Zyperns Milliarden-Geschäft mit Pässen Andrej auf den Spuren der Aphrodite

Für die zyprische Wirtschaft hat sich das umstrittene Pass-Programm ausgezahlt.
Athen Eine reiche Geschichte, schöne Strände, gutes Wetter – die Mittelmeerinsel Zypern ist ein beliebtes Urlaubsziel. Knapp 3,2 Millionen ausländische Gäste kamen 2016 in den griechischen Süden der geteilten Insel, fast vier Mal so viele wie es dort Einwohner gibt. Nach den Briten, die als ehemalige Kolonialherren traditionell die meisten Besucher stellen, haben sich die Russen im vergangenen Jahr mit knapp 780.000 Touristen als zweitgrößte Urlaubernation auf Zypern etabliert. Aber nicht alle kommen wegen der 300 Sonnentage oder wegen der Mythen, laut denen an der Südwestküste der Insel einst die Liebesgöttin Aphrodite nackt dem Meer entstiegen sein soll. Einige Russen haben es auf ein kleines Büchlein abgesehen.
Andrej hat das begehrte Dokument bereits. ΕΥΡΩΠΑΙΚΗ ΕΝΩΣΗ – ΚΥΠΡΙΑΚΗ ΔΗΜΟΚΡΑΤΙΑ steht in goldenen Buchstaben auf dem weinroten Einband – ein Reisepass der Republik Zypern. Andrej heißt in Wirklichkeit anders, aber nicht einmal seinen echten Vornamen möchte er nennen. Zu dem Gespräch in einem Straßencafé an der Uferpromenade von Limassol hat er sicherheitshalber einen zyprischen Anwalt mitgebracht, als Zeugen.
Auch der möchte anonym bleiben. „Diskretion ist alles“, sagt Andrej. 2008 kam er als Manager eines staatlichen russischen Energiekonzerns auf die Insel. Als sein Vertrag auslief, machte sich der 52-Jährige als Unternehmensberater auf Zypern selbständig. Jetzt ist er zyprischer Staatsangehöriger – und EU-Bürger. In 146 Länder kann Andrej mit dem zyprischen Pass ohne Visum reisen. Das Dokument hat allerdings seinen Preis: knapp 2,5 Millionen Euro hat der Russe in ein Penthouse und zwei Büroetagen in Limassol investiert. „Ehrlich verdientes Geld, ordentlich versteuert“, beeilt sich der Anwalt zu versichern. Vier Monate später hatte Andrej seinen Pass. „Mir hat es immer schon auf Zypern gefallen, aber jetzt fühle ich mich hier richtig zuhause“, sagt der Russe zufrieden.
Ausländer, die in Zypern mindestens zwei Millionen Euro plus Mehrwertsteuer in Immobilien investieren und mindestens drei Jahre lang nicht weiterverkaufen oder 2,5 Millionen in zyprische Staatsanleihen stecken, können die Staatsbürgerschaft der Inselrepublik beantragen. Bedingung: Der Investor darf nicht vorbestraft sein. Mit dem Einbürgerungsmodell wollte die Regierung des konservativen Inselpräsidenten Nikos Anastasiades die krisengeplagte Wirtschaft ankurbeln. Das hat funktioniert. Rund 2000 Reisepässe habe man bisher an ausländische Investoren vergeben, berichtete Finanzminister Harris Georgiades kürzlich. Rund vier Milliarden Euro flossen so im vergangenen Jahr ins Land. Das entspricht mehr als einem Fünftel des letztjährigen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zum Vergleich: Mit dem Tourismus verdiente die Insel „nur“ 2,4 Milliarden.
Vor allem die schwer gebeutelte Bauindustrie profitiert von dem Pass-Programm. Als die Insel wegen ihres aufgeblähten Bankensektors 2012 in den Strudel der Griechenlandkrise geriet, brachen die Immobilienpreise um 30 bis 40 Prozent ein. „Aber seit 2015 geht es wieder aufwärts“, berichtet der Immobilienberater Vasilis Iosif. „Die Nachfrage zieht an, die Preise steigen“, sagt der Experte. „Vom Preisniveau des Immobilienbooms nach dem EU-Beitritt Mitte der 2000er Jahre sind wir aber noch weit entfernt“, so Iosif. Billig ist die Insel dennoch nicht. Für eine neue Wohnimmobilie in Küstennähe muss man auf Zypern etwa 3000 bis 5000 Euro pro Quadratmeter ausgeben, mitunter werden 8000 Euro und mehr verlangt. „Vor allem die russischen und chinesischen Käufer treiben den Markt“, weiß Iosif. „Für viele von ihnen ist der Preis zweitrangig, ihnen geht es vor allem um den Pass.“
Rund die Hälfte der 2000 bisher vergebenen Pässe ging an Russen. Aber auch Chinesen, Libanesen und Israelis nutzen das Programm. Auch andere EU-Staaten wie Malta und Portugal locken ausländische Investoren mit der Staatsbürgerschaft. „Aber auf Zypern geht es besonders schnell“, weiß Andrejs Anwalt: „Normalerweise sind die Prozeduren in drei Monaten nach Unterzeichnung der Kaufverträge erledigt und der Pass wird ausgestellt.“
Andrej ergänzt: „Für Zypern spricht außerdem, dass wir hier willkommen sind.“ Rund 30.000 Russen leben auf der Insel. Ihre Präsenz ist nicht zu übersehen. Gleich neben dem Straßencafé befindet sich eine Filiale der Russian Commercial Bank, an der nächsten Straßenecke gibt es eine Lukoil-Tankstelle. Es gibt einen russischen Radiosender und eine russische Zeitung. Viele Geschäfte und Restaurants werben mit kyrillischer Schrift um Kunden. In den Bars von Limassol hat der Wodka längst den Brandy Sour verdrängt, das traditionelle Getränk aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft.
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