Konjunktur Deutsche Industrie wächst kräftig – US-Industrie auf höchstem Stand seit Februar 2018

Die Exportaufträge in China schrumpften bereits den zweiten Monat in Folge.
Peking, Berlin, Brüssel, Washington In der deutschen Industrie ist es im Februar trotz gestörter Lieferketten so gut gelaufen wie seit über drei Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex kletterte inmitten der zweiten Corona-Welle um 3,6 auf 60,7 Punkte, wie das Institut IHS Markit am Montag zu seiner Umfrage unter Hunderten Unternehmen mitteilte. Das Barometer hielt sich damit weit über der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert. „Dank der positiven Entwicklung des Exportgeschäfts verzeichnete Deutschlands Industrie auch im Februar wieder kräftiges Wachstum“, sagte Markit-Ökonom Phil Smith. Besonders die Nachfrage aus China, aber auch aus den USA und Europa habe zugenommen.
Allerdings gebe es auch einen Wermutstropfen. „Der Druck auf die Lieferketten hat sich weiter verschärft“, sagte Smith. „Mehr Unternehmen als jemals zuvor in fast 25 Jahren Datenerfassung meldeten Lieferverzögerungen.“ Wegen der zweiten Corona-Welle sind Grenzkontrollen eingeführt worden. Industrieverbände warnten deshalb vor einer Unterbrechung der Lieferketten. Wegen Lieferengpässen zogen auch die Einkaufspreise der Unternehmen an. Sie gaben den finanziellen Mehraufwand auch häufiger weiter an ihre Kunden, was zum stärksten Anstieg der Verkaufspreise seit fast zweieinhalb Jahren führte.
Die Industrie hat sich zuletzt als Stütze der Konjunktur erwiesen, da sie vom anziehenden Exportgeschäft profitiert. Sie dürfte aber im laufenden ersten Quartal ein Schrumpfen des Bruttoinlandsproduktes nicht verhindern, da wegen des Lockdowns weite Teile der Wirtschaft – vom Einzelhandel bis zum Gastgewerbe – lahmgelegt sind.
Auch die Industrie in der gesamten Euro-Zone legte im Februar einen Zahn zu: Hier kletterte der Einkaufsmanagerindex um 3,1 auf 57,9 Punkte und signalisiert damit ebenfalls ein robustes Wachstum. Es ist der höchste Wert des auf einer Umfrage basierenden Indikators seit drei Jahren. „Die Industrie entwickelt sich seit Jahresbeginn immer mehr zum Lichtblick der Euro-Konjunktur“, sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. „Die Unternehmen profitieren momentan von der boomenden Inlands- und Exportnachfrage, angetrieben von Hoffnungen auf einen Nach-Corona-Aufschwung und eine Konsumsteigerung.“
Der Indikator liegt schon seit mehreren Monaten klar über der Wachstumsgrenze von 50 Punkten. Laut Markit hat sich die Stimmung in allen Ländern der Eurozone bis auf Griechenland verbesser. Das solide Wachstum des Industriesektors helfe dabei, die anhaltende Corona-Schwäche in vielen konsumorientierten Branchen wettzumachen, sagte Williamson. Die Auswirkungen der jüngsten Corona-Maßnahmen würden dadurch in vielen Ländern abgemildert. Schon seit längerem sind der Handel und die Dienstleister wesentlich stärker von den Beschränkungen des öffentlichen Lebens betroffen als die Industrie.
US-Industrie nimmt ebenfalls Fahrt auf
Die US-Industrie gewinnt überraschend stark an Dynamik. Der Einkaufsmanager-Index stieg im Februar um 2,1 auf 60,8 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit Februar 2018, wie aus der am Montag veröffentlichten Firmenumfrage des Institute for Supply Management (ISM) hervorgeht. Von Reuters befragte Experten hatten weitgehend mit einer Stagnation gerechnet.
„Das Stimmungsbarometer der Industrie steigt unerwartet kräftig und liegt auf hohem Niveau, so dass die freundliche Perspektive in der Branche bestehen bleibt“, erklärte Helaba-Volkswirt Ralf Umlauf. Die amerikanische Notenbank (Fed) werde gleichwohl an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten, denn Corona-Mutationen „bergen das Risiko einer Verlängerung der Krise“. Dies könnte besonders die Dienstleister belasten.
Der US-Immobilienmarkt erhielt derweil weiter Rückenwind. Die Bauausgaben stiegen im Januar um 1,7 Prozent auf den Rekordwert von 1,5 Billionen Dollar, wie das Handelsministerium mitteilte. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Statistik 2002. Experten hatten nur mit einem Anstieg von 0,8 Prozent gerechnet, nach einem Plus von revidiert 1,1 Prozent im Dezember.
Chinas Industrie wächst so langsam wie seit neun Monaten nicht mehr
Die chinesische Industrie ist im Februar wegen der schwächeren Nachfrage von Handelspartnern, die wegen der Coronakrise unter Druck stehen, so langsam gewachsen wie seit neun Monaten nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex fiel um 0,6 auf 50,9 Punkte, wie das Markit-Institut am Montag zu seiner monatlichen Umfrage mitteilte. Das Barometer hielt sich aber über der Marke von 50.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten allerdings einen unveränderten Wert von 51,5 erwartet. „Die Hersteller betonten die Auswirkungen des Aufflackerns von Covid-19 im Winter sowie der Pandemie in Übersee“, sagte Ökonom Wang Zhe von der Caixin Insight Group.
Die Exportaufträge schrumpften deshalb bereits den zweiten Monat in Folge. In den Fabriken wurden sogar den dritten Monat Arbeitsplätze abgebaut, und das in einem schnelleren Tempo. „Die Unternehmen hatten es nicht eilig, freie Stellen zu besetzen“, fügte Wang hinzu. Allerdings blicken die Industriebetriebe deutlich optimistischer nach vorn. Dieses Barometer erreichte mit 63,0 Punkten den höchsten Stand seit Oktober 2020.
Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dürfte in diesem Jahr nach Prognosen von Ökonomen kräftig wachsen. Die Experten von HSBC prognostizierten ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 8,5 Prozent. Sie erwarten, dass der Exportweltmeister von der Erholung des Welthandels profitieren wird.
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