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Welthandel Der Protektionismus der USA bleibt – selbst wenn die Pandemie vorbei ist

Der Wirtschaftsnationalismus wird die Pandemie überdauern, gerade in den USA. Darunter leidet der deutsche Mittelstand. Außenminister Maas fordert deshalb neue Handelsabkommen in Asien.
12.04.2021 - 05:00 Uhr Kommentieren
Trotz der Versöhnungsrhetorik von US-Präsident Joe Biden drohen der EU Sanktionen. Quelle: dpa
Hafen von Savannah in den USA

Trotz der Versöhnungsrhetorik von US-Präsident Joe Biden drohen der EU Sanktionen.

(Foto: dpa)

Brüssel, Düsseldorf Handelspolitisch ist Europa schon das, was es außenpolitisch gern wäre: ein ernst zu nehmender Machtfaktor. Die EU besitzt mit 450 Millionen Verbrauchern den größten Binnenmarkt, erwirtschaftet ein Bruttoinlandsprodukt von 12,6 Billionen Euro und steht für mehr als 15 Prozent der Weltwirtschaft. 

Eine andere Frage ist, ob die EU ihr handelspolitisches Gewicht künftig noch nutzen kann. Die Zweifel wachsen: Der Pakt mit lateinamerikanischen Mercosur-Ländern ist ausgehandelt, wird aber nicht ratifiziert. Die Zugeständnisse, die Brüssel kurz vor dem Jahreswechsel China mit dem umstrittenen Investitionsabkommen abtrotzen konnte, fallen nach einhelliger Meinung von Experten eher bescheiden aus.

Und das aus ökonomischer Sicht Relevanteste: Auch in den transatlantischen Handelsbeziehungen geht wenig voran. Die großen Hoffnungen, dass es mit dem Machtwechsel in Washington eine substanzielle Annäherung zwischen den USA und der EU geben würde, haben sich nicht erfüllt. Die Zeitschrift „Foreign Affairs“ ruft bereits „das neue Zeitalter des Protektionismus“ aus.

Die Pandemie hat dem Wirtschaftsnationalismus Auftrieb gegeben, keine Frage. Im Kampf gegen Corona heiligt der Zweck die Mittel: Die USA und Großbritannien stoppen den Export von Impfstoffen, die EU, von dieser handelspolitischen Hartleibigkeit anfangs überrumpelt, reagierte mit eigenen Ausfuhrkontrollen. Doch aufgekeimt war der Protektionismus schon, bevor das Virus die Welt befiel – und alles deutet darauf hin, dass er die Pandemie überdauert. 

Weitere Sanktionen drohen

Das Beispiel USA zeigt: Präsident Joe Biden hat keine der Strafzölle seines handelsstreitsüchtigen Vorgängers aufgehoben. Er unterschrieb ein Dekret, das europäische Firmen faktisch von öffentlichen Aufträgen in den USA ausschließt. Der „Buy American Act“ hätte auch gut zur America-first-Politik seines Vorgängers Donald Trump gepasst.

Auch der Konflikt um die Gaspipeline Nord Stream 2 ist ungelöst: Die USA drohen weiter mit Sanktionen. Einziger Lichtblick: Im März haben Washington und Brüssel die Strafzölle im Streit um Flugzeugsubventionen für Airbus und Boeing für vier Monate ausgesetzt. Ein Schritt, der auch als Signal für einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen dienen sollte. Doch der bereits 16 Jahre anhaltende Konflikt ist alles andere als überwunden. 

Bidens Versöhnungsrhetorik kann also nicht darüber hinwegtäuschen, dass der amerikanische Wirtschaftsnationalismus mit dem Abgang Trumps nicht verschwunden ist. Der Schaden ist beträchtlich. Das belegt nun eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft und der Stiftung Familienunternehmen: „Die Einführung von Strafzöllen seitens der Regierung von Präsident Trump hat vor allem mittelständische europäische Exporteure getroffen, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Produktion in die USA zu verlagern, um Zölle zu umgehen“, heißt es in der Studie. Insgesamt beliefen sich die deutschen Exporteinbußen durch die US-Airbus-Zölle auf fast 900 Millionen Euro jährlich, haben die IfW-Forscher berechnet.

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Die Welthandelsorganisation WTO hatte den USA erlaubt, Zusatzzölle auf Waren aus der EU zu erheben – als Schadensersatz für unerlaubte Subventionen der Europäer im Flugzeugbau. Ein Jahr später genehmigte sie auch der EU, aus ähnlichen Gründen Zölle auf US-Waren zu erheben.

Brüssel zögerte nicht lange und erhob zur Begrüßung des neuen Präsidenten entsprechende Strafzölle. Bei den Schadensersatzsummen handelt es sich um die größten Maßnahmen, die die WTO jemals genehmigt hat. Sie führen zu spürbaren wirtschaftlichen Verlusten in Branchen, die mit dem Flugzeugbau nichts zu tun haben, aber von den Ausgleichszöllen getroffen wurden. 

