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Wahlen in Tschechien Andrej Babiš: Ein machtbewusster Oligarch steht vor der Wiederwahl

Am Samstag gehen die Wahlen in Tschechien zu Ende. Trotz eines Rekorddefizits und vielen Skandalen könnte der Ministerpräsident und Milliardär Andrej Babiš im Amt bestätigt werden.
  • Nikola Bajánová
09.10.2021 - 09:14 Uhr Kommentieren
Tschechiens Premierminister will am Wochenende wiedergewählt werden. Quelle: Reuters
Andrej Babiš

Tschechiens Premierminister will am Wochenende wiedergewählt werden.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf Der Ministerpräsident von Tschechien ist eine schillernde Figur. Dennoch pflegt Andrej Babiš ein kumpelhaftes Image. Ein volksnahe Führungsfigur, die trotz Milliarden auf dem Konto mit dem Arbeiter in der Kneipe nebenan ein Bier trinken und dabei sogar noch alle Probleme der Bevölkerung verstehen könnte.

An diesem Freitag und Samstag finden sich die Wahlen in Tschechien statt, und seine Partei ANO liegt in allen Umfragen vorne. Die letzten vier Jahre hat die Minderheitsregierung von der Partei von Babiš und den Sozialdemokraten der ČSSD mit der Unterstützung von Kommunisten regiert.

Und der Ministerpräsident will an der Macht bleiben. Sollte er in die Opposition gehen müssen, sei Schluss mit der Politik, kündigte Babiš an. Doch viele Beobachter nehmen dem Ministerpräsidenten diese Ankündigung nicht ab, wie der tschechische Journalist Jindřich Šídlo dem Handelsblatt sagte. „Spätestens in 2023 haben wir die Wahl zum Staatspräsidenten.“ Falls er nicht Regierungschef bleibe, könne Babiš dann versuchen, Miloš Zeman an der Spitze des Staates zu beerben.

Diese Zweifel haben einen guten Grund: Noch 2014 hatte Babiš auch seine Ambitionen auf das Amt des Regierungschefs zurückgewiesen. Sein Tschechisch sei einfach nicht gut genug und ein Ministerpräsident müsse viele Reden halten, sagte Babiš, der aus der Slowakei stammt. Damals war er noch Finanzminister. Drei Jahre später gewann seine Partei ANO die Abgeordnetenwahlen und Babiš brach sein Wort.

Andrej Babiš hat selten eine Chance liegengelassen. In den 80er Jahren wurde er bei der tschechoslowakischen Staatssicherheit als informeller Agent geführt, Deckname Bureš. Die Sicherheitsbehörde ähnelte der Stasi und wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst. Danach nutzte er seine Kontakte zu den Behörden und baute ein ökonomisches Imperium auf, dass ihn zum Milliardär und einem dem reichsten Männer Tschechiens machte.

Parallelen zu Trump sind unverkennbar

Bis jetzt ist der Start seiner Karriere im Kapitalismus nicht genau dokumentiert, sagt Journalist Šídlo. Die Verflechtungen seiner Unternehmen seien zu kompliziert. Laut Forbes kontrolliert der Treuhandfonds Babiš ein Vermögen von 3,5 Milliarden Dollar. Er investiert in Landwirtschaft, Bio-Kraftstoffe und Medien. Wegen seiner Kontakte in die Politik und den Staatsapparat wird Babiš schon seit langer Zeit als Oligarch bezeichnet.

Eines Tages sah Babiš die Chance, selbst Teil des Machtapparats zu werden. 2013 wurde die tschechische Regierung unter Petr Nečas wegen eines Korruptionsskandals aus dem Amt gefegt. Die Bevölkerung war von der politischen Führung tief enttäuscht.
Nicht nur die Skandale an sich hatten sie getroffen, sondern auch die strikten Sparmaßnahmen des Staates nach der globalen Wirtschaftskrise. „Nach 20 Jahren Kapitalismus war das ein harter Einschnitt“, erklärt Šídlo. „Und dann kam da plötzlich jemand, der sich als enorm erfolgreicher Geschäftsmann darstellt und behauptet, er könne den Staat wie seinen Firmen führen.“ Zusätzlich habe er sich auch noch als Kämpfer gegen die grassierende Korruption präsentiert. Die Parallelen zu Trumps US-Wahlkampf 2016 sind deutlich.

Die Partei ANO – das tschechische Wort „Ja“ und gleichzeitig Akronym für „Aktion unzufriedener Bürger“ – wurde kurz vorher im Umfeld von Babiš gegründet. Bei der Wahl 2013 wurden sie mit rund 18 Prozent direkt zweitstärkste Kraft und wurden mit den Sozialdemokraten und Christdemokraten Teil der Regierung.

