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Ukraine-Krieg EU erwägt extraterritoriale Sanktionen gegen Russlands Lieferanten – China droht mit Vergeltung

Die EU-Kommission will den Mitgliedsstaaten erlauben, Sanktionen gegen Drittstaaten zu verhängen, die Moskau beliefern. Experten sehen darin einen Paradigmenwechsel. 
08.05.2023 Update: 08.05.2023 - 18:20 Uhr 5 Kommentare
China gilt als Russlands wichtigster internationaler Partner. Quelle: AP
Xi Jinping und Wladimir Putin

China gilt als Russlands wichtigster internationaler Partner.

(Foto: AP)

Berlin, Brüssel Von Willkür war die Rede, von einem Bruch des Völkerrechts: Während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump empörten sich die Europäer über Drohungen mit „extraterritorialen Sanktionen“ – Wirtschaftsstrafen also, die sich nicht direkt gegen einen Gegner richten, sondern gegen dessen Handelspartner. 

Die Trump-Regierung versuchte auf diese Weise, europäische Unternehmen von Iran-Geschäften und vom Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 abzubringen. EU und Bundesregierung kritisierten das scharf und schmiedeten Pläne, US-Sanktionen ins Leere laufen zu lassen. 

Jetzt bereitet die EU-Kommission einen spektakulären Politikwechsel vor, wie Brüsseler Diplomaten dem Handelsblatt bestätigen: Im elften Sanktionspaket gegen Russland, über das die EU-Staaten in dieser Woche beraten, will die Kommission eine Rechtsgrundlage für Strafmaßnahmen gegen Länder schaffen, die sensible europäische Güter nach Russland weiterverkaufen.

Erstmals seit Beginn des Ukrainekriegs will Brüssel auch gegen chinesische Firmen vorgehen, die im Verdacht stehen, mit Technologielieferungen die Kriegsmaschinerie des Kremls zu unterstützen. Konkret geht es um acht Unternehmen, gegen die nach Darstellung von EU-Diplomaten „sehr starke Beweise vorliegen“.

Dazu zählen Elektronikanbieter wie 3HC Semiconductors und King-Pai Technology. Auch Firmen aus Syrien und dem Iran stehen auf der Liste.

Die wegen des Ukrainekriegs ohnehin angespannten Beziehungen der EU zu China dürften durch eine Listung zusätzlich belastet werden. Der chinesische Präsident Xi Jinping zählt international zu den wichtigsten Partnern von Kremlchef Wladimir Putin.

China warnt und droht mit Vergeltung

Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums warnte am Montag auf Nachfrage davor, dass der geplante Schritt der EU „das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit mit China untergraben und die Spaltung und Konfrontation in der Welt verschärfen“ werde. China rufe die EU auf, „diesen falschen Kurs nicht einzuschlagen“. Der Sprecher drohte mit „entschlossenen Maßnahmen“, sollte die EU ihre Pläne umsetzen.

Chinas Unterstützung für die russische Staatsführung war auch Thema beim Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit ihrem chinesischen Amtskollegen Mitte April. Auf Nachfrage sagte Qin Gang bei der Pressekonferenz, dass China keine Waffen an „Kriegsparteien“ liefere und das auch nicht tun werde. Eine Lieferung sogenannter Dual-Use-Güter, die auch militärisch genutzt werden können, prüfe man gemäß der gesetzlichen Vorgaben, so Qin.

China lässt einigen Unternehmen bewusst Spielraum, um weiter militärische Güter nach Russland zu exportieren. Quelle: dpa
Qin Gang

China lässt einigen Unternehmen bewusst Spielraum, um weiter militärische Güter nach Russland zu exportieren.

(Foto: dpa)

Diese Formulierung lässt chinesischen Unternehmen Spielraum. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet hatte, sollen staatliche chinesische Rüstungsunternehmen Navigationsgeräte, Störsender und Teile für Kampfflugzeuge an sanktionierte russische Rüstungsunternehmen geliefert haben, teils über Tochterunternehmen oder Zwischenhändler.

Der EU-Kommission ist klar, dass der Schritt, Sanktionen gegen Firmen aus Drittstaaten zu verhängen, eine „signifikante“ Veränderung der europäischen Außenwirtschaftspolitik darstellt. Allerdings sei dieser „notwendig, um unser Sanktionsregime aufrechtzuerhalten“, betont ein Diplomat.

Die EU beobachtet seit Längerem, wie Handelsströme umgelenkt werden, um Russland-Sanktionen zu umgehen. So kommt es, dass immer wieder europäische Nachtsichtgeräte bei gefallenen russischen Soldaten in der Ukraine gefunden werden oder dass europäische Microchips in russischen Marschflugkörpern verbaut werden. 

Der EU liegen konkrete Hinweise darauf vor, dass militärisch genutzte Güter über Drittländer wie Armenien oder Usbekistan nach Russland geliefert werden. „Wir reden hier nicht über zweistellige, sondern drei oder vierstellige Zuwachsraten“, heißt es in Brüssel. Ein so starker Anstieg sei nur mit Sanktionsumgehung zu erklären.

