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US-Newsletter „Zukunftslabor USA“ „Jetzt oder nie“: Deutsche Wirtschaft macht Druck auf amerikanische Partner

Eine drohende politische Blockade erschwert im kommenden Jahr Kooperationen möglicherweise deutlich. Dieser Winter könnte die transatlantische Partnerschaft neu definieren.
01.12.2021 - 13:40 Uhr Kommentieren
Der US-Präsident gerät derzeit an allen Fronten unter Druck. Quelle: Getty Images; Per-Anders Pettersson
Joe Biden

Der US-Präsident gerät derzeit an allen Fronten unter Druck.

(Foto: Getty Images; Per-Anders Pettersson)

Washington Deutsche Wirtschaftsvertreter reisen in diesen Tagen mit gemischten Gefühlen in die USA. Eigentlich sei man in Aufbruchsstimmung und arbeite mit der US-Regierung an konkreten Projekten, heißt es in Gesprächen. Auf vielen Ebenen geht es voran: neue Foren wie der Trade and Technology Council (TTC) liefern einen konkreten Rahmen für Absprachen, und erst kürzlich fand das erste Treffen der US-Germany Climate and Energy Partnership in Washington statt.

Viele Transatlantiker hoffen auf ein Momentum, gemeinsame Visionen umzusetzen, etwa die eines digitalen Wirtschaftsraums zwischen den USA und der EU. Dazu bietet das frisch beschlossene Infrastrukturpaket neue Chancen für Investitionen in Energie- und Baubranche.

Doch parallel wächst die Sorge, dass der Tatendrang bald wieder gebremst werden könnte. US-Präsident Joe Biden droht bereits im kommenden Jahr eine politische Blockade, sollten seine Demokraten die Mehrheit im Kongress verlieren. „Jetzt oder nie, die Zeit für Kooperationen läuft uns davon“, sagt der Sprecher eines deutschen Branchenverbands.

Das Szenario, das Biden zudem nur eine Amtszeit im Oval Office durchhalten könnte, wird auf beiden Seiten des Atlantiks immer stärker diskutiert. Von der Euphorie kurz nach dem Regierungswechsel ist wenig übrig. Im Austausch spürt man eher Skepsis, ob die produktive Phase lange anhält.

Noch im Dezember könnte ein alter Konflikt wieder aufflammen, wenn der US-Kongress Sanktionen gegen die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 verhängen will. „Wenn tatsächlich neue Sanktionen kommen, wäre das fatales Signal“, sagt eine deutsche Wirtschaftsvertreterin.

Nordstream-2-Vereinbarung lässt Raum für Interpretationen

Eigentlich hatte Washington der Bundesregierung eine Atempause verschafft. Im Sommer entschied der Präsident im Schulterschluss mit Angela Merkel, Sanktionen gegen Deutschland im Zusammenhang mit Nord Stream 2 auszusetzen.

In dem Kompromiss spiegelte sich Pragmatismus der Biden-Regierung wider: Da die Pipeline im Wesentlichen fertiggestellt ist, zog der Präsident vor, die Beziehungen zu Deutschland zu reparieren.

Allerdings ließ die Vereinbarung zwischen den USA und Deutschland viel Raum für Interpretationen. So heißt unter anderem darin, dass Russland „Konsequenzen“ fürchten muss, wenn es Energie als erpresserisches Mittel einsetzt - doch wann ist diese Grenze überschritten? Und welche Konsequenzen zieht Deutschland im „worst case“? Das ist nicht klar definiert. Amos Hochstein, der US-Beauftragte für globale Energiesicherheit, warf Russland gerade in einem Fernsehinterview vor, „sehr nahe an diese Linie“ zu kommen. Eine Sicht, die in Berlin eher weniger geteilt wird.

Bislang versucht das Weiße Haus noch, Druck auszuüben, ohne die deutschen Partner zu brüskieren. Doch die Mahnungen in Richtung Berlin sind unmissverständlich:

Sollte Russland versuchen, Energie als Waffe zu verwenden oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine begehen, sind wir und Deutschland verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. US-Außenminister Antony Blinken

Die kommenden Wochen sind entscheidend dafür, ob das Milliardenprojekt noch eine Zukunft hat - aus mehreren Gründen:

