Währungsturbulenzen So bekommt Griechenland die Krise der türkischen Lira zu spüren

Analysten und Anleger fürchten, dass die Akropolis-Börse in den Sog der Türkei-Krise gerät. Seit Anfang Mai hat der Athener Leitindex Athex bereits fast 18 Prozent eingebüßt.
Athen Als sich die National Bank of Greece (NGB) im Juni 2016 von ihrer türkischen Tochter Finansbank trennte, hielten das viele für eine falsche Entscheidung. Während Griechenland tief in der Krise steckte, sprudelten bei der Bosporus-Bank die Gewinne. Dennoch drängten Griechenlands Geldgeber auf den Verkauf der Finansbank. Mit dem Erlös von 2,7 Milliarden Euro zahlte die NBG Staatshilfen zurück. Heute sind viele in der NBG-Hauptverwaltung am Athener Kotzia-Platz froh, nichts mehr mit der Finansbank zu tun zu haben.
Ein türkisches Geldinstitut ist das letzte, was man im Moment haben möchte. Wegen des Lira-Verfalls können immer mehr Unternehmen ihre Fremdwährungskredite nicht mehr bedienen. So könnte aus der Währungs- schnell eine Bankenkrise werden.
Diese Sorge spiegelt sich in den Aktienkursen der Bosporus-Banken, die sich in den vergangenen sechs Monaten halbiert haben. Auch wenn die griechischen Banken seit dem erzwungenen Rückzug der NBG keine Beteiligungen mehr an türkischen Geldhäusern halten, gingen in den vergangenen Wochen auch ihre Aktien auf Talfahrt.
Griechenland gilt als Schwellenmarkt. Analysten und Anleger fürchten deshalb, dass die Akropolis-Börse in den Sog der Türkei-Krise gerät. Seit Anfang Mai hat der Athener Leitindex Athex bereits fast 18 Prozent eingebüßt.
Politisch brisant: Die türkischen Turbulenzen färben auch auf die griechischen Schuldpapiere ab. Die Hellas-Bonds stehen wegen der Wirren in Italien seit Monaten unter Druck, jetzt kommt die Lira-Krise als Belastungsfaktor hinzu. Die Rendite der zehnjährigen griechischen Anleihe, die im Januar mit 3,64 Prozent den niedrigsten Stand seit zwölf Jahren erreichte, liegt aktuell bei über 4,3 Prozent.
Exporteure stehen unter Druck
Der Anstieg kommt zur Unzeit, denn eigentlich soll sich Griechenland nach dem Ende des Hilfsprogramms, das am Montag auslief, wieder selbst am Markt refinanzieren. Zu solchen Renditen wäre das aber ruinös.
Athen braucht zwar unmittelbar kein frisches Geld. Dank eines Liquiditätspuffers von 24 Milliarden Euro ist das Land auf rund 22 Monate durchfinanziert. Dennoch möchte die staatliche Schuldenagentur PDMA in den nächsten Monaten den Appetit der Anleger mit einer neuen Emission testen. Im Gespräch ist eine zehnjährige Anleihe. Die hohen Risikozuschläge zeigen allerdings, wie empfindlich Griechenland immer noch für externe Schocks ist.
Die Türkei-Krise macht nicht nur die Anleger nervös, sondern auch die griechischen Exporteure. Die Türkei ist nach Italien, Deutschland und Zypern ihr wichtigster Absatzmarkt. Das Handelsvolumen der beiden Nachbarn belief sich 2017 auf knapp 2,8 Milliarden Euro, wovon 1,95 Milliarden auf griechische Exporte entfielen.
Neben Treibstoffen liefern die Griechen vor allem Baumwolle, Kunststoffe, elektrische Ausrüstung sowie Aluminium- und Kupferrohre in die Türkei. Weil die Lira-Abwertung Einfuhren jetzt stark verteuert, könnten die türkischen Abnehmer künftig verstärkt auf einheimische Produkte ausweichen.
