Zwischenbilanz Österreichs Lockdown wirkt – aber der Preis ist hoch

Bis mindestens Mitte Dezember ist das öffentliche Leben in Österreich lahmgelegt. Ob sich das Weihnachtsgeschäft noch retten lässt, ist ungewiss.
Wien Zehn Tage nach seinem Beginn zeigt der Lockdown in Österreich Wirkung. Die Lahmlegung des gesellschaftlichen Lebens hat dazu geführt, dass sich die täglichen Neuinfektionen etwa halbiert haben. Zudem fiel die Reproduktionszahl auf knapp unter 1, womit das exponentielle Wachstum gebremst wurde. „Der Peak ist erreicht“, hielt der Simulationsexperte Nikolas Popper bereits Anfang letzter Woche fest.
Allerdings zeigen die Zahlen bereits seit Beginn des Lockdowns leicht nach unten, was Experten dahingehend interpretieren, dass die vorhergehenden Maßnahmen, darunter Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte, bereits Wirkung zeigten. Schon seit Anfang November verzeichnet Österreich vor allem wegen der Booster-Impfungen hohe Impfzahlen, wobei der Freitag sogar den Rekordtag der gesamten Kampagne darstellte.
Eine jüngst publizierte Auswertung von Handydaten zeigt allerdings, dass die Mobilität im vierten Lockdown nicht so stark abgenommen hat wie bei vorhergehenden: Sie reduzierte sich um 18 Prozent, verglichen mit 40 Prozent im März 2020.
Der Schluss, die radikale Notbremse funktioniere nicht mehr, weil sich die Menschen nicht daran hielten, ist aber nur teilweise und für gewisse Regionen richtig. Bedeutsamer dürfte sein, dass die Schulen im Unterschied zu früher offen geblieben sind.
Darüber, ob dies gut oder schlecht ist, entbrennen in der österreichischen Öffentlichkeit regelmäßig kontroverse Debatten. Die Befürworter einer radikalen Schließung verweisen auf die vielen Ansteckungen bei Kindern und Jugendlichen – die Fünf- bis 14-Jährigen liegen bei der Inzidenz unter allen Altersgruppen klar an der Spitze – und das chaotische Hin und Her zwischen Schulbetrieb und Quarantäne.
Durchgesetzt hat sich dennoch die Ansicht, dass eine Schließung der Bildungsinstitutionen angesichts der enormen psychologischen und sozialen Kosten mit allen Mitteln zu vermeiden sei. Argumentiert wird auch, dass die regelmäßigen Testungen dort die repräsentativsten Einblicke in das Infektionsgeschehen böten.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie, wie etwa in Wien, auch logistisch funktionieren. Andere Bundesländer, die ihre PCR-Test-Kapazitäten im November erst im letzten Moment ausbauten, stehen weiterhin vor großen Problemen.
Triage in Krankenhäusern
Auch in den Krankenhäusern verschärft sich die Lage weiter. Mit 648 Personen auf den Intensivstationen liegt Österreich nur noch knapp unter dem bisherigen Höchststand von 709 Patientinnen und Patienten, der vor einem Jahr erreicht wurde.
Am Dienstag bestätigte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, dass es zu Triagen komme. Ärzte müssen nicht nur leichtere Operationen verschieben, sondern auch in schweren Fällen wegen Personal- und Bettenknappheit entscheiden, wer eine größere Überlebenschance habe.
Angesichts der zeitlichen Verzögerung von mehreren Wochen, mit denen schwer Erkrankte im Krankenhaus landen, rechnet das Covid-Prognose-Konsortium, dem auch Popper angehört, erst Mitte Dezember mit einer nachhaltigen Entspannung. Allerdings sind die regionalen Unterschiede bei der Belastung beträchtlich. Dennoch hält die Regierung bis jetzt an ihrem Versprechen fest, den Lockdown für Geimpfte und Genesene am 13. Dezember zu beenden.
Nikolas Popper liest seine Modelle so, dass sich die täglichen Neuinfektionen bis dahin mehr oder weniger in jenem „tiefen vierstelligen Bereich“ bewegen, der die medizinischen Kapazitäten nicht überwältige. „Viel schwieriger ist die Beantwortung der Frage, wie man sie nach einer allfälligen Öffnung auch tief hält“, gibt er aber zu bedenken. Vor allem die vielen sozialen Kontakte rund um Weihnachten seien schwer kalkulierbar.
Druck zur Öffnung
Die Regierung sieht sich mit einem erheblichen Druck zur Öffnung konfrontiert, auch seitens der Wirtschaft, die einen Totalausfall des Weihnachtsgeschäfts vermeiden will. In den letzten Tagen verdichteten sich aber die Anzeichen, dass nur ein Teil des Versprechens gehalten werden kann: Zu hören ist, dass wahrscheinlich der Handel vor den Festtagen öffnen kann, die Zukunft von Gastronomie und Hotellerie aber ungewiss sei. Noch weniger kalkulierbar sind die Folgen der neuen, auch in Österreich nachgewiesenen Omikron-Variante.
Breite Einigkeit herrscht hingegen, dass nur die weitere Erhöhung der Impfquote längerfristige Sicherheit garantiert. In Ermangelung anderer Ideen setzt Österreichs Regierung dabei auf eine Impfpflicht.

Mehr als 30 Prozent der Bevölkerung Österreichs sind nicht vollständig geimpft.
Sie sieht sich dabei laut einer neuen Umfrage nicht nur von der Bevölkerungsmehrheit unterstützt, sondern mit Ausnahme der rechtspopulistischen FPÖ letztlich wohl auch von den im Parlament vertretenen Parteien.
Der Vorlage dazu soll nächste Woche in die Vernehmlassung gehen, das Gesetz auf den 1. Februar in Kraft treten. Auch wenn kein Zwang zur Impfung vorgesehen ist, wird es Bussen für Verweigerer geben. Maximal, so eine Zahl, die kursiert, sind Verwaltungsstrafen von 7200 Euro vorgesehen.
Die Regierung hofft, dass diese ziemlich happige Summe dazu führt, dass sich Zögernde, die nicht zu den hartgesottenen Impfgegnern gehören, doch noch für die Vakzine entscheiden. Die Pflicht komme aber auf jeden Fall, stellt sie klar.
Mehr: Zögerlich, ziellos, zerstritten – Wie Österreichs Regierung dem Land den vierten Lockdown einbrockte
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Man sollte sich von dem Gedanken verabschieden eine flächendeckende Impfpflicht kontrollieren zu können. (vor allem wenn alle 6 Monate geboostert werden soll)
Eine Impfpflicht führt nur dazu, dass die Nachfrage nach gefälschten Impfausweisen steigen wird.
Hat das Nachbarland Kroatien auch Lockdown? Da wirkt der nämlich ebenfalls.