USA für europäische Wirtschaftsentwicklung relevanter als China

Auch die von Trump 2017 erhobenen Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte sind noch in Kraft. Die Biden-Regierung macht keine Anstalten, das zu ändern. Erst vor wenigen Wochen erklärte Bidens Wirtschaftsministerin Gina Raimondo im US-Kongress, die Stahlabgaben seien „nützlich und effektiv“. Das ist angesichts ihrer ökonomisch schädlichen Wirkung zwar gewagt. Doch politisch erfüllen die Zölle offenbar ihren Zweck: Sie sichern den Demokraten die Unterstützung der Stahlarbeiter und ihrer Gewerkschaften.

IfW-Präsident Gabriel Felbermayr hält die anhaltenden Handelsstreitigkeiten für fatal. In einer Überwindung der transatlantischen Konflikte sieht der Handelsexperte große ökonomische Chancen für beide Seiten, vor allem auch für Deutschland. „Alle reden immer über China, dabei sind die USA für unseren Wohlstand viel entscheidender“, sagt Felbermayr. 

Der Umsatz im Güterhandel der EU mit den USA lag 2019 bei 625 Milliarden Euro, der mit China bei 606 Milliarden Euro. Im Jahr 2020 war das Handelsvolumen mit China zwar erstmals größer als das mit den USA. Beziehe man aber die Dienstleistungen mit ein, ändere sich das Bild deutlich, so Felbermayr.

Die europäischen Dienstleistungsexporte in die USA beliefen sich 2019 auf 200 Milliarden Euro und übertrafen die chinesischen um das Dreifache. Die Dienstleistungsimporte aus den USA (214 Milliarden Euro) lagen um den Faktor fünf über jenen aus China.

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Deshalb fordern die Autoren der Studie, dass „Europa aktiv auf die neue US-Regierung zugehen und konkrete handelspolitische Vorschläge für einen Abbau bilateraler Handelsbarrieren machen sollte“. Ein solches Signal sei angebracht, weil die europäischen Einfuhrzölle vor allem wegen der protektionistischen Agrarpolitik nach IfW-Berechnungen mit vier Prozent ungefähr doppelt so hoch sind wie die amerikanischen Importzölle.

Doch nach dem Scheitern der Verhandlungen über die transatlantische Freihandelszone TTIP ist in Brüssel die Neigung gering, einen zweiten Anlauf zu unternehmen. „Ein neues Freihandelsabkommen mit den USA zu verhandeln, ob TTIP oder ein TTIP light, ist derzeit nicht Teil der Pläne der Kommission“, betonte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis kürzlich im Gespräch mit dem Handelsblatt. Ein Erfolg wäre es schon, wenn es gelänge, die „bilateralen Handelsprobleme aus der Trump-Ära“ zu beseitigen.

Orientierung nach Asien

Mit ihrer wenig ambitionierten transatlantischen Agenda schätzt die Kommission die Prioritäten in Washington realistisch ein. Die USA orientieren sich nach Asien. Dort spielt die weltpolitische Zukunft, denn dort befindet sich ihr größter wirtschaftlicher und geopolitischer Rivale: China.

An einer Kooperation mit der EU sind die Amerikaner eigentlich nur interessiert, wenn es gegen die Volksrepublik geht. Das allerdings stößt auf Vorbehalte in Europa, wo China noch immer als lukrativer Markt gilt.

Allerdings wandelt sich die Chinapolitik der Europäer derzeit. Erstmals hat die EU kürzlich chinesische Funktionäre für Menschenrechtsverbrechen gegen die Minderheit der Uiguren mit Sanktionen belegt. Dass Peking daraufhin europäische Politiker und Denkfabriken sanktionierte, macht eine Rückkehr zur alten europäisch-chinesischen Wirtschaftspartnerschaft unwahrscheinlich. 

Auch die EU will in Asien künftig eine wichtigere Rolle spielen, was die Chance auf neue Anknüpfungspunkte mit den USA bietet. In einem Gastbeitrag im Handelsblatt macht sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) für neue Handelsabkommen in der Region stark. Es werde Zeit, „dass die EU die laufenden Verhandlungen zu Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland zügig abschließt – und Verhandlungen mit Indonesien und Indien voranbringt“, schreibt Maas. „Wenn wir nicht aktiver werden, dann schreiben andere die Regeln der Zukunft.“

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Das Auswärtige Amt hat im vergangenen Herbst eine deutsche Indo-Pazifik-Strategie vorgelegt, jetzt spricht sich Maas für ein gemeinsames europäisches Konzept aus – verbunden mit einem Kooperationsangebot an die Amerikaner. Europas Indo-Pazifik-Strategie solle bis Jahresende stehen, fordert er. Dabei sollten sich die Europäer eng mit der Regierung von Biden abstimmen, „um faire Marktzugänge und Investitionsbedingungen zu sichern“. 

In Zeiten des neuen Protektionismus ist die Wirtschaft ein Instrument der Politik, Maas hat das erkannt. Handelsabkommen können nur noch erfolgreich sein, wenn ihr strategischer Nutzen klar wird. Die wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnis, dass am Ende alle vom internationalen Warenaustausch profitieren können, ist allenfalls zu einer Fußnote in den politischen Debatten geworden.

Mehr: VW und Ford in den USA von Batteriefirmen-Streit nicht mehr betroffen

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