HDE-Konsumbarometer Die deutschen Verbraucher fassen wieder Mut

Ökonomen sind sich ungewiss, ob eine niedrigere Umsatzsteuer den Konsum tatsächlich ankurbelt.
Düsseldorf Für viele Verbraucher ist das Glas offenbar schon wieder halbvoll – und nicht halbleer. Das signalisiert das HDE-Konsumbarometer, das das Handelsblatt Research Institute monatlich für den Handelsverband HDE berechnet. Das Barometer für Juli stieg um fast drei Punkte und hat damit den heftigen Einbruch im Mai nahezu wettgemacht. Sowohl die Konjunkturerwartungen als auch die Einkommenserwartungen und die Anschaffungsneigung der Konsumenten legten deutlich zu.
Das Barometer basiert auf einer repräsentativen Verbraucherbefragung. Es ist in die Zukunft gerichtet und sagt die Entwicklung der kommenden drei Monate voraus. Bereits im Mai hatte der Einzelhandel Rekordzuwächse gemeldet. Commerzbank Research hält es sogar für möglich, dass der Einzelhandelsumsatz im zweiten Quartal sich auf dem Niveau des ersten Quartals bewegt hat.
Das HDE-Barometer signalisiert nun, dass die Erholung des privaten Konsums in den kommenden Monaten weiter kräftig voranschreiten dürfte. Für Juli notiert der Indikator nun bei 96,34 Zählern, nach 93,51 Punkten für den Vormonat.
Gleichwohl zeigen die amtlichen Daten zu den Einzelhandelsumsätzen, dass es auch große Verlierer geben dürfte. Während der Internet- und Versandhandel weiter boomt, war der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren im Mai um mehr als ein Fünftel geringer als im Vorjahresmonat. Auch der Einzelhandel mit Waren verschiedener Art, zu dem Waren- und Kaufhäuser zählen, musste deutliche Rückgänge hinnehmen.
Echtzeitindikatoren signalisieren hingegen eine deutliche Belebung in den Innenstädten: Ende Juni wurden fast so viele Restaurantbesuche wie vor einem Jahr registriert, der Nicht-Lebensmittel-Einzelhandel meldete lediglich noch rund zehn Prozent weniger Publikum als zu Zeiten vor Corona, und auch die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr legten weiter zu.
Nach drei kräftigen Sprüngen in Folge notiert der Markit-Composite-Einkaufsmanagerindex für Deutschland mit 47 Zählern nun nicht mehr weit unter der 50-Punkte-Schwelle, ab der Wachstum signalisiert wird.
Umsatzsteuersenkung soll weiteren Konsum ankurbeln
Für einen weiteren Push könnte die zum 1. Juli in Kraft getretene temporäre Umsatzsteuersenkung sorgen. Rund 20 Milliarden Euro lässt es sich der Fiskus kosten, dass der Regelsatz sechs Monate lang von 19 auf 16 Prozent und der reduzierte Satz von sieben auf fünf Prozent sinkt. Die Hoffnung ist, dass Dienstleister, Hersteller und Handel die Entlastung an die Verbraucher weitergeben und diese das eingesparte Geld in zusätzlichen Konsum stecken – und nicht sparen.
In welchem Umfang dieses Kalkül aufgeht, ist nach Ansicht von Ökonomen ungewiss. So könnten Teile der Wirtschaft die Steuersenkung nicht weitergeben und stattdessen versuchen, ihre Margen zu erhöhen. Außerdem ist es möglich, dass Verbraucher das durch die Steuersenkung eingesparte Geld nicht ausgeben, sondern sparen.
Auch das übrige Europa erholt sich allmählich von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Das EU-Wirtschaftsklima für Juni kletterte um 8,1 Punkte auf 74,8 Punkte. Der Indikator wird im Auftrag der EU-Kommission durch eine EU-weite Befragung erhoben und ist auf ein langfristiges Mittel von 100 skaliert. Werte über 100 deuten auf ein überdurchschnittlich gutes wirtschaftliches Klima hin und umgekehrt.
Da die übrigen EU-Staaten mit Abstand wichtigster Handelspartner Deutschlands sind, würde die exportstarke Industrie stark von einer wirtschaftlichen Erholung in den Mitgliedstaaten profitieren. Mit Ausnahme von Griechenland und Malta verbesserte sich das Klima in allen 27 EU-Staaten. Die stärksten Zuwächse meldeten Dänemark, die Slowakei sowie Portugal und Polen.
Trotz der wachsenden Zuversicht bleibt jedoch klar: Der Weg zurück zur Normalität ist noch weit und steinig. Erfahrungsgemäß zeigen sich viele sichtbare Folgen einer Krise wie Firmenpleiten und steigende Arbeitslosigkeit erst mit mehreren Monaten Verzögerung, wenn die Möglichkeiten zur Kurzarbeit ausgeschöpft sind. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform befürchtet daher für Deutschland eine Insolvenzwelle in der zweiten Jahreshälfte, wenn die von Staat bereitgestellten Nothilfen aufgezehrt sind und die befristete Aussetzung der Insolvenzpflicht ausläuft.
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