Umfrage Die Deutschen verlieren ihr Vertrauen in die US-Demokratie

Die US-Wahlen haben laut einer Umfrage dem Ansehen der amerikanischen Demokratie geschadet.
Berlin Die Präsidentschaftswahlen in den USA haben bei den Deutschen ein zwiespältiges Gefühl hinterlassen: Einerseits hat der Sieg von Joe Biden die Hoffnungen auf bessere transatlantische Beziehungen wiederbelebt. Andererseits haben die Wahlen und wohl auch die Hängepartie beim Machtwechsel danach das Vertrauen der Deutschen in die amerikanische Demokratie geschwächt.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Kantar im Auftrag der Körber-Stiftung durchgeführt hat. Es ist das erste Meinungsbild nach den Wahlen in den USA am 3. November. Befragt wurden über 1000 Wahlberechtigte zwischen dem 6. und 10. November.
„Die letzten vier Jahre waren eine enorme Belastungsprobe für das transatlantische Verhältnis. Dass die Deutschen mehrheitlich eine Normalisierung unter Biden erwarten, zeigt jedoch: Der entstandene Schaden ist nicht irreparabel“, kommentierte Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, die Umfrageergebnisse. So gehen 78 Prozent der Bundesbürger nach dem Sieg Bidens davon aus, dass sich die transatlantischen Beziehungen wieder normalisieren werden.
Im September hatten noch 80 Prozent der Befragten das deutsch-amerikanische Verhältnis als „sehr schlecht“ bewertet, und nur zehn Prozent sahen die USA vor den Wahlen als den wichtigsten Partner Deutschlands an. Jetzt ist es immerhin fast ein Viertel der Befragten.
Auf der anderen Seite des Atlantiks ist man weniger pessimistisch: Nach einer vom US-Meinungsforschungsinstitut Pew Research durchgeführten Umfrage halten drei Viertel der US-Bürger die Beziehungen zu Deutschland für gut oder eher gut. Trotz des Stimmungsumschwungs in Deutschland fordert immer noch mehr als die Hälfte der Bundesbürger, dass Deutschland und Europa sich von den USA unabhängiger machen sollten.
China: Bundesbürger gehen auf Distanz
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bundesbürger die Nähe zu China suchen. Im Gegenteil: Die Vorbehalte gegenüber Peking sind in den vergangenen Monaten größer geworden. Forderten im April noch 36 Prozent enge Beziehungen zu China, waren es einer Umfrage der Körber-Stiftung im September zufolge nur noch 27 Prozent. Für 56 Prozent sind die Bande zu den USA wichtiger als zum Reich der Mitte. Sollte es zwischen den Großmächten jedoch zu einem Kalten Krieg kommen, würden sich 82 Prozent der Deutschen am liebsten neutral verhalten.
Vorbehalte gibt es auch gegenüber Russland: Nach der Migrationskrise wird Wladimir Putins Reich und dessen Methoden als die zweitgrößte Herausforderung der deutschen Außenpolitik gesehen. Die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny könnte das Russland-Bild weiter verschlechtert haben.
Sorgen machen sich die Bundesbürger aber auch über den Zustand der Demokratie in den USA. 53 Prozent der Befragten gaben an, dass die Wahl ihr Vertrauen in die amerikanische Demokratie eher geschwächt habe. Und ebenso viele machen sich sogar persönlich Sorgen über die Auswirkungen der US-Wahlen.
Die unklaren Machtverhältnisse und die Weigerung von Donald Trump, den Wahlsieg Bidens anzuerkennen, dürften hier eine Rolle gespielt haben. Ihrer eigenen Demokratie geben die Deutschen mit 7,9 von zehn Punkten die beste Bewertung. Es folgen Frankreich, Großbritannien und dann erst die USA (fünf Punkte).
Keine grundsätzlichen Zweifel an der Demokratie
Die Ereignisse in Amerika haben hierzulande jedoch keine grundsätzlichen Zweifel an der Demokratie geweckt. Eine große Mehrheit der Bundesbürger (85 Prozent) ist der Meinung, dass demokratische Staaten die aktuellen Krisen der Pandemie oder des Klimawandels besser meistern als nicht-demokratische Staaten.
Eine knappe Mehrheit spricht sich zudem dafür aus, dass Deutschland nicht-demokratischen Ländern verbieten sollte, in deutsche Infrastrukturprojekte zu investieren. Das beträfe zum Beispiel die Beteiligung des chinesischen Telekomausrüsters Huawei beim Aufbau des modernen 5G-Mobilfunknetzes.
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