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US-Wirtschaft Verstopfte Häfen, hohe Preise – die Lieferengpässe werden zu Bidens großem Problem

Die weltweite Lieferkettenkrise wird in den USA deutlich spürbar. Unternehmen leiden unter Warenmangel, Verbraucher unter höheren Preisen – und Joe Biden kämpft um seinen Ruf. 
14.10.2021 - 10:16 Uhr Kommentieren
Die Schiffe stehen im Stau, die Container stapeln sich. In den großen US-Häfen zeigt sich so die Lieferkrise. Quelle: Reuters
Containerschiffe im Hafen von Los Angeles

Die Schiffe stehen im Stau, die Container stapeln sich. In den großen US-Häfen zeigt sich so die Lieferkrise.

(Foto: Reuters)

Washington Im Süden Kaliforniens bietet sich seit Wochen das gleiche Bild: Dutzende Frachter stauen sich in den beiden größten Häfen der US-Westküste. Container stapeln sich über Container, nichts kommt voran. Durchschnittlich elf Tage muss ein Frachtschiff derzeit im Hafen von Los Angeles warten. Vorher gibt es meist keine Chance, dass die Waren ausgeladen und weitertransportiert werden.

In der Nacht zu Donnerstag nun griff US-Präsident Joe Biden zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um das zu lösen. „Traditionell sind unsere Häfen nur unter der Woche, von Montag bis Freitag, geöffnet und in der Regel nachts und an den Wochenenden geschlossen“, sagte Biden. Nach Verhandlungen seiner Regierung mit Gewerkschaften, Betreibern und Spediteuren ändert sich dies nun. „Durch die Öffnung an sieben Tagen in der Woche, in der Nacht und an den Wochenenden wird der Hafen von Los Angeles mehr als 60 zusätzliche Stunden pro Woche geöffnet sein.“

Die Massenblockade und das Einschreiten des Präsidenten sind Symptome der weltweiten Lieferkettenkrise, die immer deutlicher auch in den USA spürbar wird. Für den größten Wachstumsmotor der Welt wird die angespannte Situation zum ernsthaften Problem: Erst in dieser Woche senkte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für die USA um einen Prozentpunkt – so viel wie bei keinem anderen G7-Land.

Zwar soll die Wirtschaft in diesem Jahr noch immer um stattliche sechs Prozentpunkte wachsen, doch der IWF zählt „Unterbrechungen der Lieferketten und ein schwächeres Konsumklima“ zu den größten Risikofaktoren. 

„Die Güter bewegen sich nicht von selbst“, mahnte US-Präsident Joe Biden. Neben der Rund-um-die-Uhr-Öffnung des Hafens in LA forderte er auch mehr Einsatz privater Unternehmen. „Wir müssen sie schneller und verlässlicher ans Ziel bringen.“ Eine Handvoll großer Kaufhäuser, darunter Target und Home Depot, erklärten sich bereit, Arbeitsstunden und Personal auszuweiten.

„Doch das kann nur ein erster Schritt sein“, drängte Biden und startete einen Appell zur Eigeninitiative. „Möglichst viele aus der Privatwirtschaft müssen diesem Beispiel folgen.“

Spätfolgen der Pandemie im Alltag spürbar

Die Lieferkettenkrise überschattet sein erstes Jahr im Amt. Die Erfolgsbotschaft des Aufschwungs hat sich schnell abgenutzt: Seit dem Sommer sind Bidens Beliebtheitswerte von knapp 53 auf 45 Prozent gesunken. Gründe dafür gibt es viele, vom chaotischen Afghanistan-Abzug bis zur Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus. Doch die Spätfolgen der Pandemie beeinflussen konkret den Alltag von Millionen US-Amerikanern: in Form von langen Lieferzeiten, Inflation und leeren Regalen.

Biden steckt in einem Dilemma. Denn er kann nur zum Teil mit eigenen Initiativen gegensteuern. Die Lieferkettenkrise ist schließlich ein globales Phänomen.

Der US-Präsident hat zuletzt deutlich an Beliebtheit verloren. Zu groß sind die Probleme im Land. Quelle: AP
Joe Biden

Der US-Präsident hat zuletzt deutlich an Beliebtheit verloren. Zu groß sind die Probleme im Land.

