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Wirtschaftskrieg China gegen die USA: Den Preis der Abkopplung zahlen alle

Die Großmächte kappen ihre Liefer- und Wertschöpfungsketten. Das trifft nicht nur die zerstrittenen Staaten, auch deutsche Unternehmen spüren das.
13.08.2020 - 19:14 Uhr Kommentieren
Der kalte Technologie-Krieg der Wirtschaftsmächte lässt andere Staaten zwischen die Fronten geraten. Quelle: dpa
Chinesische Mitarbeiter des Apple-Zulieferers Foxconn

Der kalte Technologie-Krieg der Wirtschaftsmächte lässt andere Staaten zwischen die Fronten geraten.

(Foto: dpa)

Peking, Frankfurt, Berlin Erst kam die politisch-ökonomische Attacke von US-Präsident Donald Trump auf China. Nun folgt die Antwort aus der Volksrepublik: In Kürze legt die Regierung in Peking ihren neuen, dann 14. Fünf-Jahres-Plan vor, in dem wichtige strategische Weichen gestellt werden sollen. China steuert darin nach Aussagen der Regierung nicht nur in strategischen Bereichen auf eine neue Autonomie zu. Das Politbüro in Peking strebt offenbar eine weitgehende Entkoppelung der beiden größten Volkswirtschaften der Welt an.

China will seinen Binnenmarkt und die eigenen Unternehmen stärken. Statt importierter Waren sollen Chinas Verbraucher mehr heimische Produkte kaufen. Auch Zulieferungen aus dem Ausland sollen reduziert werden, wo immer es geht. Der eskalierende Wirtschafts- und Technologiekrieg zwischen den USA und China trifft dabei nicht nur Unternehmen und Arbeitsplätze der beiden Großmächte. Die Trennung könnte auch für die Exportnation Deutschland sehr teuer werden.

Der Grund: die enge Vernetzung der Weltwirtschaft über internationale Liefer- und Wertschöpfungsketten. Das Bundeswirtschaftsministerium preist die Bundesrepublik mit einem Offenheitsgrad von 87,2 Prozent als die „offenste Volkswirtschaft“ der sieben großen Industrienationen (G7). Das macht sie aber auch besonders verletzlich. „In Summe ist die Abkoppelung zwischen China und den USA in unserer komplex arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft für den Vernetzungschampion Deutschland ein klarer volkswirtschaftlicher Nachteil“, warnt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel

Aus der gegenseitigen Abhängigkeit ist längst eine „Waffe“ im geopolitischen Kampf um Macht und Einfluss geworden. Das gilt zunächst für die USA, die mit ihrem wirtschaftsnationalistischen Kurs unter Präsident Donald Trump dabei sind, die jahrzehntelang engen Bande zur Volksrepublik China zu kappen. Begonnen hat es mit Strafzöllen auf Industrieprodukte wie Stahl und Waschmaschinen. Es folgte ein Technologiebann für chinesische Anbieter wie den Telekomausrüster Huawei, die Video-App Tiktok und die Social-Media-Plattform WeChat.

Bereits im Visier haben Trump und seine Wirtschaftskrieger die Finanzbeziehungen: US-Pensionsfonds des staatlichen Federal Retirement Thrift Investment Board dürfen ihr Kapital nicht mehr in chinesische Firmen anlegen. Konzerne aus der Volksrepublik, die ihre Aktien an US-Börsen notiert haben, werden durch strengere Bilanzierungsregeln zum Rückzug gedrängt.

Für einen Streit braucht es immer zwei. China hat nicht nur auf die Attacken der USA reagiert, indem es verstärkt versucht, sich wirtschaftlich unabhängiger zum Beispiel von Computerchip-Importen zu machen. Das Reich der Mitte verfolgt unter seinem Präsidenten Xi Jinping seit Langem eine merkantilistische Strategie, die der „America first“-Politik Trumps in nichts nachsteht, und strebt unter dem Label „Made in China 2025“ seit 2015 vor allem nach technologischer Autonomie.

China geht auf Distanz zur Weltwirtschaft

Konkret geht es darum, dass China bis 2025 in zehn Schlüsselindustrien wie Künstlicher Intelligenz, Robotics, Elektromobilität, aber auch Medizintechnik die globale Führung anstrebt. Bis 2049, zum hundertjährigen Bestehen der Volkrepublik, soll das Land zu einer technologischen „Supermacht“ geworden sein.

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Trump will diese Strategie durchkreuzen: „Xi hat die Vorherrschaft in Technologie und Künstlicher Intelligenz zur obersten strategischen Priorität seiner Regierung gemacht, und er sieht sich nun einer Reihe von Maßnahmen gegenüber, die sein Ziel gefährden“, sagt Ian Bremmer, Chef der internationalen Politikberatung Eurasia Group in New York.