Besorgt verfolgt man die Entwicklung auch in jenen griechischen Unternehmen, die mit Niederlassungen in der Türkei vertreten sind oder dort Beteiligungen halten. Dazu gehören der Zementkonzern Titan, der Einzelhändler Fourlis, der Lebensmittelhersteller Chipita, der Aluminiumbauer Alumil, der Baustofflieferant Isomat, der Tabakkonzern Karelia, der Aufzughersteller Kleemann, das Elektronikunternehmen Intrakom und der Lotteriebetreiber Intralot. Rutscht die Türkei in eine Rezession, bekämen das auch diese griechischen Investoren zu spüren.
Die Einzelhandelsgruppe Fourlis, die in Griechenland, Bulgarien und Rumänien unter anderem Ikea-Möbelhäuser und Sportgeschäfte betreibt, ist in der Türkei mit 24 Intersport-Läden und zwei Geschäften der Marke „The Athlete’s Foot“ präsent.
Bisher habe die Entwicklung im Land keine Auswirkungen auf die Geschäftszahlen, berichtete die Gruppe kürzlich in einer Börsenmitteilung. Das Unternehmen glaubt weiter an die Türkei: „Mittelfristig bietet die Türkei viele Chancen für Intersport, wegen ihrer Größe, ihrer Demografie und der Wettbewerbssituation.“
Kommt es zu einer handfesten Krise, könnte davon die türkische Bauwirtschaft besonders betroffen sein. Sie war dank staatlicher Infrastrukturprojekte und der Politik des billigen Geldes, die Staatschef Recep Tayyip Erdogan fuhr, in den vergangenen Jahren ein Motor des Wachstums.
Immobilien-Branche könnte von der Krise profitieren
Unter einem Ende des Bau-Booms würde auch Titan als Zementhersteller leiden. Allerdings sind die Griechen mit Aktivitäten in 13 Ländern breit aufgestellt. Auf die Region „Östliches Mittelmeer“, zu der neben der Türkei auch Ägypten gehört, entfielen vergangenes Jahr rund 16 Prozent des Konzernumsatzes von 1,5 Milliarden Euro.
Viele kleinere griechische Unternehmen sind aber in höherem Maße vom Türkei-Geschäft abhängig – und hoffen deshalb, dass die Währungsturbulenzen nicht zu einem Crash führen.
Auch die griechischen Tourismusunternehmer sind weit davon entfernt, die Entwicklung in der Türkei mit Häme zu sehen. Die beiden Nachbarländer sind im Wettstreit um ausländische Urlauber direkte Konkurrenten. Der Lira-Verfall verbilligt Türkei-Reisen. Das zeigt sich bereits bei den Last-Minute-Buchungen. Sie steigen in der Türkei, stagnieren dagegen in Griechenland. Die griechischen Hoteliers fürchten, dass sich dieser Trend im nächsten Jahr noch verstärken wird.
Eine griechische Branche könnte allerdings von der Türkei-Krise profitieren: die Immobilienbranche. Seit Staatschef Erdogan seinen Kritikern mit immer neuen „Säuberungen“ nachstellt, haben bereits Tausende Türken in Griechenland Zuflucht gesucht. Manche fliehen mit wenigen Habseligkeiten über die Ägäis oder den Grenzfluss Evros. Andere, die bisher nicht direkt verfolgt werden, kommen mit dem Flieger, um sich in Griechenland nach einem Wohnsitz umzusehen.
Immobilienmakler in Athen berichten von einem ständig wachsenden Andrang türkischer Interessenten. „Unsere Kunden sind vor allem gutsituierte Geschäftsleute und wohlhabende Selbstständige der Altersgruppe 25 bis 45“, verrät ein Athener Immobilienmakler.
Seinen Besuchern geht es nicht nur um Wohnungen. Griechenland belohnt Bürger aus Nicht-EU-Staaten, die mindestens 250.000 Euro in eine Immobilie investieren, mit einer Aufenthaltsgenehmigung, die zu Reisen in alle Schengen-Staaten berechtigt.
7565 solcher „Goldenen Visa“ hat das griechische Migrationsministerium in diesem Jahr bis Ende Juli bereits vergeben. Mit 811 Aufenthaltsgenehmigungen liegen die Türken auf dem dritten Platz hinter Chinesen und Russen. Je unsicherer die wirtschaftliche und politische Lage am Bosporus wird, desto mehr Türken dürften sich für ein „Goldenes Visum“ interessieren.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.