Weltgeschichte Wie Italien Ausstellungen zu Blockbustern macht

Das Ölbild „Madonna mit Kind und Johannesknaben“ entstand um 1509/10 und wird „Garvagh Madonna“ genannt, da das Werk lange Zeit im Besitz von Lord and Lady Garvagh war (Ausschnitt).
Rom Schon jetzt ist ganz Rom mit Plakaten tapeziert, dabei wird die Schau erst am 5. März eröffnet. Auf rubinrotem Grund steht in goldenen Versalien nur ein Wort: RAFFAELLO. Italien feiert den großen Renaissancekünstler Raffael Sanzio zum 500. Todestag. Am 5. April 1520 starb er in Rom, mit nur 37 Jahren, sein Grab ist im Pantheon und wird täglich von Touristen belagert. Immer liegen dort frische Blumen.
Die Ausstellung wird das größte Kunstevent aller Zeiten in Italien, sagen die Veranstalter. Das bedeutet positive Schlagzeilen für ein Land, das auf der einen Seite seit Goethe Sehnsuchtsland der Deutschen ist, auf der anderen Seite aber mehr mit Regierungskrisen und maroden Staatsfinanzen Schlagzeilen macht.
Dahinter stecken ein Masterplan und gezieltes Vorgehen: Kulturminister Dario Franceschini hat schon vor Monaten ein Nationalkomitee zur Vorbereitung der Ausstellung berufen. Aus der ganzen Welt werden 200 Werke Raffaels zusammengetragen.
Die meisten kommen aus den Uffizien in Florenz, die von dem deutschen Kunsthistoriker Eike Schmidt geleitet werden. Rund 50 Bilder und Zeichnungen hat er nach Rom geschickt. Wer jedoch Raffaels „Schule der Philosophen“ in den Stanzen des Apostolischen Palastes sehen will, muss nach wie vor Schlange stehen vor der Tür der Vatikanischen Museen.
Innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Bekanntmachung gab es 10.000 Vorbestellungen von Tickets aus der ganzen Welt, heißt es bei den Organisatoren. Das ist ein Rekord im internationalen Kunst-Business.
Natürlich haben auch andere Länder ihre gut organisierten Mega-Ausstellungen, in Paris, London, New York oder Wien, aber in Italien ist es anders. Die Italiener sind in puncto Kunst und Geschäft direkte Erben der Renaissance: Die Aufmachung ist immer ein bisschen eleganter, ästhetischer und stilsicherer als anderswo.
Auch der Ausstellungsort ist ein Ereignis
Dazu kommt, dass die Ausstellungsorte selbst schon Kunstdenkmäler sind. So wird die Raffael-Schau in den Scuderie del Quirinale gezeigt, den ehemaligen Ställen des gegenüber liegenden Quirinalspalastes, in dem erst die Päpste, dann der König und heute der Staatspräsident residiert.
Die „Ställe“ sind ein eleganter Bau mit einer großen Freitreppe aus Marmor im Inneren. Allein der Blick über Rom von der Terrasse ist den Eintritt wert. Italien hat es leicht mit passenden Locations, schließlich hat das Land weltweit die meisten Unesco-Weltkulturstätten.
Die Blockbuster-AG, bei der von Politik bis Verwaltung alle an einem Strang ziehen, bringt Italien Ruhm und Geld – und kurbelt den Tourismus an. Das kulturelle Erbe zählt sich aus. 13,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes schafft der Tourismus und 15 Prozent der Arbeitsplätze sind in der Branche, Tendenz steigend. Die Zahlen kommen von der staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP), der italienischen Kfw.
Um 3,6 Prozent mehr als die italienische Wirtschaft wachse die Tourismus-Industrie, heißt es dort. Das Fremdenverkehrsamt Enit meldet für 2019 mehr als 360 Millionen Übernachtungen, das hätte 40 Milliarden Euro an Einnahmen gebracht.
Auch ihre Schwachstellen kennen die Italiener: Die Dauer des Aufenthalts ist zurückgegangen. Schuld sind laut CdP die vielen in die Jahre gekommenen Hotels in Familienbesitz. In Rom zählt das nicht, denn die Stadt ist längst zur Bed&Breakfast und Airbnb-Hochburg geworden.
Kulturreisen zu großen Ausstellungen ist das Prinzip, mit dem das Fremdenverkehrsamt Italien auf der ganzen Welt anpreist. Gezielt wird auf die ausgabenstarken Millennials, die gleichzeitig auch gut essen und trinken wollen und dazu noch ein bisschen Luxus shoppen.
Viel abschauen von der italienischen „dolce vita“ können sie sich beim Meister der Opulenz: Mit Raffael kommt auch die zweite große Ausstellung nach Rom: „Fellini 100“ ist der Titel. Der Regisseur aus Rimini, der „La dolce vita“, „Amarcord“ und „La strada” drehte, wird zu seinem 100. Geburtstag gefeiert. Und auch hier ist der Ausstellungsort ein Kunstdenkmal. Der Palazzo Venezia, an der gleichnamigen Piazza, wurde in der frühen Renaissance von Papst Paul II. gebaut. Vom zentralen Balkon über dem Portal hielt viele Jahre später Mussolini seine Reden ans Volk.
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