US-Wirtschaft Etappensieg für Biden beim Infrastrukturprojekt – Der Showdown kommt beim Haushalt

Die zweite Kammer des US-Kongresses stimmt auch dem Haushaltsentwurf des Präsidenten zu.
Berlin Für Joe Biden ist es ein politischer Erfolg. Für Amerika könnte es zu einem Problem werden. Der US-Präsident hat am Dienstag nicht nur sein etwa eine Billion Dollar schweres Infrastrukturpaket erfolgreich durch den Senat gebracht. Die zweite Kammer des US-Kongresses stimmte am frühen Mittwochmorgen auch dem Haushaltsentwurf des Präsidenten zu, der Ausgaben von weiteren 3,5 Billionen Dollar vorsieht.
Bidens Erfolg birgt jedoch erhebliche Risiken für die amerikanische Wirtschaft: Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird das Haushaltsdefizit in den USA in diesem Jahr auf mehr als 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Die Staatsverschuldung dürfte sich demnach auf fast 135 Prozent des BIP erhöhen.
Josef Braml, Amerika-Experte an der Universität Bonn, sagt: „In den USA gilt im Moment so etwas wie der ,last‘ an der Bar.“ Im übertragenen Sinn bestelle Bidens Regierung, als gäbe es kein Morgen. „Die enormen Staatsschulden schaffen wirtschaftliche Ungleichgewichte, die zu einem großen Knall führen könnten. Wenn die Notenbank aufhört, Geld zu drucken, dann steigen die Zinsen an und die Schuldenlast wird erdrückend“, warnt Braml. Durch steigende Inflationsraten hat sich der Handlungsdruck auf die Federal Reserve weiter erhöht.
Für Bidens Demokraten ist das Risiko nicht nur der Preis für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Pandemie, sondern auch für eine langfristige Modernisierung von Infrastruktur und Sozialsystem. „Die Demokraten im Senat haben soeben einen gewaltigen Schritt zur Wiederherstellung der Mittelklasse des 21. Jahrhunderts getan“, sagte der demokratische Mehrheitsführer Chuck Schumer unmittelbar nach der Abstimmung. Sein Kontrahent, der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell, kritisierte den Haushaltsentwurf des Präsidenten dagegen als ein Papier „voll von rücksichtslosen Steuererhöhungen und Ausgabensteigerungen“.
Damit sind die Frontlinien im Kongress gezogen. Gelang es Biden beim Infrastrukturpaket noch, 19 Republikaner auf seine Seite zu ziehen, konnte er sich beim Haushalt nur auf die knappe Mehrheit von einer Stimme seiner Demokraten stützen. Der Entwurf geht jetzt ins ebenfalls von den Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus.
Parteilinke drängt auf Klimaschutz und Sozialreformen
Insbesondere der linke Flügel von Bidens Partei drängt darauf, die Ausgaben für Soziales und Gesundheit zu steigern und dafür im Gegenzug die Steuern für reiche US-Bürger und -Unternehmen zu erhöhen. Im Visier hat Biden eine Erhöhung von Körperschaft- und Kapitalertragsteuern. Sein Mehrheitsführer Schumer spricht von einem Programm gegen die Armut und den Klimawandel und für eine bessere Gesundheitsversorgung.
Die finale Abstimmung darüber im Senat wird Biden aber wohl nur gewinnen können, wenn die Demokraten auf den Machthebel der „budget reconciliation“ zurückgreifen. Dieses Verfahren erlaubt es ihnen, den Budgetentwurf notfalls auch ohne die sonst nötige Mehrheit von 60 Stimmen durch den politisch gespaltenen Senat zu boxen. Vizepräsidentin Kamala Harris hätte dann die ausschlaggebende Stimme. Beim knapp zwei Billionen Dollar großen Konjunkturprogramm im März setzte sich der Präsident bereits auf diese Weise durch.
