US-Newsletter „Zukunftslabor USA“ An dieser Digital-Branche verbrennen sich die Tech-Riesen regelmäßig die Finger

Activision Blizzard (World of Warcraft, Overwatch), Take Two (Grand Theft Auto) und Electronic Arts (Fifa) sitzen alle in Los Angeles oder im Silicon Valley.
New York Die Frage „Was, wenn Google/Amazon/Facebook das morgen nachbaut?“ ist eine, auf die jeder Startup-Gründer vorbereitet sein muss. Sie ist sogar so zum Klischee geworden, dass der Venture Capitalist Turner Novak sie in seine im Silicon Valley
legendäre Tiktok-Satire des schlecht vorbereiteten Investors einbaute. Trotzdem: Wenn ein Unternehmen mit Amazon konkurrieren muss, wird es in der Regel ungemütlich.
Es gibt aber eine Digital-Branche, die davon völlig ausgenommen scheint. Eine mit gewaltigem Marktvolumen und gesundem Wachstum – doch die Tech-Riesen verbrennen sich daran einer nach dem anderen die Finger.
Die Rede ist von Computerspielen. Mit einem prognostizierten Umsatz von 300 Milliarden Dollar im Jahr 2023 ist die Branche größer als die Film- und Musikbranche zusammen.
Die Großkonzerne heißen hier Nintendo, Activision Blizzard und Electronic Arts, nicht Google oder Apple. Und statt totaler Marktdominanz einzelner Firmen wie in der Online-Suche (Google) oder bei Smartphone-Betriebssystemen (Google, Apple) gibt es zahlreiche erfolgreiche Firmen – was auch für Anleger Chancen bietet.
Eine davon hat kürzlich einen gefeierten Börsengang hingelegt: Roblox schoss an seinem ersten Handelstag Mitte März um 66 Prozent in die Höhe und ist seitdem noch weiter gestiegen. Mehr als 42 Milliarden Dollar ist das Unternehmen aus San Francisco aktuell wert.
Roblox ist kein einzelnes Spiel, sondern viele. Die App ähnelt eher Youtube als einem Handyspiel wie Candy Crush. Statt direkt in eine Spielewelt einzutauchen, sieht der Spieler erstmal ein Menü mit empfohlenen Spielen, die von Aufbauspielen wie „Theme Park Tycoon 2“ bis Abenteuerspielen wie „Zombie Attack“ reichen.

Roblox hat kürzlich einen gefeierten Börsengang hingelegt.
Geld verdient Roblox mit dem Verkauf der Spielewährung „Robux“, mit der ein Spieler seinem Avatar – dem Charakter, den er spielt – zum Beispiel ein neues Kleidungsstück kaufen kann. Wer das albern findet, verkennt den sozialen Aspekt der Plattform. Die meisten Spiele spielt man mit Freunden – für viele aktuell ein Ersatz, sich persönlich zu treffen. Homo ludens lebt – nur in der Pandemie eben im Internet.
Bei Google oder Amazon hätten sie wohl auch gerne ein Roblox. Die Tech-Konzerne wollen den Markt für Computerspiele erobern und Gaming zusammen mit ihrem Cloud-Geschäft auf jedem Gerät und überall anbieten. Beide Konzerne haben eigene Entwicklungsstudios gegründet. Beide haben Erfahrung damit, Plattformen zu bauen, ziehen die talentiertesten Entwickler an und haben quasi unbegrenzt Geld.
Trotzdem gelingt ihnen bisher nichts: Google hat seine Bemühungen schon wieder eingestellt, Amazon hat bislang auch nur Pleiten erlebt – ein Spielehit lässt trotz Investitionen hunderter Millionen Dollar und hoher Priorität für Noch-Chef Jeff Bezos auf sich warten.
Die Branche ist zwar nicht von Big Tech, aber trotzdem amerikanisch, sogar kalifornisch dominiert. Activision Blizzard (World of Warcraft, Overwatch), Take Two (Grand Theft Auto) und Electronic Arts (Fifa) sitzen alle in Los Angeles oder im Silicon Valley.
Europa stellt neben der französischen Branchengröße Ubisoft eher die Akquisitionsziele für die Amerikaner, etwa als Electronic Arts (EA) im Februar das britische Studio Codemasters für 1,2 Milliarden Dollar übernahm.
Codemasters entwickelt Rennspiele wie „Formula 1“ oder „DIRT“ für Smartphones, EA hat die „Need for Speed“-Reihe für den PC – erfolgreiche Spielereihen sind der Schlüssel zum Herz der Fans, den die Tech-Giganten Google und Amazon bisher mit Geld offenbar nicht kaufen können.
