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Gesundheitstrend in FernostJapanisches Bier macht schöner
Jünger aussehen mit Bier – Dank dem Zusatz von Kollagen. Damit wirbt eine japanische Brauerei und ist nur eine unter vielen. Die Ergebnisse sind fürchterlich, beweisen aber auch eine Stärke Japans. Eine Weltgeschichte.
Tokio Traum und Albtraum liegen manchmal dicht beieinander. Ein besonders eklatantes Beispiel ist alkoholfreies Bier in Japan, wie eine empirische Studie in meinem Supermarkt zeigt. Neben genießbaren Varianten hat sich ein bierähnliches Getränk ins Regal gemogelt, das die Traditionsbrauerei Suntory skrupellos mit Kollagen angereichert hat.
Richtig gelesen: Just jenem Protein, das die Haut verjüngen soll. Gleich 2000 Milligramm des vermeintlichen Wundermittels haben die Lebensmittelingenieure pro Dose beigemischt. Damit wollen sie Suntorys alkohol- und kalorienfreie Submarke „All Free“ als Gesundheitsdrink für Frauen interessant machen.
Der Geschmack ist nachgewiesenermaßen fürchterlich. Auf der Bierbewertungsportal untappd.com kommt diese Evolutionsstufe der Biergeschichte auf nicht einmal zwei von fünf Sternen – ein unterirdisches Ergebnis. Aber auch der Energiedrink Red Bull ist ein Erfolg, weil Leistungsbereitschaft offenbar bei vielen Menschen die Geschmacksknospen der Zunge übertrumpft.
Und das Kollagen-Bier ist nicht der einzige japanische Angriff auf das inzwischen auch schon reichlich durchlöcherte Reinheitsgebot deutscher Brauer. Das einstige Entwicklungsland bei alkoholfreien Bieren hat sich zum globalen Trendsetter der Gesundheitsbiere.
Der Hersteller Asahi hat beispielsweise eine Health Style-Serie auf den Markt gebracht, die mit Ballaststoffen angereichert wurden. 5,6 Gramm unverdauliches Dextrin pro 350-Milliliter-Dose schüttet der Konsument in sich hinein. Dies soll sich günstig auf Blutzucker- und -fettwerte auswirken – höchst amtlich bestätigt.
Schön sichtbar prangt ein Siegel des Verbraucherministeriums auf der Dose, eine sich reckende schlanke Figur, die selbst eine kleine Geschichte wert wäre. Man möge täglich eine Dose der Bierbrause verzehren, empfiehlt Asahi. Auch Coca-Cola und Pepsi haben in Japan kalorienfreie Varianten ihres schwarzen Zuckerwassers auf den Markt gebracht, die sich als Gesundheitsdrinks durchgehen und mit einem 25-prozentigen Preisaufschlag zu den Originalen vertickt werden.
Für mich sind diese Experimente am Kulturgut Bier allerdings kein Anlass zum Schütteln, sondern ein Ausdruck einer ganz besonderen Stärke Japans: der technischen Aufholjagd. Wie früher schon beim Internet hat sich das Land auch bei nichtalkoholischen Bieren vom Nachzügler in einen Pionier verwandelt. Und den Anstoß dazu gab das eigene Versagen.
Als ich vor 17 Jahren nach Japan kam, war das Land ein Paradies für nicht berauschende Brauereiprodukte aus Deutschland. Marken wie Clausthaler, Löwenbräu, Gerstel Bräu, Holsten und Beck's gab es in den Supermärkten, gefolgt von ein paar billigen amerikanischen und australischen Varianten. Denn die Angebote der japanischen Brauer waren nicht zu genießen.
Die größten Bierbrauer weltweit
BGI / Groupe Castel (Frankreich)
Das französische Traditionsunternehmen BGI / Groupe Castel verkauft nicht nur Bier, sondern auch Wein und Soft Drinks. Insbesondere in Afrika sind die Franzosen mit ihren Marken Castel und Flag gut aufgestellt.
Ausstoß (Mio. hl): 29,8
*Quelle: Barth-Haas Group/Statista, alle Zahlen für 2015
Kirin (Japan)
Die Japaner haben durchaus Sinn für ausgefallene Bierkreationen, entwarfen vor wenigen Jahren ein Frozen Beer. Obwohl die Brauerei, die zum Industriekonglomerat Mitsubishi gehört, ihre Vormachtstellung auf dem Heimatmarkt vor zehn Jahren an Asahi abtreten musste, ist sie global führend.
Ausstoß (Mio. hl): 43,1
Beijing Yanjing Beer Company (China)
Yanjing ist der Durchstarter in Asien. In rasantem Tempo hat sich das Kleinunternehmen zu einem mächtigen Konzern im asiatischen Raum entwickelt. Die Gründung der Brauerei liegt nur gut 30 Jahre zurück.
