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Virusvariante Wie die Welt Indien in der Corona-Pandemie zu Hilfe eilt – und sich gleichzeitig abschottet

Indien ist zum traurigen Epizentrum der Pandemie geworden. Viele Länder versprechen Hilfe – und fürchten sich vor der neuen Virusvariante B.1.617.
26.04.2021 Update: 25.04.2021 - 20:28 Uhr 3 Kommentare
Das Gesundheitssystem in Indien ist völlig überlastet. Es fehlt an Betten, antiviralen Medikamenten und medizinischem Sauerstoff. Quelle: dpa
Angehörige der Todesopfer

Das Gesundheitssystem in Indien ist völlig überlastet. Es fehlt an Betten, antiviralen Medikamenten und medizinischem Sauerstoff.

(Foto: dpa)

Bangkok Beim Privatkrankenhaus Jaipur Golden Hospital im Nordwesten der Hauptstadt Delhi gab es am Ende keine Lösung mehr. Inmitten eines beispiellosen Andrangs an Covid-19-Patienten ging der Klinik, die sich online mit der „besten Intensivstation“ der Stadt rühmt, kurz vor dem Wochenende der medizinische Sauerstoff aus.

Mindestens 25 Patienten starben in der Folge, weil sie nicht mehr beatmet werden konnten. Die Klinikleitung teilte mit, von den Behörden versprochene Sauerstofflieferungen seien nicht rechtzeitig eingetroffen.

Die indische Gesundheitsinfrastruktur kollabiert angesichts einer weltweit beispiellosen Covid-Welle. „Bitte helft uns, Sauerstoff zu bekommen, sonst kommt es hier zu einer Tragödie“, fleht der Chef-Minister für die Hauptstadtregion Delhi, Arvind Kejriwal, die Zentralregierung von Ministerpräsident Narendra Modi an.

Landesweit meldete Indien am Montag morgen mit 352.991 Corona-Neuinfektionen den fünften Tag in Folge einen weltweiten Höchstwert. Zudem stieg die Zahl der Todesfälle in Verbindung mit dem Virus binnen 24 Stunden um von 2812 auf insgesamt 195.123 - so stark wie noch nie in dem südasiatischen Land, wie das Gesundheitsministerium in Neu-Delhi mitteilt. Experten gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus.

Die realistischen Totenzahlen könnten demnach um ein Vielfaches höher liegen, als aus den offiziellen Statistiken hervorgeht. Die Krematorien arbeiten in vielen Teilen des Landes längst an der Kapazitätsgrenze. Krankenhäusern müssen Patienten reihenweise abweisen, weil sie keine freien Betten mehr haben.

Spahn will Reisverkehr einschränken

Die Welt reagierte mit Hilfsangeboten und mit Abschottung. Die Bundesregierung will Indien zum Virusvariantengebiet erklären. Das bedeutet von Montag an ein weitgehendes Einreiseverbot für Menschen, die sich zuvor in Indien aufgehalten haben.

Deutsche und Ausländer mit Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik sind ausgenommen. Dies gilt nur bei Vorlage eines negativen Testergebnisses vor dem Abflug und einer Quarantäne nach der Ankunft. Für indische Staatsbürger bleiben die Grenzen vorerst geschlossen.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der Funke Mediengruppe, dass der Reiseverkehr mit Indien deutlich eingeschränkt werde. „Die neu entdeckte Virusmutation in Indien besorgt uns sehr.“ In Indien gibt derzeit die Variante B.1.617 Grund zur Sorge, die sich offenbar schnell verbreitet und gegen die Geimpfte möglicherweise schlechter geschützt sind. Eindeutige wissenschaftliche Analysen stehen dazu noch aus. Auch andere Länder verhängten einen Einreisestopp aus Indien.

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Zugleich kündigten die USA, die EU und auch Pakistan Hilfe an. US-Außenminister Antony Blinken teilte mit: „Wir werden schnell zusätzliche Unterstützung bereitstellen.“ Die USA würden sofort auch Rohstoffe für Corona-Vakzine, medizinische Ausrüstung und Schutzkleidung bereitstellen, erklärte eine Regierungssprecherin. Darüber hinaus sollen Schnelltests und Beatmungsgeräte geliefert werden. Auch US-Seuchenexperten sollen nach Indien reisen.

Deutschland könnte in der Nothilfe ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen. Das indische Verteidigungsministerium teilte mit, 23 mobile Anlagen zur Produktion von medizinischem Sauerstoff mit einer Kapazität von jeweils 2400 Litern pro Stunde aus Deutschland einfliegen zu lassen.

Es werde erwartet, dass die Anlagen in dieser Woche in Indien eintreffen. Der „Spiegel“ hatte am Wochenende berichtet, dass ein indisches Hilfeersuchen in der Sache bei der Bundeswehr eingegangen sei. „Deutschland steht Seite an Seite in Solidarität mit Indien“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel laut einer am Sonntag verbreiteten Mitteilung. „Wir bereiten so schnell wie möglich eine Unterstützungsmission vor.“

Der Industriegasekonzern Linde ist nach eigenen Angaben bereits im Einsatz, um den Sauerstoffmangel in Indiens Krankenhäusern zu bekämpfen. Gemeinsam mit dem indischen Konzern Tata habe man 24 Kühltanks mit einem Volumen von 20 Tonnen Flüssigsauerstoff nach Indien geflogen, teilte der Dax-Konzern mit. Diese Tanks würden in lokalen Anlagen befüllt und stünden anschließend als temporäre Sauerstoffspeicher in entlegenen Gegenden des Landes bereit.

