Konjunktur Chinas Verbraucher sind verunsichert: Die Stimmung in der zweitgrößten Wirtschaft der Welt trübt sich ein

Die Pandemie belastet die Stimmung der chinesischen Unternehmen.
Berlin Die Stimmung in China trübt sich weiter ein. Der am Dienstag veröffentlichte staatliche Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Dienstleistungssektor fiel im August auf 47,5 Punkte – im Vormonat hatte er noch bei 53,3 Punkten gelegen. Ein Wert über 50 zeigt Wachstum an, während alles unter 50 auf Konsolidierung hinweist.
Auch der Aktivitätsindikator des verarbeitenden Gewerbes verschlechterte sich im gleichen Zeitraum – er fiel von 50,4 Punkten auf 50,1 Punkte. Der staatlich ermittelte PMI bildet vor allem die Einschätzungen von großen und staatlichen Unternehmen ab und wird monatlich durch Umfragen erhoben.
Die jüngsten Daten bestätigen: Chinas Wirtschaftswachstum kühlt sich ab. Zwar ist die Volksrepublik aufgrund der drakonischen Einschränkungen für ihre Einwohner im Vergleich zu anderen Ländern schnell aus der Coronakrise gekommen. Doch die Erholung der Wirtschaft fußte von Beginn an vor allem auf einer Erhöhung der Industrieproduktion, die sich auf hohe Infrastrukturausgaben des Staates und einen hohen Export gestützt hatte. Der Konsum hinkte im Vergleich mit der Industrieproduktion hinterher.
Die Gründe für die Abkühlung sind neue Corona-Infektionen, knappe Rohstoffe und angeschlagene Lieferketten – und erstmals wirken sich auch neue Regulierungsvorschriften der Regierung in Peking negativ auf die Stimmung aus, etwa im Weiterbildungssektor. Ökonomen erwarten keine schnelle Trendwende.
Die Experten führen die vergleichsweise schlechten Daten unter anderem auf die hohe Unsicherheit in der Bevölkerung aufgrund der Ausbreitung der deutlich ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus zurück. Wegen steigender Infektionszahlen haben die chinesischen Staats- und Lokalführungen drastische Maßnahmen ergriffen. So verhängten sie Reiseverbote, sprachen für Tausende Menschen Quarantäne aus und führten Massentests in Großstädten durch.
Delta-Ausbruch gravierender als angenommen
„Die Menschen haben ihre Reisen quer durch die Provinzen verschoben, weil sie befürchten, dass sie außerhalb ihrer Heimatstädte festgehalten werden, falls in einer Touristenstadt Covid-Fälle entdeckt werden“, erläutert Iris Pang, Chefökonomin für Greater China bei der ING Bank.
Laut Chang Shu, Chefökonom für Asien bei Bloomberg, zeigt der Einbruch des chinesischen Einkaufsmanagerindex für das nicht verarbeitende Gewerbe, dass die Auswirkungen des Delta-Ausbruchs viel gravierender gewesen seien, als man erwartet habe.
Am stärksten betroffen sind laut Zhao Qinghe vom Nationalen Statistikamt in China das Transportwesen, das Gaststätten-, das Beherbergungs- und das Unterhaltungsgewerbe. Positiver sieht es Zhao zufolge hingegen im Baugewerbe aus. Der Unterindex zeigte dort einen leichten Zuwachs. Auch in der Agrarwirtschaft sowie bei Unternehmen für Schiffs- und Raumfahrtprodukte fielen die Daten demnach vergleichsweise positiv aus.
China hatte wegen der verschärften Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus seinen wichtigen Containerhafen in Ningbo deutlich gedrosselt, was sich negativ auf die weltweiten Lieferketten, aber auch auf die in der Volksrepublik ausgewirkt hatte. Zudem haben die chinesischen Unternehmen damit zu kämpfen, dass Rohstoffe, die sie für ihre Produktion brauchen, knapp und teurer werden.
Asiatische Aktienmärkte unter Druck
Die asiatischen Aktienmärkte zeigten sich nach Verkündung der Zahlen schwächer. Der chinesische Aktienindex CSI 300 fiel am Dienstag zeitweise um bis zu 1,5 Prozent. Grund dafür dürften aber nicht nur die jüngsten Konjunkturdaten, sondern auch die weiteren Maßnahmen gegen private Unternehmen sein, die die chinesische Staatsführung verkündet hat. Demnach dürfen Minderjährige in der Volksrepublik nur noch drei Stunden pro Woche mit Online-Spielen verbringen. In den kommenden Monaten werden weitere schärfere Regeln für den Tech-Sektor erwartet.
China-Ökonomin Pang und andere Analysten rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Stimmung in Chinas Wirtschaft im September, unter anderem aufgrund des anhaltenden weltweiten Engpasses bei der Versorgung mit Chips. „Die Abschwächung des nicht verarbeitenden Gewerbes dürfte sich im September fortsetzen, da der Arbeitsmarkt ins Wanken geraten ist, was sich auf den Verbrauch auswirken wird“, so Pang. Unter anderem habe die Schließung von Weiterbildungszentren als Folge der staatlichen Regulierungswelle den Arbeitsmarkt belastet. Pang prognostiziert zudem, dass der Chipmangel die Wirtschaft zumindest noch im kommenden Jahr, vielleicht sogar noch 2023 belastet.
Chinas Wirtschaft hatte im zweiten Quartal zuletzt zwar um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugelegt, doch historisch betrachtet war das Wachstum enttäuschend ausgefallen. Weitere Einblicke in den Zustand der chinesischen Wirtschaft werden am Mittwoch erwartet, wenn der Caixin-PMI vorgelegt wird. Der Indikator wird von einem privaten Medienunternehmen erhoben und ist mehr auf kleinere private Unternehmen fokussiert als der staatlich ermittelte offizielle PMI.
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