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Yoshihide Suga Die Olympischen Spiele werden zum politischen Überlebenskampf für Japans Premier

Regierungschef Suga hat den Japanern „sichere Spiele“ versprochen. Doch nun fordern erste Experten einen Abbruch – wegen einer heimischen Corona-Welle.
25.07.2021 - 14:28 Uhr Kommentieren
Der japanische Premier während einer Pressekonferenz Anfang Juli in Tokio: Der 72-Jährige hat am Freitag die Olympischen Spiele eröffnet. Wegen der Coronapandemie geht es für ihn ums politische Überleben. Quelle: AP
Yoshihide Suga

Der japanische Premier während einer Pressekonferenz Anfang Juli in Tokio: Der 72-Jährige hat am Freitag die Olympischen Spiele eröffnet. Wegen der Coronapandemie geht es für ihn ums politische Überleben.

(Foto: AP)

Tokio Am Ende der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele hätte Japans Regierungschef Yoshihide Suga seine Rolle als Nebendarsteller fast noch verpatzt. Als Japans Kaiser Naruhito am Freitag kurz vor Mitternacht aufstand, um die 32. Olympischen Spiele zu eröffnen, erhob sich Suga etwas verspätet. Vielleicht war der 72-Jährige erschöpft am Ende seines Gesprächsmarathons in jenen Tagen.

Das größte Sportfest der Welt mag wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer stattfinden. Aber wie in der Vergangenheit ist der Einmarsch der Olympioniken eine große Gelegenheit für den Gastgeber, im Ausland den Ruf seines Landes und daheim seine Popularität zu stärken. Denn die Eröffnungsfeier bleibt ein diplomatischer Magnet.

Aus den USA war beispielsweise die First Lady Jill Biden angereist, aus Frankreich Präsident Emmanuel Macron und aus der Schweiz Präsident Guy Parmelin. Und alle musste Suga treffen, um alte Pakte zu stärken und neue zu formen.

Doch bei diesen Spielen ist der Einsatz für Suga außen- wie innenpolitisch höher als für die meisten Gastgeber vor ihm: Wegen der Coronapandemie geht es für ihn ums politische Überleben. Ein pandemisches – und damit auch ein politisches – Debakel ist keineswegs ausgeschlossen. Wenn Japan die Spiele trotz der fünften Virenwelle, die gerade Tokio erfasst, erfolgreich durchführen kann, winken Reputationsgewinne für das Land und seine Unternehmen, sagt Martin Schulz, Volkswirt von Fujitsu in Tokio.

Olympisches Fest gegen das Stimmungstief der Regierung

Doch wichtiger für Suga ist, dass die Spiele durch die einjährige Verschiebung ein heiß umkämpftes Wahlkampfthema geworden sind. Im Herbst muss die Koalitionsregierung aus Sugas konservativer Liberaldemokratischer Partei und der Neuen Gerechtigkeitspartei in Unterhauswahlen ihre absolute Mehrheit verteidigen. Suga, erst seit September 2020 im Amt, braucht dringend ein rauschendes olympisches Fest, um sich aus dem Stimmungstief zu befreien, in das ihn geerbte Skandale und vor allem seine Behandlung der Pandemie gestoßen haben.

Ein Problem ist der Spätstart des Impfprogramms in Japan, ein anderes sein Eintreten für die Olympischen Spiele, die sein Vorgänger Shinzo Abe 2013 nach Japan geholt hatte. Denn in Meinungsumfragen spricht sich seit Monaten die Mehrheit der Japaner für eine Verschiebung oder Absage der Spiele aus. Die Oppositionsparteien machten sich die Forderung rasch zu eigen und unterstützten nun teilweise Anti-Olympia-Demonstrationen.

Suga weiß selbst, wie brisant die Lage für ihn ist. „Am meisten hat mich beunruhigt, dass die öffentliche Meinung so gespalten war“, sagte er vorige Woche in einem Interview mit dem US-Sender NBC. Es wäre ein Einfaches gewesen, die Spiele abzusagen, erklärte er nun. Aber der Politiker, der den Großteil seiner Karriere als dienender Parteisoldat abgeleistet hat, setzte gegen fachärztlichen Rat bewusst auf seine staatsmännische Pflicht: „Als die Nation, die die Spiele ausrichtet, glaube ich, dass wir unsere Verpflichtung gegenüber dem Rest der Welt erfüllen müssen.“

Leiden müssen die Sportler. Sie werden, so gut es geht, von der Bevölkerung isoliert, um den Japanern die Angst vor eingeschleppten Viren zu nehmen. Ironischerweise erweist sich dies nun umgekehrt als vorausschauende Vorsichtsmaßnahme – quasi zum Schutz der Athleten vor der Bevölkerung. Denn inzwischen droht die heimische Pandemie in Japans Hauptstadt Sugas olympische Wahlkampfkür zu zerstören.

Delta-Variante belastet Krankenhäuser in Tokio stark

Schon Mitte Juli musste Suga in Tokio erneut den Corona-Notstand ausrufen, weil die hochinfektiöse Delta-Variante auch in Japan eine neue Welle ausgelöst hat. Aber einigen Experten geht diese Gegenmaßnahme nicht weit genug. Am Samstag forderte der bekannte Epidemiologe Hiroshi Nishiura von der Kyoto-Universität nach seiner Analyse der neuesten Covid-19-Zahlen, „die Olympischen Spiele an dieser Stelle auszusetzen und ein striktes Ausgehverbot in Tokio durchzusetzen“.

Japans Infektionszahlen wirken im internationalen Vergleich mit knapp über 5366 Fällen am Donnerstag voriger Woche vielleicht gering. Aber das Gesundheitssystem steht schon jetzt unter Druck, da nur die wenigen öffentlichen Großkrankenhäuser Covid-19-Fälle aufnehmen, warnt Experte Nishiura. „Die Situation in den aufnehmenden Krankenhäusern in Tokio ist alarmierend.“ In Zukunft würden immer mehr Menschen zu Hause auf eine Behandlung warten müssen, auch wenn sie Atembeschwerden haben.

Das ist keine leere Drohung. Im Frühjahr, während der vierten Welle, mussten Ärzte in der Metropole Osaka bereits Patienten für Beatmungsgeräte auswählen. Mehrere Dutzend Menschen starben zu Hause, weil es keine Krankenhausplätze mehr gab.

Japans Epidemiologen warnten vor dem neuen Corona-Notstand, dass sich dies nun in der Hauptstadt wiederholen könnte, trotz des Zuschauerbanns bei den Olympischen Spielen. Denn durch die Attraktion der Spiele würden mehr Menschen auf die Straßen gelockt

Genau das passiert jetzt. Zu Tausenden pilgern Tokioter zu fotogenen Olympia-Symbolen. Und immer mehr Bars ignorieren die Aufforderung, nach acht Uhr zu schließen.

Noch hat Suga die Chance, die Stimmung zu drehen. Das Interesse für Olympia ist da: Laut einer Umfrage des Switch Media Lab schalteten sich in der Spitze 47,5 Prozent der TV-Nutzer zur Eröffnungsfeier ein, und fünf Goldmedaillen am ersten Wochenende lassen die Fans auch vor dem Fernseher jubeln.

Aber eine schwere Coronakrise in der Hauptstadt würde wahrscheinlich ihm angelastet werden, und das nicht ohne Grund. Schließlich hat er seiner Bevölkerung „sichere Spiele“ versprochen.

Mehr: News, Stimmen und Stimmungen zu Olympia

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