Ukraine In der Coronakrise kehrt Vitali Klitschko zurück in den politischen Ring

Der frühere Champion im Schwergewichtsboxen inszeniert sich in der Coronakrise als Macher.
Kiew Eigentlich lag er schon ausgeknockt auf dem Boden. Doch wie früher in den Vierecken des Profiboxsports blieb Vitali Klitschko beharrlich – und boxt sich nun in den politischen Ring zurück. Der frühere Weltmeister im Schwergewicht, heute Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, ist laut Umfragen inzwischen wieder sehr populär. So populär, dass er die Wahl zum Stadtoberhaupt Ende Oktober gewinnen dürfte.
Schwer getroffen hatte Klitschko der neue ukrainische Präsident Wolodimir Selenski. Nach seiner Machtübernahme vor fast genau einem Jahr warf der damals äußerst beliebte ehemalige Fernsehkomiker quasi das Handtuch für den früheren Profisportler: Klitschko, den Selenski für unfähig hält, werde als Bürgermeister der Hauptstadt abgesetzt, kündigte der junge Staatschef vollmundig an.
Doch inmitten der Coronakrise sammelt der politisch schon totgesagte Klitschko Punkt um Punkt. Der 48-Jährige, 2014 erstmals als Stadtoberhaupt gewählt, gilt den meisten der 3,5 Millionen Hauptstädtern als guter Krisenmanager.
Auch sein umsorgender Umgang mit den Bränden rund um den nur gut 100 Kilometer entfernten, 1986 havarierten Atomreaktor Tschernobyl half ihm. Sie hüllten Kiew tagelang in dichte und ätzende Rauchwolken. Klitschko nutzt seine jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Medien und seine Präsenz auf den sozialen Kanälen.
Täglich informiert er mit einer auf der Website der Stadtverwaltung übertragenen Video-Pressekonferenz seine Mitbürger über die Lage in der Pandemie. Doch vor allem seine kurzen Videos auf dem Videoportal TikTok werden tausendfach geteilt: Dort ist Klitschko zu sehen, wie er sich zu einem beliebten Coronasong die Haare schneidet, sich in seinem Amtszimmer mit Sportübungen fit hält oder sein Foto auf dem T-Shirt mit dem Aufdruck „Quentin Karantino“ zeigt.
Plakate des Boxers in der ganzen Stadt
Mit der Anspielung auf den US-Regisseur und dessen oft brutale und kompromisslosen Filme inszeniert sich Klitschko so als Macher inmitten der Quarantäne, mit der der Bürgermeister die weitere Ausbreitung des Virus verhindern will. „Heute präsentiert: Kreative Menschen haben sich bereits zusammengetan“, schrieb er augenzwinkernd unter das Foto mit dem T-Shirt.
Und in der ganzen Stadt kleben Großplakate mit Klitschkos Konterfei und dem Hashtag #HörAufHerumzulaufen: Damit ruft er die Menschen auf, zu Hause zu bleiben. Nach Hause geschickt, öffentlich und entschlossen im Tarantino-Stil, hat Klitschko kürzlich zwei Stellvertreter: Einen feuerte er wegen Korruptionsvorwürfen, einen anderen, da er sich mit Polizisten geprügelt hatte.
Und während Selenskis Umfragewerte in der Krise sinken, hat Klitschkos Rating auch wegen seiner offensiv und früher als im ganzen Land kommunizierten Öffnungsstrategie in Coronazeiten beträchtlich zugelegt. „Klitschko genießt in der Krise deutlich mehr Aufmerksamkeit und bekommt viel Unterstützung“, sagt der auf Meinungsumfragen spezialisierte Soziologe Olexi Antipowitsch. Aber man wisse nicht, wie er nach der Pandemie dastehe.
Das ahnt indes der geschasste bisherige Stabschef von Präsident Selenski: Andri Bohdan hatte Klitschko vor einem Jahr Korruption vorgeworfen, nun postete der bis vor Kurzem mächtige Manager von Selenskis Erdrutschsieg ein Klitschko-Video mit seinem Kommentar: „Ich weiß schon jetzt, wer der nächste Präsident sein wird. Coming soon.“ Klitschko könnte sich immer weiter nach oben boxen. Im Sport hat er das bereits exzellent vorgemacht.
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