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Wirtschaftsbeziehungen Patentstreit belastet die neue Partnerschaft zwischen Europa und Indien

Die EU und Indien wollen wirtschaftlich und politisch enger kooperieren. Doch der Streit um Impfstoffpatente könnte den Neustart der Beziehungen behindern.
09.05.2021 - 14:53 Uhr Kommentieren
Das indische Gesundheitssystem ist durch das Coronavirus zusammengebrochen - nun fordert die Regierung die Freigabe von Impfstoffpatenten. Quelle: dpa
Beatmete Patientin in Indien

Das indische Gesundheitssystem ist durch das Coronavirus zusammengebrochen - nun fordert die Regierung die Freigabe von Impfstoffpatenten.

(Foto: dpa)

Brüssel, Bangkok Die Geschichte der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Indien war bisher eine Geschichte der Enttäuschungen. Schon oft gab es Hoffnungen auf Öffnung des abgeschotteten indischen Marktes – erfüllt haben sie sich bisher nie. Dennoch wollen beide Seiten jetzt einen neuen Anlauf unternehmen, und dieses Mal soll alles anders werden. 

Per Videokonferenz vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten mit Indiens Premierminister Narendra Modi, die 2013 ergebnislos abgebrochenen Freihandelsverhandlungen wiederaufzunehmen. Auch ein Investitionsschutzabkommen und eine Infrastrukturpartnerschaft streben beide Seiten an, und sie sicherten sich zu, bei der Bewältigung des Klimawandels enger zu kooperieren. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach von „ungenutztem Potenzial“, das nun erschlossen werden könne.

Mit seinen fast 1,4 Milliarden Einwohnern und einer wachsenden Mittelschicht ist der Subkontinent ein gewaltiger Markt. Vor der Coronakrise zählte Indien zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen der Welt. Davon wollen die Europäer profitieren.

„Wir waren uns einig, dass die EU und Indien als die beiden größten Demokratien der Welt ein gemeinsames Interesse an der Gewährleistung von Sicherheit, Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung in einer multipolaren Welt haben“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Inder und der Europäer. Der wohl wichtigste Grund für die neue Dynamik ist die gemeinsame Sorge über den Aufstieg Chinas, das eine zunehmend aggressive Außenpolitik betreibt und sein autoritäres Herrschaftsmodell als Systemalternative zu demokratischen Staatsformen bewirbt.

Gerade die Inder bekommen den Machtzuwachs ihres östlichen Nachbarn zu spüren. Im vergangenen Jahr kam es wiederholt zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen indischen und chinesischen Soldaten an der Grenze im Himalaja. Dass auch der Westen Chinas Hegemonialstreben einhegen will, kommt der Regierung in Neu-Delhi gelegen.

Europa sperrt sich gegen Freigabe der Patente

Erhebliche Differenzen zwischen der EU und Indien gibt es indes im Kampf gegen die Pandemie. Kein anderes Land der Welt ist derzeit so schwer von Corona betroffen wie Indien. Die EU hilft mit Lieferungen von medizinischer Ausrüstung, doch die Inder fordern mehr: die Freigabe von Impfstoffpatenten.

Nachdem sich die USA vergangene Woche überraschend für eine Lockerung des Patentschutzes ausgesprochen hatten, steht vor allem die EU einer Freigabe im Weg. Von der Leyen sagte, dass man über den Vorschlag diskutieren könne, ein solcher Schritt aber kurzfristig wenig bewirken werde.

Das sehen die Inder anders. Seit mehr als einem halben Jahr versucht Indiens Regierung, die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass das Pochen auf Patente angesichts einer globalen Krise kontraproduktiv ist. Bereits im Oktober brachte das Land gemeinsam mit Südafrika bei der Welthandelsorganisation (WTO) einen Antrag ein, die Schutzrechte auf Covid-19-Impfstoffe auszusetzen

In diversen Verhandlungsrunden schlug den Indern dabei Widerstand unter anderem aus Europa entgegen. Die von der Regierung in Neu-Delhi entsandten Verhandlungsführer reagierten mit einer beinahe genervt klingenden Fragenliste, die sich unter anderem an die EU richtete.