Mehr Druck auf Drittstaaten

Der irische Diplomat David O’Sullivan ist seit vergangenem Dezember EU-Sanktionsbeauftragter und versucht, Drittstaaten in vertraulichen Gesprächen für das Problem der Sanktionsumgehung zu sensibilisieren. Einige Länder, etwa die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Kasachstan, hätten sich kooperativ gezeigt, berichten EU-Quellen. Andere, etwa Armenien und Usbekistan, weniger.

Russische Soldaten nutzen auch weiterhin Güter aus europäischer Herstellung. Quelle: Reuters
Hafen von Wladiwostok

Russische Soldaten nutzen auch weiterhin Güter aus europäischer Herstellung.

(Foto: Reuters)

Deshalb will die EU nun eine Drohkulisse aufbauen. „O’Sullivan wird besser zugehört, wenn wir das nötige Instrumentarium haben“, sagt ein Diplomat.

>> Lesen Sie auch: G7-Staaten rücken näher zusammen – und senden eine klare Botschaft an China

Im äußersten Fall könnte Europa die Ausfuhr von Chips, Nachtsichtgeräten und anderen militärisch relevanten Gütern in unkooperative Länder vollständig stoppen. Konkrete Pläne gibt es hierfür jedoch bisher nicht. Zunächst soll nur die Rechtsgrundlage geschaffen werden. Die Listung einzelner Länder würde erst im zweiten Schritt erfolgen, sollten sich O’Sullivans diplomatische Bemühungen keinen Erfolg haben. Die Entscheidung, von dem Sanktionsrecht Gebrauch zu machen, läge weiterhin bei den Mitgliedstaaten.

Experten sprechen jetzt von einem „Paradigmenwechsel“ in Brüssel. „Die EU hat jahrelang das Narrativ aufgebaut, dass die extraterritorialen Sanktionen der USA rechtlich nicht gedeckt seien“, sagt Tobias Gehrke vom Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR). Deshalb zögerten nun manche Regierungen, auch in Europa damit anzufangen.

Bei den Beratungen der EU-Botschafter über den Kommissionsvorschlag wird Widerstand erwartet. Alle 27 Staaten müssen dem neuen Sanktionspaket zustimmen. Die Verhandlungen könnten mehrere Wochen dauern.

Mächtige EU-Staaten sind für Drittstaaten-Sanktionen

Die Lücken des bestehenden Sanktionsregimes beunruhigt auch Länder, die traditionell für Freihandel eintreten. So hatten im Februar die Niederlande gefordert, die Sanktionen gegen den Kreml besser durchzusetzen. „Die Umgehungstaktiken der Russen werden zahlreicher und kreativer“, hieß es in einem Papier aus Den Haag, das auch 13 weitere Staaten unterzeichnet haben, darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Polen.

Auch wenn die Mitgliedstaaten dem Instrument nun zustimmen sollten, sind die Zweifel groß, ob Brüssel jemals extraterritoriale Sanktionen verhängen wird. „Die EU hätte dann ein neues Instrument in der Schublade“, sagt Sanktionsexperte Gehrke. „Die Frage ist, ob sie sich auch traut, es einzusetzen.“

Das dürfte auch von der Bedeutung des betroffenen Landes abhängen. „An Armenien kann man eher ein Exempel statuieren“, sagt Gehrke. „Bei der Türkei oder China wäre es politisch schwierig.“

Mehr: Wie Russland seine Handelsströme umlenkt und den Westen austrickst

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5 Kommentare zu "Ukraine-Krieg: EU erwägt extraterritoriale Sanktionen gegen Russlands Lieferanten – China droht mit Vergeltung"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Die nächsten Wochen werden auf jeden Fall spannend.

  • Diese Kriegsfetischisten eskalieren bis zum Untergang.

    Hilft natürlich - zumindest für einen Great Reset.

  • United States Imports from Russia was US$15.07 Billion during 2022, according to the United Nations COMTRADE database on international trade. United States Imports from Russia - data, historical chart and statistics - was last updated on May of 2023.

    USA imports S$5.29 Billion of Mineral fuels, oils, distillation products from Russia.....

  • 1. Viele EU-Länder kaufen oder verkaufen russische Produkte. Wird die EU-Kommission alle EU-Länder sanktionieren?

    2. Viele Drittländer (z.B. USA, Indien) kaufen russische Produkte wie Öl usw. Wird die EU-Kommission auch Indien sanktionieren?

    3. Ist es der EU-Kommission erlaubt, Sanktionen gemäß den UN-Regeln zu verhängen, oder handelt es sich um eine regelbasierte Ordnung (Ignorieren die UN)?

  • Unwahrscheinlich, dass alle 27 Länder dafür stimmen. Alleine Ungarn, Frankreich und Griechenland werden ihr Veto dagegen stimmen und im Grund wäre es auch für Deutschland besser. Immerhin hängt unser Wohlstand mittlerweile am Export und Import mit China ab.

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