Twitter, Uber, Salesforce San Francisco will Tech-Firmen für Obdachlose zahlen lassen

In der Stadt leben rund 7.500 Menschen ohne Obdach. Sie werden im Straßenbild sichtbarer.
Düsseldorf In San Francisco liegen große Gegensätze manchmal nur ein paar Meter auseinander: Wer etwa durch das Viertel Tenderloin spaziert, findet Drogenhändler, Obdachlose und jede Menge Müll – aber auch die pompösen Hauptquartiere von Twitter und Uber.
Die Firmen hatten lange Zeit guten Grund, sich für den Standort im sozialen Brennpunkt zu entscheiden: Die Stadt förderte die Ansiedlung durch millionenschwere Steuererleichterungen.
Doch nun sieht es so aus, als würden die Bürger San Franciscos den Gegensatz von Arm und Reich nicht länger hinnehmen wollen – und die Konzerne zur Kasse bitten: Am Dienstag haben sie mit der Mehrheit von 60 Prozent für eine Gesetzesinitiative gestimmt, welche zum Ziel hat, Großkonzerne mit Sitz in San Francisco zu besteuern, um Obdachlosenprogramme der Stadt zu finanzieren.
Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Dollar sollen eine Steuer in Höhe von 0,5 Prozent ihrer Bruttoeinnahmen zahlen, heißt es in dem als „Proposition C“ bekannten Gesetz. Das würde der Stadt mehr als 300 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen pro Jahr bescheren und damit genug, um das Problem der Obdachlosigkeit zu bekämpfen.
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Die Initiative ist umstritten – nicht zuletzt unter den Firmen, die besteuert werden sollen. So hat der Chef des Cloud-Computing-Anbieters Salesforce, Marc Benioff, die Kampagne mit sieben Millionen Dollar an Spendengeldern öffentlich unterstützt. Salesforce ist der größte private Arbeitgeber der Stadt. „Danke, San Francisco“, kommentierte Benioff auf Twitter. „Die Zustimmung für Proposition C bedeutet, dass die Obdachlosen ein Zuhause und Hilfe bekommen, die sie dringend benötigen.“
Dagegen dürften die Äußerungen Benioffs sowie die Zustimmung fürs Gesetz einem anderen Tech-CEO sauer aufstoßen: Twitter-Chef Jack Dorsey. Anders als Benioff hat sich dieser gegen die Besteuerung der Großkonzerne ausgesprochen. Er glaube nicht, dass das Gesetz der beste Weg sei, um den Obdachlosen zu helfen, schrieb Dorsey im Oktober auf Twitter.
7.500 Obdachlose leben in San Francisco
Zwischen Dorsey und Benioff entbrannte ein öffentlicher Streit über die Initiative, bei der Benioff dem Twitter-CEO vorwarf, zwar von Steuererleichterungen durch die Stadt zu profitieren, jedoch zu wenig für die schwächsten Bewohner der Stadt zu tun.
Dorsey konterte, dass er lediglich die politische Linie von San Franciscos Bürgermeisterin London Breed unterstütze. Die Demokratin hat sich gegen die Besteuerung von Tech-Konzernen ausgesprochen. Ihr Argument: Das Gesetzesvorhaben sei zu intransparent; außerdem sei noch nicht klar, ob die 300 Millionen Dollar extra überhaupt gebraucht würden. Denn derzeit gebe die Stadt bereits mehr als 300 Millionen Dollar jährlich zur Bekämpfung des Problems aus.
Derzeit leben rund 7.500 Obdachlose auf San Franciscos Straßen; ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren sogar zurückgegangen, wie die örtliche Zeitung „San Francisco Chronicle“ berichtet. Pro Obdachlosem gibt die Stadt also jährlich gut 40.000 Dollar aus – eine Summe, welche die Proposition-C-Unterstützer verdoppeln wollen.
Doch das alte Problem gewinnt in der Wahrnehmung der Bürger neue Brisanz. Denn die Präsenz der großen Firmen wie eben Twitter, Uber oder auch Salesforce hat ehemals heruntergekommene Stadtbezirke aufgewertet – die Obdachlosen passen nicht länger ins Bild der prosperierenden Tech-Metropole. Hinzu kommt, dass sich in den USA, und eben auch in San Francisco, in den vergangenen Jahren eine Heroin-Epidemie entwickelt hat; die Betroffenen landen häufig auf der Straße und verstärken so die Ängste der Bewohner der Stadt.
Auch Seattle besteuert Großkonzerne
San Francisco ist nicht die einzige Stadt, die ortsansässige Unternehmen zur Kasse bitten möchte. Im Mai hat der Stadtrat von Seattle beschlossen, Großkonzerne wie Amazon und Starbucks eine Steuer für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit zahlen zu lassen.
Ab 2019 sollen die Konzerne jährlich 275 Dollar pro Vollzeitangestellten an die Stadtkasse abdrücken. Die „Amazon-Steuer“, wie sie im Volksmund genannt wird, soll die Konzerne dazu bewegen, Verantwortung für die zuletzt stark gestiegenen Mietpreise in Seattle zu übernehmen. Die Steuer soll der Stadt Einnahmen von 48 Millionen Dollar jährlich einbringen.
Amazon war das alles zu viel. Der Konzern stoppte kurzerhand ein Bauprojekt am Stadtrand von Seattle. Eigentlich sollte hier Platz für 7.000 neue Mitarbeiter entstehen.
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