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USA Das Ende von Donald Trumps Politzirkus hat nicht nur positive Folgen

Mit Joe Biden ist Ruhe ins Weiße Haus zurückgekehrt. In den USA ist Sachpolitik wieder das Maß der Dinge. Für Medien ist das ein Problem.
07.04.2021 - 18:13 Uhr Kommentieren
Donald Trump hat den großen US-Medien riesigen Zulauf beschert. Quelle: dpa
Ex-Präsident

Donald Trump hat den großen US-Medien riesigen Zulauf beschert.

(Foto: dpa)

Washington Bislang gibt es nur ein Skandälchen in der Biden-Präsidentschaft, und es hört auf den Namen Major. Der Schäferhund, den das Ehepaar Biden aus einem Tierheim zu sich holte, gerät alle paar Wochen in die Schlagzeilen. Mal gibt es einen „Biss-Unfall“, mal eine Keilerei, zuletzt soll Major ein Häufchen in der Lobby des Weißen Hauses hinterlassen haben.

Die Missgeschicke des „First Dog“ sind tatsächlich die einzige Konstante von Pannen in der noch jungen Amtszeit von Joe Biden. Gefühlt ist es ewig her, dass Millionen Telefone mit einer Eilmeldung nach der anderen vibrierten, weil Vorgänger Donald Trump per Tweet mit Krieg drohte oder spontan einen Minister feuerte.

Mit Biden ist Ruhe ins Weiße Haus zurückgekehrt, weil er den Fokus zurück auf Sachpolitik gelenkt hat und bislang kaum Anlass für Kontroversen bietet. „Die Biden-Präsidentschaft hat uns wieder normalisiert“, sagt die Politologin Elaine Kamarck von der Washingtoner Denkfabrik Brookings. Im Machtzentrum Washington herrscht ein neuer Ton, Regierungsmitarbeiter und Angestellte von internationalen Organisationen atmen auf: „Der Alltag ist deutlich berechenbarer geworden“, sagt ein Lobbyist.

Doch speziell für die Medienwirtschaft – und womöglich für die demokratische Bürgerbeteiligung – hat das Ende des Politikzirkus auch negative Folgen. „Es gibt das breite Bedürfnis nach Entspannung und Gelassenheit“, sagt der Harvard-Professor und Politologe Stephen Ansolabehere. „Man darf nicht vergessen, dass die vergangenen Jahre ziemlich anstrengend waren“. Die Bürger seien müde vom chronischen Ausnahmezustand der Trump-Präsidentschaft und der Pandemie.

Ein offensichtliches Symptom dafür sind die sinkenden Zuschauerquoten und Leseraten der Massenmedien, analog wie digital. So sind die Quoten aller großen TV-Sender seit dem Regierungswechsel eingebrochen. „Trump-Delle“ wird dieses Phänomen von Experten genannt.

Auch andere Medien verlieren Publikum

Der Sender CNN, der Trumps Präsidentschaft überaus kritisch begleitete, verlor zuletzt fast die Hälfte seines Publikums in der Hauptsendezeit. Früher wurden dort stundenlang die Eskapaden der Trump-Administration diskutiert. Aktuell überträgt der Sender den Prozess um den Afroamerikaner George Floyd, der im Würgegriff eines Polizisten starb.

Das Thema ist brisant und emotional, interessiert aber weniger Zuschauer als ein Trump-Spezial. Zuweilen scheint CNN Probleme zu haben, seine Sendeminuten zu füllen: Am vergangenen Samstagabend sah man einen Reporter beim Besuch in einem Kampfsportstudio, gefolgt von Youtube-Aufnahmen einer Bärenfamilie.

Auch der linke TV-Sender MSNBC (minus 26 Prozent) und das rechtskonservative Fox News (minus sechs Prozent) haben laut Medieninstitut Nielsen Zuschauer verloren, allerdings weniger als CNN. Dem Forschungsunternehmen Comscore zufolge gingen die Onlinebesuche bei der „New York Times“ um 30 Prozent und bei der „Washington Post“ um 27 Prozent zurück, mit Ausnahme der Berichterstattung rund um den Sturm radikaler Trump-Anhänger aufs Kapitol am 6. Januar.

Über Jahre hatte Trump den großen US-Medien riesigen Zulauf beschert. Die „New York Times“ etwa verzeichnete zu Beginn seiner Amtszeit drei Millionen Abonnenten, am Ende waren es 7,5 Millionen.

„Je mehr wir ihn anschauen, desto mehr entsetzt er uns. Je mehr er uns entsetzt, desto mehr schauen wir ihn an“, beschrieb Farhad Manjoo, beliebter Kolumnist der Zeitung, einst die Sucht von Medien und Publikum nach Trump, die an Voyeurismus grenzte. Biden hingegen sei „eher langweilig und pragmatisch“, sagt Harvard-Professor Ansolabehere.

Die neue Entschleunigung

Dieser Kontrast ist vom Weißen Haus durchaus gewollt. Die Abgrenzung zu Trump wird manchmal offensichtlich, manchmal subtil gepflegt. In einer Fragerunde vor Bürgern bezeichnete Biden seinen Vorgänger als „den anderen Typen“ – einen „Typen“, mit dem er nichts gemein haben wolle. „Ich wurde gewählt, um Probleme zu lösen“, betont der Präsident bei jeder Gelegenheit.

