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Wirtschaftskrieg Anti-China-Allianz unter Führung der USA nimmt Gestalt an

Der Kampf um Einflusszonen: US-Präsident Joe Biden erzielt beim Versuch, Amerikas Partner auf Linie zu bringen, erste Erfolge. Doch Vorbehalte bleiben.
16.04.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Die USA wollen die Expansionspläne Chinas kontern. Quelle: DOUG MILLS/The New York Times/Re
US-Präsident Joe Biden

Die USA wollen die Expansionspläne Chinas kontern.

(Foto: DOUG MILLS/The New York Times/Re)

Peking, Brüssel, Tokio, Bangkok Von wegen „Sleepy Joe“: US-Präsident Joe Biden legt ein rasantes Reformtempo vor. Der 78-Jährige beschleunigt im Kampf gegen Corona den Impfprozess, er unterstützt die pandemiegeplagte Wirtschaft mit gigantischen Konjunkturpaketen, und er plant eine groß angelegte Reparatur der jahrzehntelang vernachlässigten amerikanischen Infrastruktur.

Und auch in der Außenpolitik zeigt Biden erstaunlichen Gestaltungswillen. Das gilt im vermeintlich Kleinen, den Konflikten in Jemen und Libyen. Und vor allem gilt es im Großen, der strategischen Ausrichtung in Asien. Der angekündigte Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ist vor diesem Hintergrund zu sehen: Amerika will sich wichtigeren Problemen widmen als dem Partisanenkrieg am Hindukusch.

China ist die einzige Macht, die Amerika technologisch, ökonomisch und militärisch übertreffen könnte. Aber Biden hat erkannt, was sein Vorgänger Donald Trump nicht sehen wollte: Dass die USA über etwas verfügen, das China nicht mit einem Fünfjahresplan aus dem Boden stampfen kann: ein weltumspannendes Bündnissystem. Das will Biden nutzen.

Er drängt das noch zögernde Europa, auf seinen aggressiven Kurs gegenüber Peking einzuschwenken – und er erhöht vor allem auch den Druck auf die großen asiatischen Nationen Indien, Südkorea und Japan, sich im epochalen Konflikt der beiden Supermächte klar auf die amerikanische Seite zu stellen.

An diesem Freitag beginnt mit dem Staatsbesuch des japanischen Premiers Yoshihide Suga in Washington die chinakritische Gipfeldiplomatie. Ende April reist Suga auch nach Indien. Anfang Mai findet der EU-Indien-Gipfel statt. Bei allen Treffen geht es immer auch um die Fragen: Wie viel Emanzipation von China können sich die großen Handelsnationen leisten? Wie lange kann die vor allem in Europa, aber auch in Japan dominante Strategie, mit China Geschäfte zu machen, ohne die Beziehungen zu den USA zu gefährden, noch funktionieren?

Das große Spiel um Macht und Einflusszonen in der wachstumsstarken Pazifikregion hat begonnen – Europa und vor allem auch Deutschland stehen etwas orientierungslos am Rande. Schon jetzt steht fest: Die Auseinandersetzung wird die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren prägen. Während Japan und Europa wegen ihrer Wirtschaftsinteressen in China noch vorsichtig agieren, wagt Indien bereits entschlossen die ökonomische Entkopplung von China.

Die Volksrepublik jedenfalls ist alarmiert. Bereits vor dem Washingtoner Gipfel übt China Druck aus. Japan dürfe sich nicht „von einigen Ländern, die eine voreingenommene Meinung gegen China vertreten, in die Irre führen lassen“, warnte Chinas Außenminister Wang Yi ebenso unmissverständlich wie undiplomatisch. Der scharfe Ton überraschte, weil Tokio bislang eine Konfrontation mit Peking vermieden hat. So ist Japan das einzige G7-Land, dass noch keine Sanktionen wegen der Unterdrückung der Uiguren in der Provinz Xinjiang verhängt hat. 

Japan: zwischen Kooperation und Konfrontation

 Den Versuch der US-Regierung, eine klare Positionierung im amerikanisch-chinesischen Konflikt zu erzwingen, betrachtet Tokio mit großer Skepsis. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt kennt die politischen wie ökonomischen Risiken im Umgang mit China.

