Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

US-Newsletter „Zukunftslabor USA“ Joe Biden will den Staat zum Hauptdarsteller des US-Kapitalismus machen

Der Newsletter „Zukunftslabor USA“ greift Trends, Tabubrüche, Ideen und Experimente aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf. Er zeigt, was diese für Deutschland und Europa bedeuten.
31.03.2021 - 13:13 Uhr Kommentieren
Der US-Präsident will dem Staat zu einem Comeback verhelfen. Quelle: Reuters
Joe Biden

Der US-Präsident will dem Staat zu einem Comeback verhelfen.

(Foto: Reuters)

New York Zukunftslabor USA – das klingt nach neuen Impfstoffen, genialen Tech-Gadgets oder auch trickreichen Finanzprodukten. Das größte Experiment in Amerika findet derzeit jedoch in der Politik statt: Joe Biden will den Staat zum Hauptdarsteller des amerikanischen Kapitalismus zu machen.

Um die Bedeutung dieses Rollenwechsels zu ermessen, muss man sich an den Republikaner Ronald Reagan erinnern, der 1981 gleich zu Beginn seiner „Reagan Revolution“ erklärte: „Die Regierung ist nicht die Lösung unserer Probleme, die Regierung ist das Problem.“ Oder an den Demokraten Bill Clinton, der 15 Jahre später in seiner Rede zur Lage Nation versprach: „Die Ära eines immer größer werdenden Staates ist vorbei.“ (The era of big government is over).

Mit diesen Parolen prägten die beiden ehemaligen US-Präsidenten einen jahrzehntelangen, überparteilichen Konsens, der erst durch die Finanzkrise 2008 erschüttert, aber nicht überwunden wurde. Biden leitet jetzt eine Zeitenwende ein und will zeigen: Der Staat kann es doch, und er kann es oft sogar besser.

Der Republikaner war von 1981 bis 1989 Präsident der USA. Quelle: dpa
Ronald und Nancy Reagan

Der Republikaner war von 1981 bis 1989 Präsident der USA.

(Foto: dpa)

Am heutigen Mittwoch will der neue US-Präsident bei einem Auftritt in der Industriestadt Pittsburgh Einzelheiten seines rund drei Billionen Dollar schweren Infrastrukturprogrammes verkünden. Geplant ist ein Doppelschlag: Zunächst geht es um massive Investitionen in marode Straßen, Brücken, Kanalisation und Wasserwege, aber auch um den klimafreundlichen Umbau der amerikanischen Wirtschaft.

Biden spricht wechselweise vom „Build back better“-Programm nach der Pandemie und dem „Green New Deal“. Im April will sich der umtriebige 78jährige daran machen, den amerikanischen Sozialstaat umzubauen. In seinem Fokus stehen dann die Gesundheitsversorgung und die staatlichen Angebote für Familien und Kinder.

Nimmt man die knapp zwei Millionen Dollar aus den gerade verabschiedeten Konjunkturhilfen noch dazu, würde Biden in seinen ersten Monaten Staatsausgaben in Höhe von knapp einem Viertel des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf den Weg bringen. Mehr hat bislang nur Franklin D. Roosevelt mit seinem „New Deal“ 1929 geschafft: FDR gab damals fast 40 Prozent des BIP von 1929 aus.


Als Biden kürzlich im East Room des Weißen Hauses eine Runde Historiker um sich versammelte, haben die Teilnehmer mit dem Präsidenten dem Vernehmen nach lange über FDR gesprochen. Keine Rolle dürfte in der Runde hingegen der deutsche Ökonom Adolph Wagner gespielt haben. Der Finanzwissenschaftler ist für Bidens Experiment jedoch durchaus interessant. Wagner ist nämlich der geistige Vater des nach ihm benannten Gesetzes wachsender Staatsausgaben.

Die historische Beobachtung des Finanzwissenschaftlers von 1863 lässt sich auf die Kurzformel bringen, dass der Staat mit steigendem Wohlstand überproportional mehr Einfluss auf das Leben der Bürger nimmt und dass sich dies in einer steigenden Staatsquote ausdrückt.

Die Erkenntnis Wagners, dass die Staatsausgaben nach einer sozialen Krise wegen der Gewöhnungseffekte meist nicht wieder zurückgenommen werden, könnte Bidens politisches Schicksal entscheiden. Denn es ist gut möglich, dass die Staatsquote in den USA nicht, wie in der Grafik prognostiziert, wieder auf ihr altes Niveau zurückfällt.

Etwa zwei Drittel von Bidens Konjunkturprogramm sollen einmalige Ausgaben sein, um die dringendste Not zu lindern. Läuft es auch diesmal so wie bei früheren Präsidenten, wird vieles davon dennoch bleiben. So haben die staatlichen Hilfen für Arbeitslose, die Gesundheitsversorgung und andere Sozialleistungen in den USA zwischen 1979 und 2019 um mehr als die Hälfte auf knapp 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugenommen. In dieser Zeit regierten abwechselnd Republikaner und Demokraten wie Reagan, Bush senior, Clinton, Bush junior, Obama und Trump.

