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Weltgeschichten unserer Korrespondenten

Gesundheitstrend in Fernost Japanisches Bier macht schöner

Jünger aussehen mit Bier – Dank dem Zusatz von Kollagen. Damit wirbt eine japanische Brauerei und ist nur eine unter vielen. Die Ergebnisse sind fürchterlich, beweisen aber auch eine Stärke Japans. Eine Weltgeschichte.
11.05.2017 - 19:29 Uhr Kommentieren
Alkoholfreies Bier soll zum Wellness-Getränk in Japan werden. Quelle: Reuters
Gesund und schön mit Bier

Alkoholfreies Bier soll zum Wellness-Getränk in Japan werden.

(Foto: Reuters)

Tokio Traum und Albtraum liegen manchmal dicht beieinander. Ein besonders eklatantes Beispiel ist alkoholfreies Bier in Japan, wie eine empirische Studie in meinem Supermarkt zeigt. Neben genießbaren Varianten hat sich ein bierähnliches Getränk ins Regal gemogelt, das die Traditionsbrauerei Suntory skrupellos mit Kollagen angereichert hat.

Richtig gelesen: Just jenem Protein, das die Haut verjüngen soll. Gleich 2000 Milligramm des vermeintlichen Wundermittels haben die Lebensmittelingenieure pro Dose beigemischt. Damit wollen sie Suntorys alkohol- und kalorienfreie Submarke „All Free“ als Gesundheitsdrink für Frauen interessant machen.

Der Geschmack ist nachgewiesenermaßen fürchterlich. Auf der Bierbewertungsportal untappd.com kommt diese Evolutionsstufe der Biergeschichte auf nicht einmal zwei von fünf Sternen – ein unterirdisches Ergebnis. Aber auch der Energiedrink Red Bull ist ein Erfolg, weil Leistungsbereitschaft offenbar bei vielen Menschen die Geschmacksknospen der Zunge übertrumpft.

Und das Kollagen-Bier ist nicht der einzige japanische Angriff auf das inzwischen auch schon reichlich durchlöcherte Reinheitsgebot deutscher Brauer. Das einstige Entwicklungsland bei alkoholfreien Bieren hat sich zum globalen Trendsetter der Gesundheitsbiere.

Der Hersteller Asahi hat beispielsweise eine Health Style-Serie auf den Markt gebracht, die mit Ballaststoffen angereichert wurden. 5,6 Gramm unverdauliches Dextrin pro 350-Milliliter-Dose schüttet der Konsument in sich hinein. Dies soll sich günstig auf Blutzucker- und -fettwerte auswirken – höchst amtlich bestätigt.

Schön sichtbar prangt ein Siegel des Verbraucherministeriums auf der Dose, eine sich reckende schlanke Figur, die selbst eine kleine Geschichte wert wäre. Man möge täglich eine Dose der Bierbrause verzehren, empfiehlt Asahi. Auch Coca-Cola und Pepsi haben in Japan kalorienfreie Varianten ihres schwarzen Zuckerwassers auf den Markt gebracht, die sich als Gesundheitsdrinks durchgehen und mit einem 25-prozentigen Preisaufschlag zu den Originalen vertickt werden.

Für mich sind diese Experimente am Kulturgut Bier allerdings kein Anlass zum Schütteln, sondern ein Ausdruck einer ganz besonderen Stärke Japans: der technischen Aufholjagd. Wie früher schon beim Internet hat sich das Land auch bei nichtalkoholischen Bieren vom Nachzügler in einen Pionier verwandelt. Und den Anstoß dazu gab das eigene Versagen.

Als ich vor 17 Jahren nach Japan kam, war das Land ein Paradies für nicht berauschende Brauereiprodukte aus Deutschland. Marken wie Clausthaler, Löwenbräu, Gerstel Bräu, Holsten und Beck's gab es in den Supermärkten, gefolgt von ein paar billigen amerikanischen und australischen Varianten. Denn die Angebote der japanischen Brauer waren nicht zu genießen.

Irgendwann warfen die Japaner den Brauerstolz ab. Ok, sagten sie sich, wenn wir alkoholfreies Bier nicht nachmachen können, erfinden wir es eben neu. Den Anfang machte die japanische Großbrauerei Kirin mit einer geradezu frevelhaften Idee. Die Lebensmittelingenieure verbannten die Hefe und damit das Brauen aus der Herstellung. Stattdessen empfanden die Lebensmittelchemiker mit einem ausgeklügelten Mix an Ballaststoffen, Säureregulatoren, Aminosäuren, Aromen, Vitamin C als Antioxidant und einem Bitterstoff eine Brause mit Biergeschmack nach.

So bestürzend dies auch ist – das Bier aus dem Reagenzglas war ein durchschlagender Erfolg. Der Geschmack war zwar bei weitem nicht so bierähnlich wie das der deutschen Vorbilder, aber er war erträglich. Doch vor allem zeichnete sich das Produkt durch den Verzicht den Gärprozess dadurch aus, im Gegensatz zu den damaligen deutschen Produkten nicht einmal mehr über Restalkohol zu verfügen.

Ein Marketinggag, sicherlich. Auch deutsches alkoholfreies Bier hätte den Führerschein nicht gefährdet. Aber das Argument des 0,0-Prozent-Bieres schlug in Japan guten Geschmack. Andere Brauer folgten – und der Niedergang deutscher alkoholfreier Biere in Japan begann. Danach folgten – typisch für Japan – weitere Innovationen. Asahi brachte 2010 das erste kalorienfreie nichtalkoholische Getränk mit Biergeschmack der Welt auf den Markt. Und nun kommt eben die Gesundheitswelle.

Als Fan alkoholfreier Biere verfolge ich die Entwicklung begeistert durch Testkäufe mit. Und ich muss gestehen, dass Asahis Gesundheitsbier derzeit am häufigsten den Weg in meinen Kühlschrank findet. Aber eines stelle ich immer wieder fest, wenn mir doch mal deutsche Bierahnen auf den Tisch kommen: Die japanischen Alternativen sind nur ein schwacher Placebo für richtiges alkoholfreies Bier.

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