Anderen Parteien nimmt er die Inhalte

In der Folge hat Babiš vom deutlichen profitiert. „Seine Weltanschauung folgt keine festen Werten und er hat auch keine Vision,“ sagt Šídlo. Babiš sei eher ein Opportunist, der seine Chancen ohne Rücksicht auf das System und sein Umfeld nutzt. So hat er seine Partei auch während diese Regierungsphase nach links gerückt. Damit nahm er den Sozialdemokraten einen Großteil der Wähler weg. Bis 2017 stellen sie noch den Ministerpräsidenten, das Manöver von Babiš ließ sie bei der nächsten Wahl auf sieben Prozent fallen. Und der populistische Milliardär übernahm die Macht.

Zuletzt rückte der Ministerpräsident wieder nach rechts und kokettierte noch in der vergangenen Woche mit seiner Nähe zum ungarische Regierungschef Viktor Orban. Für den Wahlkampf gaben sie sich als gute Freunde und priesen ihren Kampf gegen eine EU-weite Aufnahmequote von Flüchtlingen als großen Erfolg.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban (l.) und Babiš stehen sich nah. Sie kämpfen gemeinsam gegen eine EU-weite Aufnahmequote von Flüchtlingen. Quelle: AP
Enge Verbündete

Ungarns Regierungschef Viktor Orban (l.) und Babiš stehen sich nah. Sie kämpfen gemeinsam gegen eine EU-weite Aufnahmequote von Flüchtlingen.

(Foto: AP)

Dabei ist der tschechische Ministerpräsident selbst Einwanderer, die tschechische Staatsbürgerschaft bekam er erst 2000, geboren wurde Babiš in Bratislava. Doch es fällt ihm nicht schwer, mit der Angst vor zu vielen Flüchtlingen die Stimmung im Land zu beeinflussen. Anders als Orban schafft er es aber, gute Verbindungen zu Westeuropa zu erhalten. Mit einigen geschickten Entscheidungen zeigt er Brüssel seine Kooperationsbereitschaft, anders als manche Nachbarstaaten hat Tschechien den russischen Impfstoff Sputnik V nicht zugelassen.

Bei den Wählern punktet der Ministerpräsident immer noch durch sein angebliches ökonomisches Geschick. Doch das Ergebnis seiner Amtszeit ist erschütternd. Das Staatsdefizit ist auf dem höchsten Stand seit 1993.

Babiš' Name steht in den Pandora Papers

Seine Strategie habe sich trotzdem nicht geändert, sagt Journalist Šídlo. „Er macht damit weiter, was er immer macht – mit Drohungen, Versprechungen und Geschenke.“ 2020 hat die Babiš-Partei ANO den Spitzensteuersatz um sieben Prozent gesenkt und damit ein weiteres Loch in den Haushalt gerissen. In eine TV-Debatte hat er der Bevölkerung Entlastungen versprochen, etwa über einen Verzicht der Mehrwertsteuer auf Energiepreise.

Mit seinen eigenen Finanzen kann Babiš offensichtlich besser umgehen. Nur paar Tage vor den Wahlen tauchte sein Name in den Enthüllungen zu den Pandora-Papers auf. Die Berichte zeigen, dass Babiš seit 2009 mehr als 380 Millionen Kronen (rund 15 Millionen Euro) in Offshore-Firmen gesteckt und mit diesem Geld Immobilien in Frankreich gekauft hat. Tschechische Medien sehen darin den Beweis für Geldwäsche.

Obwohl er sich zu den Transaktionen bekennt, bestreitet der Ministerpräsident, Immobilen in Frankreich zu besitzen. Außerdem sei er zu dem Zeitpunkt ja gar nicht in der Politik aktiv gewesen. Die Berichte hält er für eine manipulative Kampagne.
Für die Wahl scheint es derzeit auch keine Rolle zu spielen. Trotz der Vorwürfe kam die Ano-Partei auf rund 30 Prozent in den letzten Umfragen, Tendenz steigend.

Auch das dem Regierungschef Subventionsbetrug in Höhe von zwei Millionen Euro beim Bau eines Konferenzzentrums vorgeworfen wird, scheint die Bevölkerung nicht zu beeindrucken.

Die Wahl wird knapp

Dennoch ist wird es wohl ein knappes Wahlergebnis geben. Die liberalen und konservativen Parteien haben jeweils ein Büdnis gebildet, um Babiš zu stürzen. Die Sozialdemokraten hingegen könnten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Eine wichtige Rolle wird der Präsident Miloš Zeman spielen. Er ist schwer erkrankt und nach Medienberichten ist sein Zustand kritischer als die offiziellen Angaben vermuten lassen. Der Präsident kann zweimal eine Partei mit der Regierungsbildung beauftragen. Nach Einschätzung von Jindřich Šídlo präferiert er dabei eine einzelne Partei und nicht die mit ANO konkurrierenden Bündnisse.

Selbst wenn diese den Auftrag erhielten, müssen sich die diversen Führungspersonen innerhalb des Bündnisses noch große Differenzen überwinden. Derzeit spielt alles Andrej Babiš in die Hände.

Mehr: Ungarn und Tschechien setzen auf das Prinzip Hoffnung

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