Le Pen redete fast eine Stunde über ihre Vorstellungen einer französischen Wirtschaftspolitik. Danach war man allerdings nicht viel klüger als vorher. Die beiden kommunizieren auf radikal unterschiedliche Weise. Macron legt seine Analyse von Frankreich dar und erklärt seine Politik. Er wendet sich an den mündigen Bürger, der das Programm der Kandidaten verstehen will.
Le Pens Rhetorik ist darauf ausgerichtet, Begriffe zu besetzen. Große Teile ihrer Rede würde man landläufig als inhaltsleer oder heiße Luft bezeichnen. Sätze wie „Frankreich gewinnt nicht, wenn es nicht Frankreich ist“ oder „die wirkliche neue Ökonomie ist die, die das Leben verbessert“ sind so schlicht, dass man nach einer vielleicht übersehenen verborgenen Botschaft sucht. Die gibt es nicht. Le Pens Sätze dienen nicht dazu, etwas zu erklären. Sie sollen im Kopf der Zuhörer eine bestimmte Vorstellungswelt entstehen lassen.
Die ist zweigeteilt. Auf der einen Seite ist das Böse: der Euro, Europa mit Deutschland im Zentrum. Darum schart sie Begriffe wie „Monster, Kadaver, terrorisieren, Arbeitslosigkeit, Knechtschaft, auf dem Boden kriechen, Aggression, finanzielle Oligarchie, Ausland, Verrat, hilflos.“ Die gute Seite ist die des Patriotismus. Da finden sich „agiler Staat, Staat als Stratege, selber bestimmen, renationalisieren, stabil, rückerobern, Eigentümer werden, Bündnis von Kapital und Arbeit, patriotisch, Grenzen setzen, schützen“ und vor allem: „Frankreich, Frankreich, Frankreich“.
Wichtige Kandidaten der französischen Präsidentenwahl
Man kann Stunden damit verbringen, hinter Le Pens Rede ein wirtschaftspolitisches Konzept zu suchen – es gibt keines. Das Konzept ist das Besetzen von Begriffen, von Formeln, denen auch Wähler weit jenseits des FN zustimmen können. Die Floskel von den Finanzinteressen, die Frankreichs Wirtschaft unterjocht hätten, würden sofort auch viele Linke unterschreiben. Wohl auch die von „Wettbewerbsfähigkeit durch Präferenz für französische Produkte“ – Frankreichs Linke hatte in großen Teilen immer eine Abneigung gegen den Freihandel.
Eine politische Konsistenz in Le Pens Aussagen dagegen fehlt. Sie fordert, die Unternehmen sollten sich auf den Heimatmarkt konzentrieren, bezeichnet den Euro als „Kadaver, der noch zuckt“, will ausländischen Unternehmen eine Beteiligung an französischen verbieten, wenn es ihr in den Kram passt, nennt aber dann ausgerechnet ein vollständig internationalisiertes Unternehmen wie Air Liquide als Vorbild. Management und Mitarbeiter werden sich bedanken: Wie kaum eine andere Forma stehen sie hinter dem Euro.
„Ich werde die französischen Schulden, die zu 65 Prozent von Ausländern gehalten werden, renationalisieren“, kündigt Le Pen gleich zwei Mal in ihrer Rede an. Da ist man gespannt, wie soll das gehen? Will sie die Gläubiger auszahlen oder enteignen? Kein Wort der Erklärung. Auch die von Trump übernommene Steuer von 35 Prozent auf importierte Produkte, die aus ins Ausland verlagerten Werken stammen, wirft sie einfach so in den Raum. Der Dacia Duster, Lieblingsauto der Franzosen, würde damit auf einen Schlag ein paar Tausend Euro teurer. Er wird in Rumänien hergestellt. Auch viele Peugeot und Citroën, die in der Slowakei gefertigt werden – nicht Le Pens Problem.
Ihre Rede ist wie eine lange Sammlung von Tweets, durch copy and paste aneinander gefügt. Dabei erklärt nicht die eine Kurzmitteilung die andere, sie bleiben unverständlich, aber zusammen ergeben sie eine Melodie der Schlüsselbegriffe.
Gegen diese Art der Kommunikation anzukommen ist nicht einfach. Sie ist auf ihr Art vollkommen einer Zeit angemessen, in der viele Bürger es für sinnlos halten, komplexe Zusammenhänge verstehen zu wollen. Es reicht ihnen, von einer Rhetorik umhüllt zu werden wie von einem warmen Mantel. Bleibt zu hoffen, dass das noch immer die Minderheit der Franzosen ist.
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Sollte eine Le Pen oder eine AfD mit ihrem inhaltlosen Wahlkampf erfolgreich sein, so ist dies vor allem die Quittung für eine jahrzehntelang verfehlte Bildungspolitik der Vorgängerregierungen. Wenn man die Bevölkerung so dumm macht, dass sie auf solche Rattenfänger reinfällt, die keine Lösungen anzuieten haben, sind die Etablierten leider selbst dran Schuld.
Weder Frau Le Pen noch Frau Merkel stehen für europäische Werte,
die ihren Anfang bei den Griechen und auch bei den Römer nehmen und sich danach bei den Franken wieder finden. Es ist eine Kultur des Rechtes, die sich von Rom aus hin, zum Code Napoleon und dem BGB entwickelt hat. Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte bleiben Sie sachlich.
http://www.handelsblatt.com/netiquette
Marine Le Pen ist näher am Volk und Macron näher an den EU-Euro Eliten in Paris. Und um so mehr gegen Le Pen geschossen wird um so mehr Franzosen werden Le Pen wählen. Le Pen steht für ein starkes und unabhängiges Frankreich. Die Wirtschaft ist das nebensächlich. Die Wirtschaft kann jede Politik beleben...die Politik braucht nur dazu sich zu entbürokratisieren.. Das ist in Frankreich jedoch einfacher gesagt als getan. Es sind also keine wirtschaftlichen Themen, die die Wahlen in Frankreich entscheiden sondern EURO, EU und das Flüchtlingsthema. Und da stehen immer mehr Franzosen hinter der Politik von Le Pen.
Hr. Pier, wünsche ich mir auch. Wird aber nicht passieren, da die Leitung der Qualitätsmedien kein Interesse daran hat. Es soll sich nichts ändern! Hr. Narrog hat es bereits ausgeführt.
Ich würde mir wünschen, dass die deutsche Qualitätsmedien mal, mit der selben Akribie, mit der Sie (ungenehme) ausländische Politiker "bewerten", nach innen schauen.
Mit der Raute Merkel und Ihrem Parteienblock und der unsäglichen EU(DSSR)-"Elite" hätte man weiß Gott genug zu berichten.
Da ist hingegen "Schweigen im Walde" angesagt..........
Soweit ich dies bewerten kann sind die wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Macron nicht weniger nebulös, und unrealistisch. Der einzige französische Politiker der seine Absichten konkretisiert hat und einigermassen in der Realität steht ist Fillon. Fillons Popularität ist sehr gesunken und neben anderen vermute ich dass sich der französische Wähler gerne illusioniert.
Der Grund dass der Autor Fr. Le Pen`s abwegige Aussagen zu Wirtschaftspolitik zerreisst und den Müll von Macron bejubelt liegt darin das Herr Macron Fr. Merkels Einwanderungspolitik öffentlich gelobt hat. Damit ist er Favorit von Fr. Merkel und den mit ihr verbundenen Qualitätsmedien. Fr. Le Pen ist aufgrund ihrer rechten Ausrichtung für Fr. Merkel und die Qualitätsmedien ein Teufel in Person.