Unternehmensteuern Wie die Industriestaaten Steueroasen besser verstehen wollen

Das Land in Mittelamerika gilt als Steueroase.
Berlin Woran erkennt man eine Steueroase? Sehr oft daran, dass Konzerne in einem Land nur wenige Menschen beschäftigen, aber einen Großteil ihres weltweiten Gewinns dort zur Versteuerung anmelden. Dieses Muster ist eines, das die Industrieländer-Organisation OECD identifiziert hat in ihrem Bemühen, exzessive Steueroptimierung und Gewinnverlagerung von Konzernen in Niedrigsteuerländer zu unterbinden.
Helfen sollen der Industrieländer-Organisation – und vor allem den Steuerbehörden der Industriestaaten – umfangreiche Statistiken über die Unternehmensbesteuerung in fast allen Ländern der Welt. An diesem Mittwoch hat die OECD ihre neue Unternehmensteuerstatistik veröffentlicht. Darin wertet sie erstmals Steuerdaten aus dem Country-by-Country-Reporting (CbCR) aus, zu dem immer mehr Staaten die bei ihnen ansässigen multinationalen Konzerne seit 2016 verpflichtet haben.
Länderberichte ausgewertet
Beim CbCR müssen internationale Konzerne mit einem Umsatz von über 750 Millionen Dollar dem Finanzamt ihres Sitzlandes genauere Daten aus ihrem Auslandsgeschäft melden, etwa darüber, in welchen Ländern sie wie viel Umsatz und Gewinn erzielen und wie viele Mitarbeiter sie beschäftigen.
Diese Daten verbleiben beim Country-by-Country-Reporting der OECD bei den Steuerbehörden. In der EU wird dagegen seit Jahren darüber debattiert, sie mit einer Veröffentlichungspflicht zu versehen. Damit sie nutzbar werden, melden die Steuerbehörden der OECD anonymisierte und aufbereitete Daten, die nun Eingang in die jährliche Unternehmensteuerstatistik gefunden haben.
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In dieser ersten Runde haben 26 Länder CbCR-Daten aus dem Jahr 2017 geliefert. Deutschland war noch nicht dabei, aber die skandinavischen Länder, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen, Japan, Südkorea, die USA, Irland und Luxemburg.
Das Missverhältnis zwischen dem Ort, an dem gearbeitet wird, und dem, wo Steuern gezahlt werden, zeigt sich darin, dass in klassischen Finanzzentren 25 Prozent der Konzerngewinne versteuert, dort aber nur vier Prozent der Mitarbeiter beschäftigt werden. Der Umsatz pro Mitarbeiter ist besonders hoch dort, wo der Firmensteuersatz null gilt. Und in den einschlägigen Ländern ist oft auch der Umsatzanteil, den Konzerne und mit ihnen verbundene Firmen erzielen, auffällig hoch.
„Diese Strukturen könnten auch betrieblich motiviert sein“, heißt es in dem Bericht. Deutlich wird aber: Für besonders wahrscheinlich halten die OECD-Steuerexperten dies nicht. Wenn ein Konzern die beschriebenen Strukturen im CbCR aufweist, sollte das die Steuerbehörden des Sitzlandes zu gezielten Prüfungen motivieren, so der Bericht.
Der Anfang stärkerer Kontrollen
Allzu aussagekräftig sei diese Statistik bisher noch nicht, sie diene aber als Basis für die künftig jährlichen Vergleiche. Seit 2016 habe es zudem „erhebliche Fortschritte“ bei der Umsetzung der OECD-Regeln gegen exzessive Steuergestaltung und Gewinnverlagerung (englische Abkürzung BEPS) – etwa über Lizenz- und Patentgebühren – gegeben, schreiben die Autoren. Sie erwarten, dass sie Jahr für Jahr bessere Daten erhalten und daraus künftig präzisere Empfehlungen für Steuerbehörden entwickeln können.
Erstmals hat sich die OECD auch Steuerermäßigungsregeln für Patente und Lizenzen näher angeschaut. Die meisten der untersuchten Konstrukte aus 37 Ländern stufte sie zunächst nicht als „schädlich“ für einen fairen Steuerwettbewerb ein. Allerdings wurden für steuerliche Sonderangebote auf Patente, mit denen zum Beispiel Irland um Investoren geworben hatte, die Regeln verschärft.
Die eindeutigste Erkenntnis aus der Unternehmensteuerstatistik ist allerdings eine weitere: Es ist offenbar unendlich schwierig, Unternehmensteuersysteme unterschiedlicher Länder miteinander vergleichbar zu machen. Steuern werden überall vom Zentralstaat, von Landesteilen und Kommunen erhoben; die Aufteilung ist in jedem Land eine andere. Noch uneinheitlicher ist, worauf genau die jeweiligen Staaten Steuern erheben.
Die OECD versucht, jeweils die effektiven Steuersätze, die Unternehmen wirklich zahlen müssen, zu ermitteln, um überhaupt feststellen zu können, wie bedeutend Unternehmensteuern für die jeweiligen Länder sind. Demnach machen sie in Entwicklungsländern bis zu 20 Prozent der Steuereinnahmen aus, in den OECD-Industriestaaten aber nur 9,3 Prozent.
Während der Finanzkrise 2009 gingen die Steuereinnahmen von Firmen rezessionsbedingt zurück, erholten sich dann aber. Im Durchschnitt von 93 untersuchten Ländern ist ihr Anteil am Steueraufkommen von 12,1 Prozent im Jahr 2000 auf 14,6 Prozent 2017 gestiegen, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt legte von 2,7 auf 3,1 Prozent zu.
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