Allerdings muss Biden dafür seine eigenen Reihen zusammenhalten. Das dürfte gar nicht so leicht werden. In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung wies der demokratische Senator Joe Manchin darauf hin, dass er ernsthafte Bedenken gegen den Haushaltsplan habe. Ausgaben in Höhe von 3,5 Billionen Dollar seien angesichts der Tatsache, dass sich die US-Wirtschaft bereits erhole, unverantwortlich.
Bereits beim Ringen um das Konjunkturpaket hatte sich der Senator aus West Virginia gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Für den gewieften Taktiker geht es darum, aus seiner Sicht allzu ehrgeizige Klimaschutzpläne der Parteilinken so abzumildern, dass sein energiereicher Heimatstaat nicht allzu sehr darunter leiden müsste.
Widerstand von moderaten Senatoren aus den eigenen Reihen
Widerstand gegen Bidens Ausgabenpläne kommt auch von der moderaten Senatorin Kyrsten Sinema: „Ich unterstütze zwar den Beginn dieses Prozesses, aber ich unterstütze keinen Gesetzentwurf, der 3,5 Billionen Dollar kostet“, sagte die Politikerin aus Arizona.
Umgekehrt droht der progressive Flügel der Demokraten um die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez damit, das Infrastrukturpaket im Repräsentantenhaus scheitern zu lassen, sollte es für den Haushalt keine Mehrheit geben.
Kommt es zum „Showdown“, wäre es jedenfalls mit der parteiübergreifenden Einigkeit bereits wieder vorbei. Zwar hat Biden es geschafft, gerade fast 40 Prozent der republikanischen Senatoren dazu zu bewegen, für sein Infrastrukturpaket zu stimmen. Während sich die beiden großen politischen Parteien seit Jahren immer feindseliger gegenüberstehen, ist das ein beachtlicher Erfolg.
„Infrastruktur ist sowohl bei Republikanern als auch bei Demokraten beliebt“, begründete der Republikaner McConnell den Kompromiss. Er stellte sich damit auch gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump, der seine Partei zu einer Totalblockade aufgefordert hatte.

Der Demokrat hat ernsthafte Bedenken gegen den Haushaltsplan.
Beobachter vermuten, dass McConnell mit seiner Zustimmung zum Infrastrukturpaket auch verhindern wollte, dass die Demokraten aus Ärger über eine Blockade der Opposition die sogenannte „Filibuster“-Regel abschaffen. Sie macht für die meisten Gesetzesvorhaben 60 Stimmen im Senat erforderlich. Beim Haushalt will sich der Anführer der Republikaner im Senat jedoch wieder querlegen.
Amerika stößt wieder einmal an seine gesetzliche Schuldengrenze
Zu Hilfe kommt der Grand Old Party dabei die Tatsache, dass die USA auch durch die Ausgabenfreude der Biden-Regierung wieder einmal an ihre gesetzliche Schuldengrenze stoßen. Seit dem 1. August gilt das 2019 zunächst ausgesetzte Schuldenlimit von aktuell rund 28,5 Billionen Dollar. Glaubt man den IWF-Prognosen, wird Amerika bereits in diesem Jahr die Grenze überschreiten.
Zwar wird die Obergrenze regelmäßig überschritten und dann nach einem heftigen politischen Schlagabtausch wieder angehoben. 78-mal hat der Kongress die Schuldengrenze seit 1960 bereits erhöht. Dabei spielte es kaum eine Rolle, ob Demokraten oder Republikaner gerade an der Regierung waren.
Sollte sich der Kongress nicht darauf einigen, die Schuldenlatte höher zu hängen, geht der Regierung nach Meinung von Experten spätestens im November das Geld aus. Finanzministerin Janet Yellen hat bereits vorgesorgt und Notfallmaßnahmen getroffen.
Das sei notwendig, „um zu verhindern, dass die Vereinigten Staaten ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können“, warnte die Finanzministerin bereits Ende Juli. Sie erinnerte den Kongress daran, dass 2011 allein die drohende Zahlungsunfähigkeit die Bonitätsprüfer der Ratingagentur Standard & Poor’s dazu veranlasst habe, die Kreditwürdigkeit der USA herunterzustufen.
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