Sie forderten die Gegner der Patentaussetzung auf, konkret zu belegen, dass die Maßnahme eine negative Auswirkung auf die Wirtschaft habe, und zu erklären, weshalb die Impfstoffhersteller trotz bereitgestellter Steuermilliarden und einer immensen globalen Nachfrage auf Patente angewiesen seien sollen. Auch die These, dass freiwillige Lizenzen ausreichen würden, um knapp acht Milliarden Menschen zu versorgen, stellte Indien infrage.

Dass sich nun die USA der indischen Forderung anschließen, ist für Premierminister Modi einer der größten diplomatischen Erfolge seiner Amtszeit. In einer Stellungnahme betonte Modi, dass er es gewesen sei, der seinen US-Amtskollegen Joe Biden in einem Telefonat Ende April auf die Initiative angesprochen habe. Er unterstrich zudem, dass sich bereits mehr als 120 Länder Indiens „vorausschauendem Engagement“ angeschlossen hätten. 

Indiens Premier Modi braucht innenpolitisch einen Erfolg

„Wir hoffen, dass die Aussetzung mit einem Konsens nun schnell beschlossen werden kann“, fügte Modi hinzu – eine Botschaft, die sich offensichtlich an die verbliebenen Gegner des Vorhabens unter anderem in Europa richtet.

Sollte es Modi gelingen, auch die EU zu Zugeständnissen zu bewegen, wäre das für ihn auch ein Erfolg, der ihm innenpolitisch helfen könnte. Der Regierungschef, der seit 2014 im Amt ist, kam aufgrund der in seiner Heimat außer Kontrolle geratenen Infektionslage zuletzt zunehmend unter Druck. Mit der Patentaussetzung hätte er seiner Bevölkerung angesichts überfüllter Krankenhäuser endlich wieder gute Nachrichten zu verkünden. 

Aus Sicht der indischen Pharmaindustrie wäre eine Patentaussetzung eine positive Entwicklung – aber auch kein Allheilmittel. Sharvil Patel, der Chef des indischen Pharmaherstellers Zydus Cadila, arbeitet derzeit an einem eigenen Impfstoff. Er betont, die Freigabe der Patente hätte kurzfristig wenig Auswirkungen, sofern die Konkurrenzunternehmen nicht aktiv bereit seien, andere Hersteller in ihre Technik einzuweisen. Und selbst dann würde es wohl rund ein Jahr dauern, bis Impfstoffe tatsächlich hergestellt werden könnten. 

Langfristig wäre eine Absenkung der Schutzrechte an geistigem Eigentum für Indiens Pharmaindustrie aber wohl durchaus vorteilhaft. Das Land ist schon jetzt der größte Generika-Hersteller der Welt. Die Branche könnte erheblich davon profitieren, wenn neben Impfstoffen auch Corona-Medikamente freigegeben würden, wie von der indischen Regierung ebenfalls gefordert wird. 

Indiens Pharmabranche ist auch ein wichtiger Lieferant für die EU. Ihre große Bedeutung wird aber zunehmend skeptisch gesehen. Dass Indien angesichts der Coronakrise zuletzt Medizinprodukte mit Exportbeschränkungen belegte, stieß bei Kanzlerin Angela Merkel auf Unverständnis. 

Man habe Indien von europäischer Seite „überhaupt nur zu einem so großen Pharmaproduzenten werden lassen in der Erwartung, dass Zusagen auch eingehalten werden“, sagte Merkel Mitte April. Sie fügte hinzu: „Sollte das jetzt vielleicht nicht der Fall sein, werden wir umdenken müssen. Das wird dann aber auch durchaus nicht nur zum Vorteil von unseren Handelspartnern sein.“ 

Mehr: Operation Neustart: EU und Indien machen gemeinsame Sache gegen China

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