Vor zehn Jahren stoppte China den Export von Seltenen Erden nach Japan, die für die Chip-, Auto- und Elektronikindustrie notwendig sind. Der Grund: Japan hatte in den Gewässern um territorial umstrittene Felsinseln einen Fischer verhaftet, der ein Schiff der japanischen Küstenwache gerammt hatte. Zwei Jahre später eskalierte der Konflikt, nachdem Japans Regierung die bis dahin privat gehaltenen Inseln in Staatsbesitz nahm. China rief daraufhin zum Boykott japanischer Produkte auf, japanische Restaurants und Kaufhäuser wurden in China verwüstet, japanische Autos demoliert und sogar einige Autohändler abgefackelt.


Der japanische Ministerpräsident reist zur strategischen Abstimmung nach Washington. Quelle: AP
Yoshihide Suga

Der japanische Ministerpräsident reist zur strategischen Abstimmung nach Washington.

(Foto: AP)

Doch trotz all dieser Konflikte versuchte Japan, die Wirtschaftsbeziehungen nicht zu gefährden. China ist der mit Abstand größte Handelspartner Japans. Japan verfolgt „eine Doppelstrategie aus Konkurrenz und Kooperation“, erklärt der außenpolitische Experte Akio Takahashi von der Universität Tokio. Auf der einen Seite konkurriert das Land mit China. Auf der anderen Seite sucht Japan die Zusammenarbeit.

Ob Japan seine Doppelstrategie mit dem wachsenden Druck der Biden-Regierung in dieser Form fortführen kann, ist die große Frage. Auch die Tatsache, dass China mit seiner Aufrüstung, den Drohungen gegen Taiwan und seinen Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer zunehmende Ängste schürt, könnte die Regierung Suga näher an die USA rücken lassen.

„Es geht bei dem Treffen in Washington vor allem um eine gemeinsame Linie gegenüber Taiwan“, sagt Hanns Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP). Hilpert vermutet, dass Japans Premierminister Suga bei dem Treffen mit Biden auf die US-Linie einschwenken wird. Dass Biden sich um Partner bemüht, kommt in Japan gut an. Beide Länder wollen ein Investitionsprogramm starten, das ein Gegengewicht zu Chinas Seidenstraßen-Initiative bilden soll.

Indien: Ökonomische Entkoppelung findet längst statt

Aber Bidens Fokus auf eine wertorientierte Außenpolitik und Menschenrechte ist ein Problem, meint der Volkswirt Haruo Shimada, der vielen Regierungen als Topberater gedient hat. „Diese Politik stellte eine große Herausforderung für Japan dar.“ Anders ist die Lage in Indien – dort findet die ökonomische Entkopplung längst statt. Es ist nicht lange her, da waren Geldgeber aus China für indische Technologie-Start-ups noch eine willkommene Starthilfe.

Inzwischen sind sie zum Problem geworden. Besonders deutlich bekamen das die Betreiber der indischen Social-Media-App Koo zu spüren. Sie inszenierten ihre Anwendung als nationale Alternative zu den globalen Internetkonzernen – sogar die Regierung von Premierminister Narendra Modi warb offensiv dafür, auf den heimischen Anbieter umzusteigen.

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Anfang des Jahres wurde jedoch bekannt, dass die chinesische Risikokapitalgesellschaft Shunwei zu den Anteilseignern der Koo-Betreiberfirma gehört. Das passte nicht zur bisherigen Außendarstellung und brachte das Start-up in öffentliche Kritik. Gründer Aprameya Radhakrishna versprach die schnelle Trennung von dem Investor – und verkündete vor wenigen Wochen Vollzug: Indische Investoren hätten nun den Anteil übernommen – Koo sei damit eines der ersten indischen Techunternehmen, das in seiner Eigentümerstruktur proaktiv aufgeräumt habe.

Was mit „Aufräumen“ in diesem Zusammenhang gemeint ist, ist klar: das Loslösen von China. Hintergrund ist eine Zunahme antichinesischer Stimmungen im Land, die auch von Modis Regierung befördert wurde. Der hindu-nationalistische Politiker bemüht sich so offensiv wie kein anderer Regierungschef in Asien, Chinas wirtschaftlichen Einfluss zurückzudrängen. Er greift dabei hart durch: Milliardenschwere Investitionsprojekte liegen auf Eis, und chinesische Technologieanbieter werden ausgesperrt.

Vor einem Jahr regelte Modi dafür das Investitionsrecht in seinem Land neu: Ausländische Direktinvestitionen aus Nachbarstaaten müssen seitdem von der Regierung einzeln genehmigt werden, bevor sie umgesetzt werden dürfen – eine Regelung, die klar auf China zielt. Mehr als 120 Investitionsvorhaben aus China mit einem Volumen von über 1,6 Milliarden Dollar wurden nach Regierungsangaben seither eingereicht – monatelang wurde gar keines zugelassen.