Will Biden den Staat in Amerika vom Reparaturbetrieb dauerhaft zum Vor- und Fürsorgeakteur machen, muss er mit vier Bällen zugleich jonglieren: auf der Ausgabenseite muss er ökonomisch die richtige Balance zwischen konsumtiven und investiven Aufwendungen finden. Und auf der Einnahmeseite braucht es auch ein politisches Gleichgewicht zwischen Neuverschuldung und Steuererhöhungen.

Erster Prüf- und Stolperstein könnte eine saftige Erhöhung der Körperschaftssteuer für Unternehmen von 21 auf 28 Prozent werden. Gelingt Biden der Balanceakt nicht, droht dem Demokraten bei den Halbzeitwahlen im November 2022 ein Wahlkampf über Schulden und Defizite – und das Staatsexperiment könnte krachend scheitern.

Frage der Woche

Apple wird in den kommenden Wochen sein mobiles Betriebssystem iOS für iPhone und iPad aktualisieren und dabei den Nutzern mehr Kontrolle darüber geben, ob ihr Verhalten im Internet von werbefinanzierten Apps nachverfolgt werden können. Während Facebook & Co. dagegen Sturm laufen präsentiert Apple sich als Hüter der Privatsphäre.

Ist Apple der „Golden Boy“ unter den Tech-Riesen?

Es antwortet Aline Blankertz, Projektleiterin für Datenökonomie bei der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin:

Das neue Update des Betriebssystems iOS bringt nicht nur mehr Transparenz, sondern auch mehr Kontrolle. Die Nutzer werden gezielt gefragt, ob sie mit einem Tracking einverstanden sind. Das wird sicher dazu führen, dass weniger Daten geteilt werden. Das bedeutet für die digitale Werbung, dass man die Werbung weniger stark personalisieren und auch den Erfolg von Kampagnen weniger gut messen kann. Für Unternehmen wie Facebook bedeutet das, sie werden weniger Gewinn machen. Langfristig kann es sein, dass die Plattformen mehr über Bezahlmodelle für ihre Nutzer nachdenken müssen.

Apple schafft es von den Tech-Giganten noch am besten, sich von der Datensammelwut freizumachen. Das Geschäftsmodell beruht nicht darauf, in die Privatsphäre der Nutzer einzudringen. Bei Facebook, Google und Microsoft gibt es immer wieder Skandale. Apple tut das aber nicht nur aus Überzeugung, sondern nutzt den Datenschutz auch als Marketinginstrument. Interessant ist, dass man mit einem besseren Schutz der Privatsphäre auch wirtschaftlich punkten kann.

Kurz & Bündig

Beta-Ebene

Der Lügenbaron von Münchhausen und “Identity politics”

Die fantastischen Geschichten des deutschen Schriftstellers Rudolf Erich Raspe über den „Lügenbaron“ von Münchhausen sind weit über die Grenzen hinaus bekannt und finden jetzt sogar im Kulturkampf der USA ihren Niederschlag findet. Dazu muss man wissen, dass die Lügengeschichten des deutschen Barons seit den 1950er Jahren in der Psychiatrie als Grundlage für das sogenannte „Münchhausen Syndrom“ gelten.

Darunter leiden eingebildete Kranke, also Patienten, die ein körperliche Beschwerden erfinden und darunter dann psychisch leiden. Betroffen davon sind oft Menschen mit Identitätsstörungen – womit wir im Kulturkampf in den USA angekommen wären, der gerade in der Wissenschaft ausgetragen wird.
Dort „outen“ sich seit einiger Zeit vor allem Akademikerinnen, die sich mit der Kultur und Geschichte von Minderheiten beschäftigen und sich so stark mit deren Leiden „identifizieren“, dass sie sich selbst als Mitglieder dieser Minderheiten ausgeben. „Für den größten Teil meines Lebens als Erwachsener war jeder Schritt, den ich gemacht habe, jede Beziehung, die ich eingegangen bin, auf dem napalmhaltigen, giftigen Boden der Lüge verwurzelt“, schrieb zum Beispiel Jessica A. Krug, Professorin für Afro-Amerikanische Geschichte an der George Washington University.

Die Weiße aus Kansas hatte sich jahrelang als Schwarze mit karibischen Wurzeln aus den Bronx ausgegeben. „Der vielleicht seltsamste Aspekt des Falles ist jedoch, dass er nicht einzigartig ist“, kommentiert die US-Zeitschrift The Atlantik die Lügen-Geschichte.

Das gibt’s doch nur in Amerika, mag manch einer hier denken. Stimmt nicht ganz. Die Autorin Mithu M. Sanyal beschreibt in ihrem neuen Roman „Identitti“ einen ähnlichen Fall in Düsseldorf.

Mehr: VW löst Umbenennung des US-Geschäfts in „Voltswagen“ als Aprilscherz auf

Startseite
Mehr zu: US-Newsletter „Zukunftslabor USA“ - Joe Biden will den Staat zum Hauptdarsteller des US-Kapitalismus machen
0 Kommentare zu "US-Newsletter „Zukunftslabor USA“: Joe Biden will den Staat zum Hauptdarsteller des US-Kapitalismus machen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%