In den ersten Tagen seiner Amtszeit unterschrieb er eine Reihe von Dekreten, die zentrale Beschlüsse der Trump-Regierung rückgängig machten. Biden ließ sich dabei mit Maske fotografieren, und er benutzte einen Kugelschreiber mit Gravur, keinen Filzstift wie Trump.

„Ich wurde gewählt, um Probleme zu lösen“, betont der Präsident bei jeder Gelegenheit. Quelle: AP
Joe Biden

„Ich wurde gewählt, um Probleme zu lösen“, betont der Präsident bei jeder Gelegenheit.

(Foto: AP)

Ganz bewusst legt die US-Regierung den Fokus auf Sachpolitik, größere Reden oder Inszenierungen von Biden gibt es selten. So wurde das 1,9 Billionen Dollar teure Konjunkturpaket im März fast ohne Drama verabschiedet, weil die Demokraten für ihr erstes Großprojekt Zusammenhalt beweisen mussten.

Die US-Regierung widmet sich mehreren Krisen parallel: Vizepräsidentin Kamala Harris soll in der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko vermitteln, kommende Woche lädt das Weiße Haus 40 Nationen zu einem virtuellen Klimagipfel ein.

Die neue Realität in Washington ist entschleunigt, sie kann aber ganz schön kompliziert sein: 25 Seiten lang war die Mitteilung des Weißen Hauses zu Bidens Mega-Infrastrukturplan, der die USA in eine grüne Energiewende führen soll. Die Thinktanks der Hauptstadt bieten neuerdings Veranstaltungen zum kniffligen Abstimmungsprozedere im Kongress an. Denn die Mehrheitsverhältnisse sind insbesondere im Senat knapp. Ob Biden seine Billionenpakete durchbringen kann, hängt an diversen Regeln im Kleingedruckten – und die müssen mehr denn je erklärt werden. 

Wahlbeteiligung könnte wieder sinken

Paragrafen und Gesetze erzeugen jedoch nicht die gleiche Leidenschaft wie das Streiten über eine Person. Kein US-Präsident polarisierte mehr als Trump. Die Mobilisierung von Gegnern und Anhängern führte zu einer historischen Wahlbeteiligung: Fast 160 Millionen Menschen gaben im November 2020 ihre Stimme ab, das entspricht fast 67 Prozent der Wahlberechtigten.

Auch das Spendenaufkommen explodierte in der Trump-Ära. Laut der Behörde FEC flossen im letzten Präsidentschaftswahlkampf fast 24 Milliarden US-Dollar in die Kampagnen, beinahe das Dreifache der Summe im Wahlkampf 2016.

Dieses Level an Engagement und Beteiligung dürften die USA so schnell nicht wieder erleben, meint Harvard-Professor Ansolabehere. „Ich gehe davon aus, dass sich die Dinge ein wenig beruhigen“, meint er. Er hält es für möglich, dass die Wahlbeteiligung wieder sinken werde.

Allerdings weist er darauf hin, dass das Interesse an Politik in Zyklen komme und gehe. „Ich denke, es gibt noch immer ein großes Potenzial für Enthusiasmus“, betont der Politologe. Gerade jüngere Wählerinnen und Wähler seien „viel aktiver“ als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern. „Das verschwindet nicht über Nacht.“

Eine gewisse Abkühlung der Emotionen, so Ansolabehere, sei von der Biden-Regierung eingepreist. Schließlich trat der Demokrat mit dem Versprechen an, die Polarisierung im Land zu mildern. Der Professor findet, dass Biden sein Ziel ziemlich „geschickt“ verfolge. In der Bevölkerung kommt sein Krisenmanagement der Pandemie gut an. Biden konzentriert sich zudem auf Themen, hinter denen sich viele Menschen versammeln können

Biden stößt früh an Grenzen

„Infrastruktur interessiert den Großkonzern genauso wie eine kleine Baufirma. Und den Vormarsch Chinas finden Anhänger von Demokraten und Republikanern gleichermaßen bedrohlich“, sagt Ansolabehere. Sogar die geplanten Steuererhöhungen spalten die Bürger weniger, als man auf den ersten Blick annehmen würde. „Dass Vermögende und Unternehmen mehr zahlen sollen, wird von einer Mehrheit unterstützt.“

Allerdings nutzt Biden der öffentliche Konsens in der praktischen Politik wenig. So konnte er im Kongress bislang keinen einzigen Republikaner für sich gewinnen, das Konjunkturpaket wurde nur mit den Stimmen der Demokraten beschlossen. Bidens Versprechen der Überparteilichkeit stößt früh an Grenzen – auch deshalb, weil Trumps Einfluss zumindest indirekt noch sehr präsent ist.

In seiner Partei genießt Trump weiterhin große Zustimmung, nach seiner Sperre auf Twitter und Facebook hat der Ex-Präsident eine eigene Social-Media-Plattform angekündigt. Im Kongress setzen die Republikaner auf Vollopposition, und außerhalb Washingtons kopieren potenzielle Präsidentschaftskandidaten wie die Gouverneure Kristi Noem und Ron DeSantis ihr Vorbild Trump in Stil und Rhetorik. Die tägliche Nachrichtenlage dreht sich nicht mehr um Trump. Von der Bildfläche verschwunden ist er aber nicht.

Mehr: Die US-Regierung treibt ihr Ziel einer globalen Mindeststeuer voran

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