  • Risiko Nummer 1: Biden steht unter Zugzwang. Im US-Kongress eskaliert der Streit über die Ostsee-Pipeline. Die Republikaner haben am Montag den Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr blockiert, weil sie neue Sanktionen in das Gesetz zwingen wollen. US-Präsident Joe Biden soll dann keine Möglichkeit mehr haben, solche Sanktionen aufzuheben. Die Demokraten benötigen die die Republikaner im Senat, damit der Verteidigungsetat beschlossen werden kann - und auch in den Reihen von Bidens eigener Partei gibt es viele Gegner der Pipeline. Für Biden bedeutet dass, dass das transatlantischen Verhältnis bald nicht mehr in einem Ausmaß schützen kann, wie es ihm lieb wäre.
  • Risiko Nummer 2: Deutschlands neue Regierung. Die scheidende Bundesregierung warnt den Kongress vor neuen Sanktionen - diese würden die „transatlantische Einheit“ gefährden, heißt es in einem vertraulichen Papier, das deutsche Regierungsvertreter an ihre amerikanischen Gesprächspartner übergaben. Ein Unsicherheitsfaktor ist die neue Regierung. Die künftige Ampelkoalition ist sich in der Nord-Stream-2-Frage uneins. Im Koalitionsvertrag wird das Thema nicht erwähnt, weil die Parteien ihre Differenzen nicht ausräumen konnten. FDP und Grüne sehen die Pipeline kritisch.
  • Risiko Nummer 3: Die angespannte Sicherheitslage. Die Energiekrise in Europa und die wachsende russische Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine haben die USA in Alarmstimmung versetzt. „Es ist genau das Szenario eingetreten, vor dem wir immer gewarnt haben“, sagt ein amerikanischer Diplomat. In Washington nimmt man Entwicklungen an der ukrainischen Grenze sehr ernst und fürchtet, dass Russland bereits im Januar in das Nachbarland einmarschieren könnte. Jede Zuspitzung des Konflikts macht eine Blockade on Nord Stream 2 wahrscheinlicher.

Biden gerät derzeit an allen Fronten unter Druck, seine konziliante Haltung gegenüber Deutschland und Nord Stream 2 zu ändern. „Den USA droht eine geopolitische Katastrophe, wenn Nord Stream 2 ans Netz geht“, wütet der Republikaner Ted Cruz. Der texanische Senator blockiert im Kongress die Bestätigung Dutzende Botschafter-Personalien, aus Protest gegen Bidens Kurs. Unter anderem hält er die Entsendung der designierten US-Botschafterin für Deutschland auf, Amy Gutmann.

Das ist nicht das einzige Drama auf dem Capitol Hill. Dieser Winter könnte die transatlantische Partnerschaft neu definieren - und auch die Richtung von Bidens Präsidentschaft. Im November konnte er mit seiner 1,2 Billionen schweren Infrastrukturreform einen Erfolg feiern.

Bidens größtes Vorhaben ist noch nicht beschlossen

Doch der größere Teil seiner Wirtschaftsagenda, ein Billionenpaket für Sozialprogramme und Klimaschutz, ist noch nicht beschlossen, weil die Demokraten ihre Flügelkämpfe nicht in den Griff kriegen. Darüber hinaus muss der Kongress bis Weihnachten einen drohenden Staatsbankrott und einen Shutdown der Regierung abwenden.

Washington kommt nicht zur Ruhe, und auch Bidens Rückhalt leidet in turbulenten Zeiten. Am Ende seines ersten Amtsjahres scheint seine Botschaft von Aufbruch und Neustart verbrannt. Der Afghanistan-Abzug, die Delta-Welle und die Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko gaben Kritikern Aufwind, akut kratzen Inflation, Warenknappheit und kletternde Benzinpreise an Bidens Zustimmungswerten.

„Die Menschen sind frustriert“, sagt der demokratische Stratege Zac McCrary, „und das Weiße Haus hat eine Weile gebraucht, um mit der Stimmung des Landes Schritt zu halten.“ Selbst, wenn sich die wirtschaftliche Situation entspanne, sei ein Eindruck schwer auszubügeln: Biden und seine Partei werden als „out of touch“, realitätsfern, wahrgenommen.

Zwar gibt es erste Anzeichen, dass sich die Situation bei den Lieferketten und teuren Preisen bessern könnte. Doch die Demokraten kämpfen, weniger als ein Jahr vor den wichtigen Zwischenwahlen, gegen die Zeit. Neue Unsicherheit droht durch die Omikron-Variante, die jederzeit auch in den USA nachgewiesen werden könnte. Ich habe Biden in den vergangenen Wochen in Washington begleitet. Die Nahaufnahme eines entzauberten Präsidenten lesen Sie hier. Auch Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris gerät zunehmend unter Druck, sie gilt nicht mehr als gesetzte Nachfolgerin.

Mehr: Fertigstellung von Nord Stream 2: Amtshilfe für Gazprom empört die USA.

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