Es war deshalb ein wegweisendes Treffen, das sich Ende Juli in Peking ereignete. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte persönlich eingeladen, um ein „ehrliches Gespräch“ mit handverlesenen Vertretern großer chinesischer Unternehmen zu führen. Das wichtigste Thema: der 14. Fünf-Jahres-Plan der chinesischen Regierung. In dem Plan stellt China alle fünf Jahre die Weichen für seine Wirtschaft. Der nächste soll im Oktober von den Spitzen der Kommunistischen Partei erörtert und gebilligt werden und von 2021 bis 2025 gelten.

Bei dem hochkarätig besetzten Treffen zeigte sich, wo die Priorität der chinesischen Regierung liegt: China geht auf Distanz zur Weltwirtschaft. In Reden der chinesischen Führung und Pekinger Politikkreisen machen jetzt Schlagworte wie „Dual Circulation“ oder „Domestic Circulation“ die Runde, wie das neue Konzept der Kommunistischen Partei Chinas von Staatsmedien übersetzt wird.

Das Prinzip: China will seinen Binnenmarkt und seine heimischen Unternehmen stärken, statt importierter Waren sollen Chinas Verbraucher mehr heimische Produkte kaufen, Zulieferungen sollen von heimischen Unternehmen statt ausländischer kommen. Beobachter vergleichen das „dual“, also  „doppelte“ in der Strategie mit einer Modelleisenbahn: Sie fährt vor allem im inneren Kreis, also im Binnenmarkt, nur wenn es nicht anders geht, werden die Gleise so gestellt, dass sie auch auf den äußeren Kreis fährt.

Europa gerät zwischen die Fronten

Auch die europäische Wirtschaft in China macht sich Sorgen wegen der neuen Entwicklung. Die stärkere Hinwendung der chinesischen Regierung zu den eigenen Unternehmen und zum eigenen Binnenmarkt sei angesichts des anhaltenden Streits mit den USA zwar nachvollziehbar, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking. „Allerdings würde man sich wünschen, dass China eher mehr dafür tut, die Beziehungen mit den USA zu verbessern, statt sich weiter abzukoppeln“, so Wuttke. „Wenn sich China und die USA weiter abkoppeln, sind wir am Ende alle Verlierer, denn auch europäische Unternehmen sind davon direkt oder indirekt betroffen.“

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Chinas autoritäre Führung setzt auf Nationalismus, um die eigene Macht zu sichern. Der Streit mit den USA schaffte einen gemeinsamen Feind. Der Nationalismus wird jetzt auch immer stärker den eigenen Unternehmen eingetrichtert. „Ich hoffe, dass alle ihren Patriotismus verstärken werden“, forderte Xi die Wirtschaftsvertreter bei dem Treffen auf.

Alle Unternehmen durften nur von hochrangigen Managern mit ethnisch chinesischer Herkunft vertreten werden. Ein auch in China äußerst ungewöhnlicher Vorgang, der zeigt, wie derzeit in der Kommunistischen Partei Chinas die Stimmung gegenüber Ausländern in der Volksrepublik jenseits von Sonntagsreden ist.

In einigen Bereichen treibt die chinesische Regierung bereits konkret die eigene Abkoppelung voran – mit konkreten Folgen für Unternehmen. Beispiel Halbleiter: Schon seit mehreren Jahren versucht China, seine eigene Halbleiterindustrie voranzubringen. „Der Markt für Chips wird zu 100 Prozent von Amerikanern kontrolliert“, warnte jüngst der chinesische Starunternehmer und Alibaba-Gründer Jack Ma. Es sind zwar nicht 100 Prozent, aber doch fast die Hälfte des 155 Milliarden Dollar großen Marktes für Halbleiter in China wird nach Angaben der „Semiconductor Industry Association“ von US-Firmen dominiert.

USA dominieren den Halbleiter-Markt

Mit gleich zwei Anordnungen will Trump das chinesische IT-Kronjuwel Huawei von der Versorgung mit Halbleitern abschneiden. Mit der letzten hat Trump offenbar Erfolg. Wie jetzt bekannt wurde, gehen Huawei wegen der neuesten US-Sanktionen schon im September seine Kirin-Prozessoren aus. Ohne die ist die Produktion seiner Smartphones gefährdet. Um die Unabhängigkeit von ausländischen Unternehmen zu beschleunigen, hat die chinesische Regierung erst Anfang August eine Reihe neuer Förderungen für die heimische Chipindustrie erlassen, bestimmte Unternehmen müssen etwa zehn Jahre keine Steuern zahlen.

„Tatsächlich hat China seine Abhängigkeit von importierten Vorprodukten in den letzten 25 Jahren kontinuierlich reduziert. Einerseits durch eigene Innovationen und Investitionen, andererseits, indem man ausländische Produzenten mit Peitsche und Zuckerbrot in das Land gelockt hat“, sagt Felbermayr. Das sei in Zeiten eines boomenden Gesamthandels kaum aufgefallen, im Kontext der „Slowbalisation“ bedeute das aber für deutsche Maschinenbauer, Autozulieferer, Feinchemiehersteller etc., sofern sie nicht in China produzieren, eine schwächere Nachfrage.

