US-Newsletter „Zukunftslabor USA“ Zuckerbergs Datensammelei ist nicht das größte Problem – Facebook ödet einfach an

Ist das noch Teil von Mark Zuckerbergs Vision, „die Welt näher zusammenzubringen“?
San Francisco Am 7. April kamen die Nachrichten von fremden, deutschen Handynummern: „Ihr gekauftes Geschenk wurde verschickt, bitte bestatigen Sie“, gefolgt von einem obskuren Link. Eine Minute später: „Ihr paket wird heute zum Absender zurückgesendet. Letzte Moglichkeit es abzuholen“ und wieder so ein nach Phishing riechender Link. Alles an meine deutsche SIM-Karte, die ich in den USA nur noch alle paar Wochen mal ins Smartphone schiebe.
Für Ihren Tech-Korrespondenten war schnell klar, woher die Internet-Betrüger seine Nummer hatten. Tage zuvor war ein gigantisches Facebook-Datenleck einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, bei dem private Daten von 533 Millionen Nutzern veröffentlicht wurden.
Erst hatte ein Hacker versucht, Teile der Daten zu verkaufen. Anfang April landete der Datensatz dann kostenlos im Netz, wodurch meine neuen SMS-Freunde wohl die „Moglichkeit“ bekamen, Kontakt zu mir aufzunehmen. Ist das noch Teil von Mark Zuckerbergs Vision, „die Welt näher zusammenzubringen“?
Auch wenn sich Facebook weigerte, betroffene Nutzer zu informieren, war es nicht schwer, Klarheit zu bekommen. Auf der Seite HaveIBeenPwned können Sie prüfen, ob Sie wie ich auch zu diesem Club gehören. Vorwarnung, es ist nicht sehr exklusiv. „Einer von 533 Millionen“ ist halt noch beliebiger als ein Max-Giesinger-Song.
Immerhin brachte mich das Erlebnis dazu, mich mit seiner Seite von mir zu beschäftigen, die ich lange vernachlässigt hatte: Meiner Facebook-Seite. Die dort präsentierte Version von Alexander Demling mag Bands, die ich nicht mehr höre. Hat Freunde, die ich vermutlich nie wieder sprechen werde.
Meine „Nachrichtenanfragen“ quellen über vor zweideutigen Angeboten von Sex-Bots wie einst mein GMX-Postfach, bevor es gute Spamfilter gab. Die Facebook-App habe ich vor Jahren gelöscht, genauso wie Instagram. Nur die Seite habe ich noch. Sie ist der staubige, etwas eklige Dachboden meiner Internet-Existenz.

Auf den Handel „Daten statt Geld“ kann sich ein mündiger Internet-Nutzer einlassen.
Nicht, dass Facebook deshalb nichts über mich weiß. Die Tentakel von Facebooks Werbenetzwerk reichen quer durchs Internet und füttern den Riesen mit frischen News über das Internet-Leben des Alexander Demling. Selbst wenn ich mein Profil und Facebook meine Daten von seinen Servern löschte, könnte es in einem sogenannten „Schattenprofil“ zusammentragen, was ich so mache.
Die Telefonnummern, die Nutzer für den Schutz ihrer Profile durch Zwei-Faktor-Authentifizierung an Facebook gaben, warf das Unternehmen irgendwann, ohne zu fragen, auf seinen allgemeinen Datenberg. Meine Facebook-Existenz verrotten zu lassen, ist meiner kleiner, vielleicht vergeblicher Akt des Widerstandes.
Apple schränkt in dieser Woche das Tracking quer durch Apps auf meinem iPhone ein, was Facebook als scheinheilig und Sargnagel für das kostenlose, werbefinanzierte Internet beklagt. So laut wie Facebook schreit, scheint es etwas zu bringen.
Ich fand Facebooks Datensammelei von allen Vergehen des Unternehmens nie das schlimmste. Auf den Handel „Daten statt Geld“ kann sich ein mündiger Internet-Nutzer einlassen. Mich stört nicht mal der Missbrauch meiner alten Nummer besonders – an Spam-Nachrichten und Robocalls gewöhnt man sich in den USA schnell.
Linkedin-Nutzern ist ein paar Tage später das Gleiche passiert. Vielleicht können wir nun auch endlich die Unsinnsformel beerdigen, der Konzern würde „Nutzerdaten verkaufen“. Wenn das Facebooks Geschäftsmodell wäre, passten sie besser darauf auf.
