Millionen-Betrug übers Netz Wie afrikanische Betrüger von ihrem Image profitieren

Per Computer und Internet gehen auch auf Afrika Täter auf Beutefang.
Kapstadt Die E-Mails kommen meist in schlechtem Englisch und versprechen viel Geld – sehr viel Geld, das nach einem neuen Besitzer sucht. Oft braucht der neue Brieffreund nur das Bankkonto des Angeschriebenen, um dort angeblich einen Geldbetrag zu deponieren – und verspricht, für diesen Gefallen großzügig zu zahlen, wie es in der Mail heißt. Stattdessen wird der Betrüger wenig später das ihm offerierte Bankkonto plündern oder im voraus Gebühren für seine vermeintliche Einzahlung geltend machen, die dann aber nie erfolgt.
Obwohl Nigeria seit Jahrzehnten als Quelle solch dummdreister Betrügereien weltweit bekannt ist und immer wieder vor der Praxis gewarnt wird, versuchen viele der Ganoven erst gar nicht, ihre Herkunft zu verschleiern. Der Grund dafür dürfte denkbar einfach sein: Gerade die Dreistigkeit, mit der er seinen Betrug einfädelt, garantiert dem Betrüger, dass ihm am Ende auch wirklich nur die Leichtgläubigsten ins Netz gehen. Schon leise Zweifler werden für gewöhnlich wegen der überdeutlich betrügerischen Absichten umgehend abgeschreckt.
So oder sehr ähnlich dürfte es sich auch in dem jüngsten Betrugsfall verhalten haben, bei dem ein 40-jähriger Nigerianer Hunderte von Menschen weltweit mit einem eigentlich sehr einfach erkennbaren Online-Trick um Millionen von Dollar erleichtert hat. Vor kurzem wurde der als „Mike“ bekannte Mann in der nigerianischen Stadt Port Harcourt verhaftet. Vermutlich steckt er hinter Betrügereien, die sich inzwischen auf als 60 Millionen Dollar (umgerechnet 54 Millionen Euro) summieren. In einem Fall hat ein besonders leichtgläubiges Opfer ihm angeblich 15 Millionen Dollar überwiesen.
Wie es aussieht, wurde der Nigerianer auf seinem Beutezug durch ein Netz von mindestens 40 Komplizen unterstützt, die in Nigeria aber auch in Malaysia und Südafrika aktiv sind. Für ihren Betrug nutzte die Gruppe offenbar gehackte E-Mail-Konten kleinerer und mittlerer Unternehmen in den USA, Kanada, Australien, Indien und Rumänien. Helfer in Europa, den USA und China stellten ihrerseits Bankdaten zur Verfügung, damit das erschwindelte Geld später rasch gewaschen werden konnte.
Studien zu Betrügereien mit nigerianischem Hintergrund haben gezeigt, dass die meisten Betrüger oft rational handeln. Ins Gewicht fällt bei ihnen vor allem die Zeit, die sie damit verbringen, diejenigen in ihr Netz zu locken, die bereits ein Anfangsinteresse bekundet haben. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, potenzielle Interessenten von den vielen Zweiflern zu trennen, weil Letztere am Ende nur die Zeit der Betrüger stehlen.
Erstaunlicherweise profitieren die Betrüger dabei ausgerechnet von der schlechten Reputation Nigerias, das seit Jahren zu den korruptesten Ländern der Welt zählt. Gerade weil der Ölstaat weltweit einen so schlechten Ruf hat, glauben viele Betrugsopfer zunächst tatsächlich die ihnen aufgetischten Märchen von korrupten Anwälten, die angeblich Geld einbehalten haben, plötzlichen Todesfällen oder unerwartet aufgetauchten hohen Geldsummen.
Studien des Unternehmens Symantec, einem Sicherheitsdienst für Computer, bestätigen jedenfalls das Bestreben der Betrüger, mit haarstäubenden Lügen Skeptiker möglichst schnell von extrem Leichtgläubigen zu trennen. Dies erklärt nach Angaben der Studie auch, warum Betrüger alles daransetzten, „Idioten statt seriöse Kreditgeber anzulocken“.
Um ihnen die Arbeit zu erschweren, könnte es deshalb von Nutzen sein, sich zunächst als potentieller Interessent auszugeben, um am Ende abzuspringen. Dies erhöht Symantex zufolge die Kosten für Betrüger beträchtlich und untergräbt ihr Geschäftsmodell. Wer also etwas Zeit hat, sich als naiver Interessent zu verstellen und die Betrüger hinzuhalten, könnte auf diese Weise die Welt für andere zumindest ein klein wenig sicherer machen.
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