Empörung in Indien über Merkels Pharma-Äußerung

Gleichzeitig sorgen in Indien kritische Worte Merkels in Richtung der indischen Pharmaindustrie für Empörung. Bei einer Onlinediskussion der Europäischen Volkspartei hatte die CDU-Politikerin vergangene Woche gewarnt, dass es aufgrund der Gesundheitskrise zu Medikamentenengpässen in Europa kommen könnte und dem Land für diesen Fall indirekt mit Konsequenzen gedroht: „Wir haben jetzt im Zusammenhang mit Indien eine Situation, wo angesichts der Notlage der Pandemie wir immer Sorge haben, ob die pharmazeutischen Produkte aus Indien noch zu uns kommen“, sagte Merkel mit Blick auf die für Europas Gesundheitswirtschaft unverzichtbar gewordenen indischen Lieferanten.

Man habe Indien von europäischer Seite „überhaupt nur zu einem so großen Pharmaproduzenten werden lassen in der Erwartung, dass Zusagen dann auch eingehalten werden“, sagte Merkel. Sie fügte hinzu: „Sollte das jetzt vielleicht nicht der Fall sein, werden wir umdenken müssen. Das wird dann aber auch durchaus nicht nur zum Vorteil von unseren Handelspartnern sein.“ In der EU werden jährlich Arzneimittel aus Indien im Wert von rund 30 Milliarden Euro verkauft.

Indien verzeichnete mit 332.730 neuen Corona-Infektionen innerhalb eines Tages den zweiten Tag in Folge einen weltweiten Höchstwert. Quelle: dpa
Krematorium

Indien verzeichnete mit 332.730 neuen Corona-Infektionen innerhalb eines Tages den zweiten Tag in Folge einen weltweiten Höchstwert.

(Foto: dpa)

In Indien wurden Merkels Bemerkungen als Drohung wahrgenommen – und stießen angesichts der prekären Lage auf Empörung. „Diese Äußerungen haben in Indien eine desaströse Wirkung, während das Land gerade die schlimmste Phase der Pandemie erlebt“, kommentierte Dhruva Jaishankar, Außenpolitikexperte der indischen Denkfabrik Observer Research Foundation, nachdem lokale Medien Merkels Äußerungen am Freitag zum Thema gemacht hatten.

Auch Thorsten Benner, Chef des Berliner Global Public Policy Institute, sprach von einer „selten unsensiblen Äußerung“ der Kanzlerin. Die deutsche Botschaft in Neu-Delhi versuchte, den Sturm der Entrüstung in sozialen Medien mit einer Solidaritätsbotschaft auf Twitter einzufangen.

Für die westlichen Staaten ist der Gesundheitsnotstand in Indien auch eine außenpolitische Bewährungsprobe. Sowohl die Amerikaner als auch die Europäer bemühen sich darum, mit Indien einen Gegenpol zu China in Asien aufzubauen. Die Bundesregierung hat diesen Fokus in ihren neuen „Indo-Pazifik-Leitlinien“ festgeschrieben.

Kritik an US-Exportschranken für Impfmaterialien

Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft hat eine Stärkung der Partnerschaft mit Indien als eines ihrer Hauptziele definiert. Der Umgang mit der aktuellen Krise wird Indien einen deutlichen Hinweis geben, wie ernst es der Westen mit den Avancen meint.

Als alles andere als partnerschaftlich erscheinen vielen Indern etwa derzeit Exportbeschränkungen der USA für Rohmaterialien, die bei der Impfstoffherstellung benötigt werden. Der indische Impfstoffproduzent Serum Institute of India warnte, dass seine Vorräte in wenigen Wochen zur Neige gingen, sollten die USA die Exportverbote nicht aufheben.

Aus Sicht von Kritikern der Exportbeschränkungen unterstreicht die Lage in Indien die Probleme, die mit einer rein national ausgerichteten Impfpolitik einhergehen: Sie riskiert das Entstehen von Virusvarianten in unterversorgten Ländern.

Indiens Premierminister Modi, der wegen der Viruskrise eine für Mai geplante Europareise absagen musste, steht in seiner Heimat zunehmend in der Kritik. Die Opposition wirft ihm vor, zu spät auf den starken Anstieg der Infektionszahlen reagiert und das Gesundheitssystem nicht ausreichend vorbereitet zu haben.

In einer Radioansprache ließ Modi am Wochenende durchblicken, dass ihn die Heftigkeit der Krise unvorbereitet traf. „Wir waren so selbstsicher und zuversichtlich, nachdem wir die erste Welle überstanden hatten“, sagte er. „Aber der Sturm schüttelt jetzt das ganze Land durch.“

Mehr: Weltgrößte Corona-Welle bremst Indiens Aufschwung aus

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3 Kommentare zu "Virusvariante: Wie die Welt Indien in der Corona-Pandemie zu Hilfe eilt – und sich gleichzeitig abschottet"

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  • Natuerlich muessen wir uns abschotten - das tun wir ja auch sehr stark im Inland.
    Wir helfen Indien, Brasilien u. a. ueberhaupt nicht, wenn wir die reinlassen.

  • Modi hat es vermutlich mittels Yoga geschafft, sein eigenes Gemüt zu beruhigen und dabei ein wenig die Realität aus den Augen verloren.

  • Wir müssen langsam umdenken und von dem Dogma " Wir sind erst sicher wenn alle sicher sind " zumindest im Moment wegkommen. Richtig ist dagegen " Starke stärken damit diese dann den Schwachen besser helfen können "! Wenn wir das nicht tun werden in diesem Teufelskreis auch die Starken tendenziell immer schwächer. Und dann haben alle verloren. Auch wenn es nicht auf den ersten Blick nach Solidarität aussieht, ist es aber am Ende doch.

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