Italien Antonello Montante: Der tiefe Fall eines Anti-Mafia-Helden

Dem einstigen Anti-Mafia-Held wird nun enge Verbindungen zu Mafiabossen vorgeworfen.
Rom Er war der Vorzeige-Unternehmer aus Sizilien: Antonello Montante, Chef eines Unternehmens, das edle Fahrräder herstellt und Stoßdämpfer, die auch an die Deutsche Bahn oder Bombardier gehen. Er war Vizepräsident des Industrieverbands Confindustria, deren Präsident in Sizilien und „Beauftragter für Legalität“.
2012 beherrschte er die Schlagzeilen mit seiner Erfindung eines Anti-Mafia-Ratings. Er warb für die Schaffung einer Datenbank „für tugendhafte Firmen“, für eine Zertifizierung „sauberer“ Unternehmen, damit diese leichteren Zugang zu Krediten bekommen.
Er wurde dafür gefeiert vom ganzen Confindustria-Verband, dem Kartellamt und dem Bankenverband. Alle unterstützten seine Initiative.
Auch das Handelsblatt interviewte den sympathischen Anti-Mafia-Helden damals in Rom: „Die Mafia, das größte Unternehmen Italiens, ist raffinierter geworden. Sie ist eine Finanzmafia, die sich nach Norden ausgebreitet hat“, sagte er damals. Die Infiltrierung im Norden hätten viele, auch die Deutschen, noch nicht wahrgenommen.
Montante – ein bewundernswerter Kämpfer gegen die organisierte Kriminalität. Ein leuchtendes Beispiel dafür, was sich getan hat in Sizilien in den Jahren nach den schrecklichen Bombenattentaten auf die beiden Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992.
Das Attentat hatte die Menschen wachgerüttelt. In den folgenden Jahren wurden die großen Bosse und Paten verhaftet und kamen lebenslang hinter Gitter. In der Zivilgesellschaft gab es immer mehr Initiativen gegen den „pizzo“, das Schutzgeld, das die Mafia den Ladenbesitzern und Restaurantchefs abpresst.
„Mit dem Anti-Mafia-Rating können wir unendlich viele Firmen retten und sie vom illegalen in den legalen Markt ziehen“, sagte Montante im Interview. Mit dem Rating, einer besseren Bewertung für „saubere Unternehmen“, wäre für Unternehmer der Zugang zu Krediten einfacher. Die Firmen müssten nicht mehr zur Mafia gehen oder zu Wucherern, um Geld zu bekommen. Montantes Vorschlag ist mittlerweile sieben Jahren her.
Im Mai 2018 wurde Antonello Montante verhaftet. Der Vorwurf: Korruption und Spionage. Jahrelang hatte die Staatsanwaltschaft seiner Heimatstadt Caltanissetta ermittelt. Schon 2016 wurde ihm offiziell die Zugehörigkeit zu einer mafiösen Gesellschaft vorgeworfen, was ein Straftatbestand in Italien ist.
Er soll enge Verbindungen zu lokalen Mafiabossen haben, so die Anklage. Auf die Spur gekommen war die Staatsanwaltschaft ihm durch Aussagen von „Pentiti“, reuigen Mafiosi, die mit der Polizei zusammenarbeiten. Mit Montante wurden fünf hochrangige Polizisten und Verwaltungsangestellte verhaftet.
Der ehemalige Vorzeige-Unternehmer soll einen „magischen Zirkel“ von Informanten aus Polizei und Ordnungskräften aufgebaut haben, ein Spionage-System, die ihm jeden Schachzug der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn verrieten. Er soll Beamte bestochen haben, um zu erfahren, was gegen ihn vorlag.
System von Gefälligkeiten und Geldzahlungen
Außerdem habe er, inzwischen Präsident der Handelskammer von Caltanissetta, ein System von Gefälligkeiten und Geldzahlungen aufgebaut, um dann Gegenleistungen zu verlangen – ein typisches Vorgehen der Mafia. Systematisch habe er bei Auftragsvergaben und Geschäftsbeziehungen sein Netzwerk von Beziehungen eingesetzt. In der Anklageschrift sind die Bosse namentlich erwähnt, denen er Aufträge zugeschanzt hat: Vincenzo Arnone, sein Trauzeuge, und dessen Vater Paolino.
2016 durchsuchte die Polizei seine Villa in Serradifalco vor den Toren von Caltanissetta und fand auf seinem Computer kurz zuvor gelöschte Dateien mit Kontaktlisten, Memos von Treffen und Listen mit den Zahlungen für Informanten. Hinter einer Bücherwand entdeckten die Beamten zudem ein Geheimzimmer, in dem ausführliche Dossiers lagerten.
Montante machte zwei Stunden lang der Polizei nicht auf und versuchte in dieser Zeit, Beweismaterial zu vernichten, so steht es im Polizeibericht. Er löschte nicht nur die Dateien, sondern steckte USB-Sticks und Unterlagen in Plastiktüten und einen Rucksack und warf diese in einen Hof und auf den Balkon des Nachbarn. Doch die Polizisten fanden alles.
Das klingt wie ein Krimi, eine filmreife Geschichte. Zurück bleibt Staunen und das Eingeständnis, dass es unmöglich ist, als Außenstehender in die Geheimnisse der Mafia einzudringen – und dass die Cosa Nostra keineswegs am Ende ist. Die Fassade ist das eine, wie auch die Folklore, die eine Reise nach Sizilien so spannend macht. Die Realität das andere.
Montante wurde am Freitag in erster Instanz verurteilt – zu 14 Jahren Haft. Er bleibt weiterhin unter Hausarrest mit elektronischer Fessel. Das hatte sein Verteidiger erreicht, mit der Begründung, er leide unter Depressionen.
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