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Gerade an der Technologiebranche zeigt sich der Grad der gegenseitigen Abhängigkeit. „Wir befinden uns bereits im Zeitalter des Splinternets. Ich erwarte eine Entkopplung bei Telekommunikations-, Internet- und IKT-Diensten sowie bei 5G-Systemen“, prophezeit der frühere Weltbank-Chef Robert Zoellick seit Langem. Trumps Techno-Nationalismus schadet natürlich den chinesischen Unternehmen – nach der Ankündigung der Sanktionen gegen die App WeChat stürzte der Aktienkurs des Mutterkonzerns Tencent um bis zu zehn Prozent ab. Eine Trennung der Sphären würde jedoch auch dem Silicon Valley schaden.

Beispiel Apple: Der iPhone-Hersteller lässt einen Großteil seiner Smartphones, Laptops und Kopfhörer in China fertigen, wo sich um Zentren wie Shenzhen eine leistungsfähige Zuliefererszene entwickelt hat. Gleichzeitig ist das Land mit seiner wachsenden Mittelschicht ein wichtiger Absatzmarkt, wo der Konzern im abgelaufenen Quartal 9,33 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat – das sind 16 Prozent des Umsatzes. Sollte Apple auch noch gezwungen werden, die WeChat-App international aus seinen App Stores zu entfernen, könnte das Geschäft in China einbrechen: Als ein Programm, das Funktionen für Kommunikation, Bezahlung, E-Commerce und Nachrichten bündelt, ist sie für chinesische Nutzer unverzichtbar.

Foxconn, bekannt als Hersteller des iPhones und größter Auftragsfertiger der Welt, arbeitet seit einigen Monaten daran, diese Abhängigkeit zu verringern. 30 Prozent der Produktion laufen inzwischen außerhalb Chinas vom Band. Diesen Anteil will das Unternehmen weiter steigern, mit Fabriken in Indien, Südostasien oder Südamerika. Das Land werde weiter eine wichtige Rolle spielen, als „Fabrik der Welt“ habe es ausgedient, zeigte sich Chairman Young Liu kürzlich überzeugt.

Wertschöpfungsketten werden umgeleitet

Auch andere Unternehmen versuchen, dem globalen Wirtschaftskrieg auszuweichen: Nach einer neuen Studie des McKinsey Global Instituts (MGI), einer Denkfabrik der gleichnamigen Unternehmensberatung, könnten in den nächsten fünf Jahren Exportströme im Volumen von 4,6 Billionen Dollar umgeleitet werden. Das wäre ein Viertel aller globalen Ausfuhren. Ein wichtiges Motiv für die Produktionsverlagerungen sei der Wirtschaftskonflikt zwischen den USA und China.

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„Die Globalisierung hat in den vergangenen zwölf Jahren gleich drei Rückschläge einstecken müssen: die Finanzkrise, den sino-amerikanischen Handelsstreit und die Coronakrise. Aus einer Umfrage zu Letzterer wissen wir, dass inzwischen zwei Fünftel der Firmen darüber nachdenken, ihre Lieferketten stärker zu regionalisieren und zu diversifizieren und die Lagerhaltung zu erhöhen“, sagt Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI).

Eine Abkopplung ist jedoch leichter gesagt als getan. Die Weltwirtschaft ist heute so eng vernetzt, dass ein Schnitt an einer Stelle zahlreiche Kollateralschäden in anderen Bereichen nach sich ziehen kann. „Die heutigen politischen Entscheidungsträger können nur vage begreifen, dass einige scheinbar gesunde Wirtschaftsbeziehungen gefährlich und einige sogar brandgefährlich geworden sind.

Aber sie wissen nicht, welche Beziehungen gerettet, welche abgebrochen und welche neu geordnet werden sollten - und sie arbeiten mit kaum mehr als Gebeten und blutbespritzten Metallsägen“, warnen die beiden US-Ökonomen Henry Farrell und Abraham Newman in der Zeitschrift „Foreign Affairs“. „Eine Entkopplung zwischen China und USA entzieht der Globalisierung ein wichtiges Fundament und verschärft deren Erschöpfung“, erklärt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Dabei ist die Substitution von Importen zum Beispiel aus Deutschland, auf die Pekings Plan einer „Domestic Circulation“ ausgelegt ist, noch nicht einmal das Hauptproblem. Die neue Strategie ermögliche es darüber hinaus den chinesischen Unternehmen, auf ihrem Heimatmarkt größer und stärker zu werden, sagt Alicia Garcia-Herrero. „Sie wird China nur noch fähiger machen, neue Wachstumsprojekte in anderen Märkten zu finanzieren“, warnt die Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank Natixis. Zum Nachteil von ausländischen Unternehmen.

Mehr: Das Lieferkettengesetz kommt – und wird durch China zum Problem.

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