Umgang mit Coronavirus Chinesen kritisieren Regierung in der Virus-Krise – Xis Autorität leidet

Pekings Staatsmedien versuchen, die Kritik von der obersten Parteiführung um Xi und Li möglichst fernzuhalten.
Peking In China gibt es derzeit nur ein Thema: das neue Coronavirus. In den sozialen Netzwerken wird jedoch nicht nur darüber diskutiert, wie man sich vor dem Krankheitserreger schützen kann. Es wird auch offen Kritik am Umgang der Regierung mit der Krise geübt – sofern es die staatliche Zensur zulässt. In einem repressiven System ohne Meinungs- und Pressefreiheit ist das höchst ungewöhnlich.
Dabei wird auch Kritik am Umgang der Zentralregierung sichtbar, wenn auch eher vereinzelt. So kursieren Videos, die zeigen, wie chaotisch die Zustände in den überfüllten und überlasteten Krankenhäusern sind. Sie zerstören damit das staatlich verordnete Bild von einem Land, das die Situation unter Kontrolle hat.
In einem anderen Beispiel stört sich der Nutzer „Zhituizhai Zhuren“ daran, dass am kommenden Montag nach den verlängerten Neujahrsfeiern wieder die Arbeitswoche beginnt. „Ich verstehe es nicht“, schreibt er. „Die Regierung weiß ganz genau, dass das Virus sich stärker verbreiten wird, wenn die Menschen zurück nach Peking kehren, warum sollen wir am 3. Februar wieder zu arbeiten beginnen?“
In China sind das neue Töne. Offene Kritik an Regierungsorganen, sogar auf Lokalebene, wird in der Regel sofort zensiert. „Es ist das erste Mal, dass für jeden sichtbar die Autorität von Xi Jinping infrage gestellt wird“, sagte der ehemalige deutsche Botschafter in Peking, Volker Stanzel, bei einer China-Konferenz in Berlin.
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Die zum Teil zynischen Fragen in den sozialen Netzwerken zeigten, dass die Führung nicht alles kontrollieren könne. Hongkong und Taiwan seien Herausforderungen von außen gewesen. „Jetzt mit dem Coronavirus kommen die Herausforderungen aus dem inneren China“, so Stanzel.
Klarer „Verlust an Glaubwürdigkeit“
Bekomme Chinas Premier Li Keqiang die Lage nicht unter Kontrolle, könnte er zum Bauernopfer werden. „Xi Jinping hält sich weit genug entfernt. Das zeigt seine Unsicherheit“, meint der Diplomat. So könne er im Zweifel den Kampf gegen das Virus als Erfolg der Zentralregierung verbuchen – oder aber Li die Schuld zuschieben.
Auch China-Expertin Kristin Shi-Kupfer, die beim China-Thinktank Merics den Bereich Politik und Gesellschaft leitet, sieht angesichts der vielen den offiziellen Darstellungen widersprechenden zivilen Berichte über die Lage in Wuhan einen klaren „Verlust an Glaubwürdigkeit“ für die politische Führung. Das Virus stammt aus Wuhan.
Pekings Staatsmedien versuchen, die Kritik von der obersten Parteiführung um Xi und Li möglichst fernzuhalten. Das Narrativ scheint festgelegt: Dem anfänglichen Versagen der zu langsam handelnden lokalen Funktionäre folgt nun die Rettung durch eine entschieden agierende Zentralregierung. So bekannte Zhou Xianwang, Bürgermeister der Stadt Wuhan, in einem Interview mit dem staatlichen Sender CCTV am Mittwoch, Informationen nicht früh und zeitig genug weitergegeben zu haben.
Doch er wollte sich nicht allein zum Sündenbock machen lassen. Ihm seien die Hände aufgrund des politischen Systems gebunden gewesen. „Als Lokalfunktionär darf ich Informationen nur veröffentlichen, wenn mir die Befugnis erteilt wurde“, sagte er. Einige Beobachter werten das als indirekte Kritik an Xi, der seit Amtsantritt immer mehr Macht und Entscheidungsgewalt von anderen Akteuren genommen und sie auf sich vereint hat.
An Bürgermeister Xianwang sowie an der Regierung der Provinz Hubei, in der Wuhan liegt, entlädt sich bisher das Gros der Kritik. „Die lokalen Regierungen verbergen etwas“, schimpft etwa Nutzer „Lhui“. Andere schreiben von einem „Funktionärs-Virus“, im Chinesischen klingen die Laute gleich wie „Coronavirus“.
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