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Wahlen in der Türkei Erdogan stößt Atatürk vom Sockel

Recep Tayyip Erdogan lässt sich zum Staatspräsidenten der Türkei wählen. Für seine Bewunderer wird er damit endgültig zum legitimen Erben des Republikgründers Atatürk. Doch Erdogan hat ganz andere Pläne mit der Türkei.
10.08.2014 - 12:30 Uhr Kommentieren
Premier Recep Tayyip Erdogan (r.) und Mustafa Kemal Atatürk: Als Staatspräsident der Türkei will Erdogan das Erbe des Staatsgründers antreten.

Premier Recep Tayyip Erdogan (r.) und Mustafa Kemal Atatürk: Als Staatspräsident der Türkei will Erdogan das Erbe des Staatsgründers antreten.

Ankara Hoch auf einem Hügel in Ankara liegt Anitkabir. Das gigantische Mausoleum im neoklassizistischen Design wurde für den Gründer der Republik Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, gebaut. Die Sonne brennt. Ein Hochzeitspaar lässt sich gemeinsam mit Familie und Freunden ablichten. Menschen aus aller Welt wandern durch die langen Gänge und besichtigen Ausstellungen mit Gegenständen aus dem Leben Atatürks. An Staatsfeiertagen und zu wichtigen Anlässen findet sich hier die politische Elite zusammen – zu Ehren des Staatsgründers.

„Atatürk“, Vater der Türken, ist überall, in Städten im Norden und im Süden, im Westen und im tiefsten Osten. Kaum ein Ort in der Türkei, der sich nicht mit einem Atatürk-Denkmal oder zumindest Bildern von ihm schmückt, in dem nicht jedes Jahr am 10. November gespenstisch Anzuschauendes geschieht, um exakt 9.05 Uhr. Dann steht die Türkei still, die Menschen, der Verkehr. Es ist der Todestag und -zeitpunkt Atatürks. Der erste Präsident der Türkei starb 1938 in Istanbul.

75 Jahre nach seinem Tod ist Atatürk ein Symbol. Die Türken lieben ihn, den Kommandanten und Befreier. Sie verehren ihn für seine radikalen Reformen mit denen er das Land modernisierte. Allerdings hatte das Folgen – und diese sind bis heute nicht überwunden. Eine autoritäre Sicht auf das Volk, der Glaube, selbst am besten zu wissen, was gut sei für die Bevölkerung, ist seit der Republikgründung ein Teil der politischen Kultur in der Türkei. Und Recep Tayyip Erdogan, der sich am Sonntag zum Staatspräsidenten wählen lassen will, ist in dieser Tradition keine Ausnahme. Der islamisch-konservative Ministerpräsident weist darin viele Ähnlichkeiten mit dem Republikgründer auf.

Wenn Erdogan von Fortschritt und Moderne spricht, dann erinnert seine Attitüde an Atatürk. Allerdings war die positive Einstellung gegenüber Wirtschaft und Technologie, wie sie auch Erdogan pflegt, bei Atatürk mit einer kulturellen Öffnung gegenüber Europa verbunden. Die fehlt Erdogan und seiner Partei gänzlich.

Gegründet wurde die Republik Türkei vor über 90 Jahren am 29. Oktober 1923 in Ankara – auf den Trümmern des Osmanischen Reiches. Atatürk wollte etwas Großes erschaffen, die zivilisierteste und modernste Nation. Es mangelte ihm weder an Anspruch noch an Ehrgeiz.

Es folgte ein radikaler Bruch mit der osmanischen Vergangenheit: Islamische Bruderschaften wurden verboten, Sultane und Kalifen abgesetzt, auf der Scharia basierende Gesetze abgeschafft und westliche installiert. Religion wurde zur Privatsache erklärt, religiöse Symbole aus dem öffentlichen Raum verbannt. Das arabische Alphabet wurde durch die lateinische Schrift ersetzt. Atatürk nahm mit seiner Revolution von oben künftigen Generationen die Möglichkeit, ihre Geschichte zu lesen. Ein ganzes Volk verlor plötzlich seine Identität und Erinnerung, die Gesellschaft war gespalten.

Moderner und zugleich auch konservativer
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