tätigen kann.“ Der Automobilsektor in der Türkei sei stark, und er wachse weiter. „Nicht in die Türkei zu investieren, wird Volkswagen ebenfalls bezahlen müssen.“

Für seine Branche macht er sich keine großen Sorgen, seine Mitglieder verdienen das meiste Geld mit dem Export. „Trotzdem hat die VW-Entscheidung einen negativen Einfluss, mindestens, was die Motivation der Mitarbeiter angeht.“

Mehr: In einer Welt, die aus den Fugen gerät, müssen Unternehmen wie VW ihre Standortentscheidungen komplett überdenken, kommentiert Handelsblatt-Korrespondent Ozan Demircan.

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