Konjunktur Auftragsplus der deutschen Industrie fällt schwächer als erwartet aus

Die Autoindustrie muss nicht nur die Coronakrise bewältigen, sondern auch den Strukturwandel.
Berlin Die Auftragsbücher der deutschen Industrie haben sich im Juli den dritten Monat in Folge gefüllt. Die Bestellungen wuchsen um 2,8 Prozent zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten allerdings mit einem größeren Plus von 5,0 Prozent gerechnet.
Dies lag vor allem an der geringeren Binnennachfrage. Die Auslandsaufträge wuchsen dagegen nach dem Ende der Corona-Rezession bei wichtigen Handelspartnern um 14,4 Prozent. „Nach der ersten Belebung im Mai und der starken Erholung im Juni hat sich der Aufholprozess der Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe im Juli verlangsamt“, betonte das Ministerium. Der Aufholprozess „dürfte sich auch in den nächsten Monaten fortsetzen“. Das Ministerium erwartet den Aufstieg auch angesichts sinkender Kurzarbeit und verbesserter Geschäftserwartungen der Firmen.
Im Juni hatte es ein Rekordwachstum von revidiert 28,8 (bisher: 27,9) Prozent gegeben. Trotz der Aufholjagd liegen die Bestellungen immer noch unter dem Vorkrisenniveau: Im Vergleich zum Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, ist der Auftragseingang noch um 8,2 Prozent niedriger.
Die Aufträge aus Deutschland sanken im Juli um 10,2 Prozent, die aus dem Ausland wuchsen hingegen um 14,4 Prozent. Dabei legten die Bestellungen aus der Euro-Zone um 7,3 Prozent zu, die aus dem restlichen Ausland um 19,2 Prozent.
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„Die deutsche Wirtschaft atmet durch“, kommentierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank die Zahlen. „Allerdings sollte bei aller Freude nicht in Vergessenheit geraten, dass die Lage im verarbeitenden Gewerbe bereits vor der Corona-Pandemie eine schwierige war.“
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gibt sich vorsichtiger. „Der Rückgang der Bestellungen aus dem Inland hingegen zeigt, dass die Hoffnungen auf eine schnelle Erholung verfrüht sind“, erklärte DIHK-Expertin Melanie Vogelbach. „Zahlreiche Unternehmen hierzulande könnten die negativen Folgen der Pandemie noch zu spüren bekommen.“
Schlimmste Schmerzen sind gelindert
Sind die während der Krise liegengebliebenen Aufträge erst einmal abgearbeitet, dürfte es danach wieder schwieriger werden. „Die leicht erreichbaren Früchte sind geerntet, jetzt wird die konjunkturelle Aufholjagd an Dynamik einbüßen“, warnte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch.
Dazu trägt bei, dass die Lage in vielen Bereichen bereits vor der Corona-Pandemie schwierig war. „Der Strukturwandel in der Automobilbranche belastet“, nannte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, ein Beispiel. „Die schlimmsten Schmerzen mögen gelindert sein, chronische wirtschaftliche Verspannungen bleiben dem verarbeitenden Gewerbe vorerst erhalten.“
Noch immer bremsten eine verminderte Nachfrage, ausbleibende Investitionen, Störungen in den Lieferketten und Einschränkungen bei Geschäftsreisen die Industrie. Hinzu kommt: Trotz der Aufholjagd liegt der Auftragseingang noch um mehr als acht Prozent unter dem Niveau vom Februar 2020 – dem Monat vor Beginn der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie.
Das Bruttoinlandsprodukt ist wegen der Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie im zweiten Quartal in Rekordtempo eingebrochen. Es fiel um 9,7 Prozent niedriger aus als im Vorquartal. Für das laufende Sommerquartal wird wieder ein kräftiges Wachstum erwartet. Die Commerzbank-Ökonomen rechnen mit einem Plus von neun Prozent beim Bruttoinlandsprodukt.
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