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Geldpolitische Tagung in Jackson Hole Auch das Bargeld im Visier

Notenbanken haben mit Negativzinsen und Anleihekäufen alte Tabus gebrochen. Für die Zukunft sollten sie ihren Werkzeugkasten sogar erweitern, fordern einige Experten. Einblick in die Experimentierküche der Geldpolitik.
28.08.2016 - 14:51 Uhr Kommentieren
Jackson Hole im Grand Teton Nationalpark in Wyoming: US-Notenbankvize Stanley Fischer (v.l.), Fed-Chefin Janet Yellen und Bill Dudley, Chef der New Yorker Fed. Quelle: AP
Tagung vor malerischer Kulisse

Jackson Hole im Grand Teton Nationalpark in Wyoming: US-Notenbankvize Stanley Fischer (v.l.), Fed-Chefin Janet Yellen und Bill Dudley, Chef der New Yorker Fed.

(Foto: AP)

New York Negative Zinsen? Kein Problem, sagt Marvin Goodfriend von der Carnegie Mellon University. Im Gegenteil, der Professor schlägt vor, die Geldpolitik „von der Nulllinie zu befreien“. Der Experte ist nur einer von vielen Professoren, die nach Jackson Hole in die Berge Wyomings geflogen sind, um die Zukunft der Notenbanken zu diskutieren. Sein Vorschlag ist besonders provozierend, aber keineswegs der einzige, der weit über das hinausgeht, was bisher als „normal“ galt in der Geldpolitik.

Auf der Tagung hat Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Doch das Tagungsprogramm befasst sich vor allem mit langfristigen Perspektiven der Geldpolitik. Und auf längere Sicht gibt es die Befürchtung, dass Notenbank-Zinsen im aktuellen Zyklus nur wenig erhöht werden können – vor allem, weil das weltweite Wachstum schwächelt. Yellen hat diese Befürchtungen auf der Tagung bestätigt. Und zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von Deutsche-Bank-Volkswirt Peter Hooper: Wenn das Wachstum in den USA bei zwei Prozent verharre, könne die Fed danach auf Jahre hinaus ihren Leitzins kaum bis auf drei Prozent erhöhen, ohne die Wirtschaft zu bremsen. Und dabei ist schon unterstellt, dass die Inflation auf den gewünschten Wert von zwei Prozent steigt, den sie bisher unterschreitet.

Abschaffung von Bargeld

Ökonom Goodfriend glaubt vor diesem Hintergrund, dass negative Zinsen zum normalen Instrumentarium der Notenbanken gehören sollten. Er vergleicht den Abschied von der Nulllinie mit der Ablösung des Goldstandards im 20. Jahrhundert. Während bis heute manche Goldfans, darunter der abgeschlagene US-Präsidentschaftskandidat Ted Cruz, davon träumen, Währungen durch eine neuerliche Bindung ans Edelmetall zu stabilisieren, hat Goodfriend eine völlig andere Perspektive. Der Goldstandard, sagt er, hat die Geldpolitik und damit das Preisniveau den Schwankungen des Goldpreises ausgesetzt.

Durch die Lösung vom Edelmetall können die Notenbanker mit ihrer Zinspolitik effektiver für stabile Preise sorgen. Und wenn die Preise zu sinken drohen, obwohl die Notenbank ihre Zinsen nahe null gesenkt hat? Dann sollten die Notenbanken die Zinsen unter null senken. So ließe sich der Einsatz anderer problematischer Instrumente vermeiden, argumentiert der Professor – also die umstrittene Aufblähung der Notenbankbilanz durch Ankäufe von Wertpapieren. Im Bundesfinanzministerium etwa wird in einer internen Vorlage aktuell scharf kritisiert, dass sich durch das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank die Zinsen etwa für italienische Staatspapiere trotz größerer Risiken für die Eigner an die von Deutschland und Frankreich angenähert hätten, wie der „Spiegel“ berichtet.

Goodfriend diskutiert drei Varianten, um Hindernisse für negative Zinsen aus dem Weg zu räumen. Nummer eins: die Abschaffung von Bargeld. Damit würde sehr einfach vermieden, dass die Bürger, wenn die Zinsen zu tief abtauchen, ihre Konten plündern und das Bargeld im Garten vergraben oder im Tresor einschließen. Der Professor räumt ein, dass der Vorschlag mit praktischen Hindernissen verbunden ist. Eine andere Variante ist im Grunde eine Erweiterung von Nummer eins: das Bargeld abschaffen und durch eine Art elektronischer Währung ersetzen, die sich dann nicht mehr „abheben“ lässt. Dafür müsste aber ein ganz neues technisches System geschaffen werden.

Das dritte Konzept ist ausgefuchster. Danach soll die Bindung von Buchgeld und Bargeld gelockert werden. Wer 100 Euro abheben will, muss dafür je nach Marktlage etwa 105 Euro oder 110 Euro abbuchen lassen, um den fehlenden Minuszins beim Bargeld auszugleichen. Das Problem hier: Alle Verträge müssten eindeutig auf Buchgeld umgeschrieben werden, der Klarheit wegen.

Mittel gegen den Kollaps

Andere Ideen klingen weniger verrückt, würden aber letztlich auch eine Abwendung von der Normalität bedeuten. So schlägt Jeremy Stein, bekannt als früherer Fed-Gouverneur, zusammen mit zwei Harvard-Kollegen vor, die Fed solle ihre aufgeblähte Bilanzsumme beibehalten. Seine Idee: Die Notenbank könnte in noch größerem Umfang als bisher dem US-Geldmarkt kurzfristige Anlagemöglichkeiten zur Verfügung stellen. Damit würde sie andere Kurzfristanlagen „verdrängen“. Das sollte zu einer Stabilisierung des gesamten Finanzsystems beitragen, in dem zurzeit zu viele langfristige Anlagen kurzfristig refinanziert werden, was bei Krisen zum Kollaps führen kann.

Schon im Vorfeld der Tagung hatte John Williams, Chef des Fed-Zweigs in San Francisco, vorgeschlagen, das Inflationsziel von bisher zwei Prozent anzuheben oder durch ein anderes geldpolitisches Ziel zu ersetzen, etwa ein bestimmtes nominales Wirtschaftswachstum. Yellen hat in ihrer Einführungsrede zur Konferenz eingeräumt, dass künftig möglicherweise ganz neue Instrumente zum Einsatz kommen könnten und ausdrücklich den Vorschlag von Williams erwähnt – ohne ihn aktuell in Erwägung zu ziehen. Die Jungs durften sich in Jackson Hole in der geldpolitischen Experimentierküche mal austoben. Aber Mutti sorgt dafür, dass nichts anbrennt.

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