(Foto: AP)

Der US-Präsident kämpft mit einer komplexen Gemengelage, bei der drei Punkte entscheidend sind:

  • Ein Segen wird zum Fluch: Das Weiße Haus räumte in dieser Woche ein, dass die 1,9 Billionen Dollar schweren Covid-Nothilfen inklusive Barschecks nicht nur hilfreich waren. Zwar war es unter anderem dieser Mega-Stimulus, der die US-Wirtschaft im Rekordtempo aufpäppelte. Doch das Angebot, weltweit gedrosselt durch Delta und Produktionsstopps, kann mit der Nachfrage der US-Konsumenten nicht mithalten. Amerikanische Verbraucher wollen kaufen, kaufen, kaufen: Heimtrainer, Laptops, Spielzeug, Gartenmöbel. Das Weiße Haus diagnostiziert eine „enorme Nachfrage nach Waren aller Art“, die Einfuhren seien um 18 Prozent gestiegen. Doch längst sind Engpässe kein vorübergehendes Phänomen mehr, sondern Dauerzustand, wie das Beispiel der Chipkrise zeigt. Erst in dieser Woche meldete der Finanzdatendienst Bloomberg, Apple werde seine Produktionsziele für das neue iPhone 13 kürzen müssen.  

  • Die Logistik ist ein Desaster: Die Früchte der wirtschaftlichen Erholung prallen auf die Realität der Infrastruktur. Unternehmen kämpfen mit langen Wartezeiten und explodierenden Preisen. Laut des Börsensenders CNBC kostet die Fahrt eines Containers von China nach Kalifornien 20.000 US-Dollar. Vor einem Jahr waren es noch 3000 Dollar. Als erste Notmaßnahme sorgte Biden jetzt dafür, dass der Hafen von Los Angeles in den Rund-um-die-Uhr-Betrieb geht. Gemeinsam mit Long Beach wickelt der Hafen 40 Prozent aller Containerimporte der USA ab. Parallel verpflichteten sich die größten Güterspediteure Walmart, Fedex und UPS dazu, rund um die Uhr zu arbeiten. Allerdings dürfte ein Hauptproblem nur langsam zu lösen sein: Es gibt nicht genug Personal für Häfen, Bahnhöfe oder Lagerhallen. Der Arbeitskräftemangel macht sich akut in der Lkw-Branche bemerkbar. Es fehlen Zehntausende Fahrer.

  • Leere Regale und hohe Preise: Die konsumverwöhnten Amerikaner machen eine neue Erfahrung: Auf Kleidung, Spielzeug und Elektronik warten sie zum Teil Wochen, selbst Alltagsprodukte wie Windeln sind Mangelware. Beim Großhändler Costco sind Toilettenpapier, Wasserflaschen und Reinigungsmittel neuerdings wieder rationiert – so wie in den frühen Tagen der Pandemie. Große Einzelhändler wie Home Depot und Target chartern mittlerweile eigene Schiffe, um Waren rechtzeitig für die Weihnachtszeit liefern zu können. Parallel ist die Inflation auf dem höchsten Stand seit einem Jahrzehnt. Besonders für Lebensmittel und Energie zahlen die Verbraucher drauf. Binnen eines Jahres stiegen die Preise um 5,4 Prozent, zeigen neue Zahlen der US-Regierung. 

Analysten gehen davon aus, dass viele dieser Probleme bis Ende nächsten Jahres andauern könnten oder sogar bis 2023. Die Lieferkettenkrise werde „schlimmer, bevor sie besser werde“, warnte Moody’s Analytics in dieser Woche. „Unterbrechungen der Lieferketten zeigen sich an jeder Ecke, das behindert die weltweite wirtschaftliche Erholung“, so die Experten. 

Handelskrieg mit China ist zusätzliche Gefahr

Je länger die Krise anhält, desto mehr gerät Biden unter Druck. Innenpolitische Erfolge sind rar geworden: Der Präsident kämpft seit Monaten um ein Infrastrukturpaket. Doch seine eigene Partei blockiert die Reform im Kongress. Zudem war es seine Regierung, allen voran US-Finanzministerin Janet Yellen, die nach dem Stimulus im Frühjahr Inflationssorgen dämpfte. Höhere Preise seien nur ein vorübergehendes Phänomen, betonte Biden damals.

Inzwischen geht selbst der IWF davon aus, dass sich die Probleme nicht so schnell auflösen. Denn die Ursache der Engpässe, die Pandemie, ist noch lange nicht bekämpft: Die hartnäckige Delta-Variante wirft frühere Prognosen über den Haufen, und noch immer sind Impfstoffe ungleich verteilt zwischen Industrienationen und ärmeren Ländern.

Auch aus der Wirtschaft erfährt Biden Gegenwind. Er verfolgt einen harten protektionistischen Kurs – zum Unmut vieler Branchen. So gab die US-Regierung vergangene Woche bekannt, die Strafzölle gegen China bis auf Weiteres aufrechterhalten zu wollen. Die größten Verbände aus dem produzierenden Gewerbe reagierten mit mehreren Brandbriefen. Die Lieferkettenkrise werde durch die Strafzölle „verstärkt“, heißt es in einem Schreiben, der Handelskrieg „schädigt die Wettbewerbsfähigkeit der US-Hersteller und bremst die Erholung der US-Wirtschaft“. 

Mehr: IWF-Chefökonomin Gita Gopinath im Interview – „Deutschland steht vor großen Herausforderungen“

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