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Seit ein paar Wochen bearbeiten die indischen Beamten zwar wieder einzelne Vorhaben – aber offenbar nur in Wirtschaftsbereichen, die ausdrücklich in Indiens Interesse liegen. Eine generelle Aufweichung der Restriktionen für chinesische Investoren sei nicht geplant, betonen die Beamten in Neu-Delhi. Indiens Versuch, sich zunehmend von China zu entkoppeln, hatte im vergangenen Jahr durch gewaltsame Zusammenstöße zwischen indischen und chinesischen Soldaten an der umstrittenen Grenze zwischen beiden Ländern im Himalaja zusätzlich an Fahrt aufgenommen.

Die Modi-Regierung verhängte daraufhin ein Verbot von rund 200 chinesischen Apps und begründete dies mit Sicherheitsbedenken. Betroffen war unter anderem die Video-App Tiktok des chinesischen Anbieters Bytedance. Die indischen Behörden froren die lokalen Bankkonten des Unternehmens ein. Bytedance warf Indien daraufhin Schikanierung vor. Die Regierung in Peking beklagte gegenüber der Welthandelsorganisation, man sei über die Entwicklung in Indien sehr besorgt.

Betroffen ist von den Spannungen auch der Telekommunikationsausrüster Huawei. Indiens Regierung schloss sich im vergangenen Jahr westlichen Staaten unter der Führung der USA an, die massive Sicherheitsbedenken gegenüber dem chinesischen Konzern äußerten. Staatliche Telekomkonzerne beendeten Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen, auch private Anbieter wurden angehalten, Beschaffungsprojekte mit Huawei zu überdenken.

Europa: Auf der Suche nach einem dritten Weg

Für Europa war Asien lange nur wirtschaftlich interessant, doch diese Haltung ändert sich. Das zeigt die geplante Mission der deutschen Fregatte „Bayern“. Im August soll das Kriegsschiff Wilhelmshaven verlassen und Kurs Richtung Südchinesisches Meer setzen. Die Bundesregierung unterstreicht mit dem Marineeinsatz ihr Interesse an der Freiheit der Seewege – und die wachsende Rolle Asiens in ihren Sicherheitskonzepten. „Wenn wir nicht aktiver werden, dann schreiben andere die Regeln der Zukunft“, warnt Bundesaußenminister Heiko Maas.

Am Dienstag trafen der SPD-Politiker und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit ihren japanischen Amtskollegen, Außenminister Toshimitsu Motegi und Verteidigungsminister Nobuo Kishi, per Videokonferenz zusammen. In der Bundesregierung reift die Erkenntnis, dass sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu einseitig auf den chinesischen Markt ausgerichtet hat. Daraus sind Abhängigkeiten entstanden, die in Zeiten geopolitischer Spannungen gefährlich werden.

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„Das Stichwort lautet Diversifizierung“, schrieb Maas daher zu Wochenbeginn in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt und forderte, dass die EU ihre Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland zügig abschließt und neue Verhandlungen mit Indonesien und Indien aufnimmt. Die Gelegenheit dafür ist günstig, denn viele asiatische Demokraten werben um die Aufmerksamkeit der Europäer – auch weil ihnen das Insistieren der Amerikaner nicht ganz geheuer ist.

„Die Botschaft aus der Region ist klar“, sagt die Asienexpertin Amrita Narlikar, die das Giga-Institut in Hamburg leitet. Die Demokratien Asiens strebten nicht nach einer „Eindämmung“ Chinas, sie wollten keinen kalten Krieg, auch Indien nicht. Aber die Nachbarn der Volksrepublik „sind besorgt über die Art von Chinas Aufstieg, und sie wollen ein gewisses Gleichgewicht in der Region sehen“, betont Narlikar. Und genau hier könne Europa eine Schlüsselrolle spielen.

Denn die Interessen überschneiden sich: Auch die Europäer wollen keine Eskalation und keine neue Blockkonfrontation. Stattdessen: eine Art dritter Weg zwischen Containment und Appeasement. Es sei „vollkommen klar“, dass es „keine Identität“ in der politischen Ausrichtung gebe, betonte Kanzlerin Angela Merkel kürzlich nach einem EU-Videogipfel mit Biden. Ein stärkeres demokratisches Gegengewicht zu Chinas autoritärem Entwicklungsmodell und eine engere Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern dagegen – das ist sehr wohl im Interesse der Europäer.

Mehr: Der Vorsprung deutscher Unternehmen bei der Industrie 4.0 schmilzt

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