„Wir haben im vergangenen Jahr massives Wachstum gesehen“, sagte mir EAs Senior Vice President Steve Pointon kürzlich. „Soziale Kontakte, die vorher physisch waren, sind nun digital und der Genuss von Sport und Entertainment, der vorher linear stattfand, ist nun interaktiv.“ Davon wolle EA auf jeder Plattform profitieren.
Auch im Cloud Gaming. Der Trend, den die Tech-Riesen dominieren wollen, schaut sich EA auch an: „Wir stellen uns eine Welt vor, in der jeder jedes Spiel jederzeit auf jedem Gerät spielen kann“, sagt Pointon. Der Unterschied zu manchem verängstigten Konkurrenten von Big Tech: Die Spieleentwickler müssen sich die Bedingungen nicht diktieren lassen. Sie können sich ihre Spielzüge in Ruhe überlegen.
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Twitter-Chef Jack Dorsey ist zum zweiten Mal dran.
Zum Glück tagt das US-Repräsentantenhaus derzeit nur virtuell. Die Flüge, die die Chefs der großen Tech-Plattformen in den vergangenen Monaten nach Washington hätten unternehmen müssen, hätten eine hässliche Klimabilanz produziert. Zum dritten Mal in einem Jahr müssen am Donnerstag Facebook-Chef Mark Zuckerberg und Google-Chef Sundar Pichai vor einem Ausschuss des US-Kongresses aussagen, Twitter-Chef Jack Dorsey ist zum zweiten Mal dran.
Unter dem Titel „Disinformation Nation: Social Media's Role in Promoting Extremism and Misinformation“ befragen die Abgeordneten des Unterausschusses für Kommunikation und Technologie die drei unter anderem zur Schuld der sozialen Plattformen an der Besetzung des Kapitols durch gewalttätige Trump-Anhänger am 6. Januar. Hier finden Sie den Livestream für den 25. März.
Kurz & bündig
- Chef von Goldman Sachs verspricht Hilfe für überarbeitete Jungbanker: Viele junge Investmentbanker arbeiten mehr als 100 Stunden in der Woche. Goldman-Chef David Solomon will zumindest freie Samstage künftig besser garantieren.
- Politisch kann Joe Biden beim Thema Einwanderung nur verlieren: Die Krise an der Grenze zu Mexiko überfordert Washington. Der US-Präsident tritt nun in die harte Phase seiner Präsidentschaft ein.
- Gehalt, Aufstieg, Hierarchien: Tesla und Volkswagen im Karrierecheck. Die Autobauer steuern auf einen Zweikampf in der Elektromobilität zu - und werben um Manager, Ingenieure und Talente. Wer dabei was bietet.
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In San Francisco ist viel Wohnraum frei geworden.
Corona-Krise verändert San Francisco
Die Coronakrise hat keine Stadt in den USA so deutlich verändert wie San Francisco. Anfang 2020 waren 3000 Dollar Miete für ein Einzimmer-Apartment in SF noch völlig normal. Seit niemand mehr in die Twitter-Zentrale auf der Market Street, an die Stanford-Universität in Palo Alto oder zum Googleplex in Mountain View pendeln muss, ist viel Wohnraum frei geworden.
Work from Home heißt für viele: Work from Utah oder, häufiger, Work from Lake Tahoe, dem Erholungsgebiet an der Grenze zu Nevada. Und Städte wie Austin oder Miami werben als die Tech-Zentren von morgen um Gründer und Investoren.
„Ich glaube, man kann sagen, dass das Silicon Valley tot ist“, schrieb Paul Flaherty schon vor knapp 30 Jahren. „Man findet Risikokapital auch anderswo (…) die Universitäten sind zwar noch da, aber sie sind nicht mehr der Treiber wie früher. Das Valley habe sich verändert, schreibt Flaherty und nennt es „verknöchert“.
Flaherty ist eine Legende im Silicon Valley, er hat die Suchmaschine Altavista mitentwickelt. Altavista, die Älteren erinnern sich, war einer der Pioniere der Internetsuche, die Google allesamt obsolet machte. Und falls sie das Flaherty-Zitat nicht in der Zwischenzeit gegoogelt haben: Es ist von 1993, kurz vor Ausbruch der Internet-Revolution.
Mehr: Lesen Sie hier, auf welchen Aktien-Hype sich die Wall Street vorbereitet.
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