Mein Problem ist ein anderes: Facebook ödet mich einfach an – was natürlich auch an mir liegt: Wenn man den Algorithmus nicht mehr mit seinen Interessen und Kontakten füttert, wirkt er wie ein greiser Vater, der seinem erwachsenen Sohn Kinderbücher schenkt: „Die hast du doch immer so gerne gelesen.“
Facebook versucht, wieder mein Interesse zu wecken: „Wir verfolgen, was Nutzer ohnehin auf der Plattform tun und versuchen, das einfacher zu machen – so entwickeln wir Produkte“, sagte mir neulich Fidji Simo, die für die Facebook-Plattform verantwortliche Topmanagerin.
Und weil Facebook 2,7 Milliarden Nutzer hat, will es alles für alle sein: Die Plattform hat in den letzten Jahren unzählige neue Funktionen eingeführt und erfolgreiche Formate anderer Plattformen kopiert: Stories à la Snapchat, Shops à la Amazon, Gaming à la Twitch, einen Marktplatz à la Craigslist und ab Sommer Live-Diskussionen à la Clubhouse. Die Seite sieht aus wie Yahoo – das beliebte Internetportal aus der Zeit, als Internetportale noch beliebt waren.
Meine neue Nummer habe ich Facebook nicht gegeben. Eine SMS, irgendetwas zu „bestatigen“, habe ich auf sie noch nicht bekommen.
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Mit 75 sind die meisten Menschen im wohlverdienten Ruhestand und können über ihr vergangenes Leben sinnieren – das Handelsblatt blickt dagegen zum runden Geburtstag in die Zukunft: Ab dem 3. Mai feiern wir unsere Handelsblatt Innovation Week mit einem umfangreichen Programm in Print, Online und mit Live-Veranstaltungen.
Von Montag bis Donnerstag berichten wir in großen Schwerpunkten über die Zukunft der wichtigsten Branchen, angefangen mit Mobilität, und krönen die Woche am Freitag mit einer monothematischen Innovationsausgabe.
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- Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Die Zahl der digitalen Nomaden steigt in Europa und den USA. Corona hat gezeigt, dass viele Menschen von überall arbeiten können. Aber hat der Trend Bestand?
- Apple investiert in den USA über die nächsten fünf Jahre 430 Milliarden US-Dollar in den Bereichen 5G, Halbleiter und KI. Und will dabei 20.000 neue Jobs schaffen.
- Tesla steigert seinen Gewinn. Elon Musks E-Autobauer hat zu Jahresbeginn 438 Millionen Dollar Gewinn gemacht. 101 Millionen davon kommen aus dem Verkauf der Kryptowährung Bitcoin.
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Waikiki Beach in Honolulu.
Es gibt keine Mietwagen auf Hawaii: Hawaii ist ein Traum-Urlaubsziel – gerade hier aus San Francisco, wo der Flug nach Honolulu nur gut fünf Stunden dauert. Aktuell haben Hawaii-Urlauber aber mit einem ungewöhnlichen Problem zu kämpfen. Um an einen Mietwagen zu kommen, müssen viele für Hunderte Dollar am Tag Umzugswagen oder Kleinlaster mieten.
Dahinter steckt eine Lektion über Zweit- und Drittrundeneffekte der Corona-Pandemie: Als die Seuche ausbrach und die Welt sich zuhause einschloss, litten Mietwagen-Firmen als erste. Branchenprimus Hertz ging sogar insolvent, viele Marken verkauften Teile ihrer Flotte, um solvent zu bleiben.
Nun kommen die Touristen zurück, aber Neuwagen sind wegen des Chipmangels in der Autoindustrie schwer zu bekommen. Stattdessen rennen die Urlauber im Insel-Bundesstaat den Vermietern von Kleintransportern und selbst kleinen Lastern die Bude ein. Im März war der günstigste Mietwagen auf Hawaii ein Toyota Camry – für 722 Dollar pro Tag.
Mehr: Das Google-Paradox: Der erfolgreiche Techriese verbrennt mit seiner Cloud Milliarden
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Ist dies die TAZ? Was bewirkt dieser Artikel? Ihre Meinung ist genauso verstaubt wie facebook es angeblich sei. In einer Wirtschaftszeitung erwartet man doch etwas mehr Kenntnisse über die aktuellen Verhältnisse einzelner Unternehmen.