Ausstoß (Mio. hl): 48,3
Molson-Coors (USA/Kanada)
Die Erfinder des Dosenbiers sind auch international längst eine Größe. 2012 übernahm das Unternehmen die tschechische Brauereigruppe StarBev, zu der auch Staropramen gehört. Dadurch gehören die Amerikaner vor allem in Osteuropa zu den führenden Brauern.
Ausstoß (Mio. hl): 58,1
Tsingtao Brewery (China)
Die Chinesen haben ihren Einfluss in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Als einer der Hauptsponsoren der olympischen Spiele von 2008 in Peking hat sich Tsingtao fest etabliert. Bereits seit 1972 vertreibt die Firma ihre Produkte auch in den USA.
Ausstoß (Mio. hl): 70,5
China Resource Brewery (China)
Dieses Unternehmen setzt auf Kompetenz aus Europa: Das Joint Venture aus dem chinesischen Unternehmen CR Enterprise und SAB-Miller aus Großbritannien produziert die Marke „Snowbeer“ für den chinesischen Markt. Und das durchaus erfolgreich. Wächst die Marke weiter wie bisher, dürfte bald im Ranking aufsteigen.
Ausstoß (Mio. hl): 117,4
Carlsberg (Dänemark)
Die Dänen haben sich längst von einer regionalen Marke zum Global Player entwickelt. Zu Carlsberg gehören auch die deutsche Kultmarke Astra sowie Lübzer und Holsten.
Ausstoß (Mio. hl): 120,3
Heineken (Niederlande)
Die Welt trinkt Heineken, möchte man meinen. Die Marke hat sich international längst etabliert. Heineken ist auch an den deutschen Marken Kulmbacher und Paulaner beteiligt.
Ausstoß (Mio. hl): 188,3
SAB Miller (Vereinigtes Königreich)
Die britische Brauerei ist berühmt-berüchtigt für das „Miller“. Die ur-amerikanische Marke gehört seit 2002 zum SAB-Miller-Konzern und hat sich die australische Traditionssorte Foster's einverleibt.
Ausstoß (Mio. hl): 191,3
Anheuser-Busch Inbev NV/ SA (Belgien)
Der amerikanisch-belgisch-brasilianische Brauriese kann seinen Marktenteil sogar weiter steigern. Mittlerweile stammt jedes fünfte Bier, das weltweit verkauft wird, aus dem Konzern. Die bekannteste deutsche Marke im Portfolio ist Beck's.
Ausstoß (Mio. Hektoliter): 409,9
Irgendwann warfen die Japaner den Brauerstolz ab. Ok, sagten sie sich, wenn wir alkoholfreies Bier nicht nachmachen können, erfinden wir es eben neu. Den Anfang machte die japanische Großbrauerei Kirin mit einer geradezu frevelhaften Idee. Die Lebensmittelingenieure verbannten die Hefe und damit das Brauen aus der Herstellung. Stattdessen empfanden die Lebensmittelchemiker mit einem ausgeklügelten Mix an Ballaststoffen, Säureregulatoren, Aminosäuren, Aromen, Vitamin C als Antioxidant und einem Bitterstoff eine Brause mit Biergeschmack nach.
So bestürzend dies auch ist – das Bier aus dem Reagenzglas war ein durchschlagender Erfolg. Der Geschmack war zwar bei weitem nicht so bierähnlich wie das der deutschen Vorbilder, aber er war erträglich. Doch vor allem zeichnete sich das Produkt durch den Verzicht den Gärprozess dadurch aus, im Gegensatz zu den damaligen deutschen Produkten nicht einmal mehr über Restalkohol zu verfügen.
Ein Marketinggag, sicherlich. Auch deutsches alkoholfreies Bier hätte den Führerschein nicht gefährdet. Aber das Argument des 0,0-Prozent-Bieres schlug in Japan guten Geschmack. Andere Brauer folgten – und der Niedergang deutscher alkoholfreier Biere in Japan begann. Danach folgten – typisch für Japan – weitere Innovationen. Asahi brachte 2010 das erste kalorienfreie nichtalkoholische Getränk mit Biergeschmack der Welt auf den Markt. Und nun kommt eben die Gesundheitswelle.
Als Fan alkoholfreier Biere verfolge ich die Entwicklung begeistert durch Testkäufe mit. Und ich muss gestehen, dass Asahis Gesundheitsbier derzeit am häufigsten den Weg in meinen Kühlschrank findet. Aber eines stelle ich immer wieder fest, wenn mir doch mal deutsche Bierahnen auf den Tisch kommen: Die japanischen Alternativen sind nur ein schwacher Placebo für richtiges alkoholfreies Bier.
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