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Konjunktur Plus nur bei 1,8 Prozent: Warum Deutschland aktuell vom Rest Europas abgehängt wird

Vom Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist wenig zu sehen – anders als in der EU insgesamt, zeigen die aktuellen BIP-Zahlen. Die eigene Industrie bremst das Wachstum.
29.10.2021 Update: 29.10.2021 - 13:10 Uhr Kommentieren
Lieferengpässe machen derzeit vor allem der Autoindustrie zu schaffen. Quelle: dpa
VW-Werk in Hannover

Lieferengpässe machen derzeit vor allem der Autoindustrie zu schaffen.

(Foto: dpa)

Berlin Europa wächst, Deutschland lahmt. Das zeigen die am Freitag veröffentlichten Schnellschätzungen für das Wirtschaftswachstum. Im dritten Quartal hat Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) voraussichtlich um 1,8 Prozent zugelegt, gab das Statistische Bundesamt bekannt.

Damit ist das Wachstum geringer als im Vorquartal, für das die Statistiker den Wert auf 1,9 Prozent nach oben korrigierten. Die Bundesrepublik liegt im dritten Quartal 0,3 Punkte unter dem Durchschnitt der Europäischen Union, wie aus den Zahlen des Statistikamts Eurostat hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum beträgt der Unterschied 1,4 Prozentpunkte.

Damit ist klar: Andere Länder kommen mit deutlich mehr Schwung aus der Krise, der Wegfall von Coronamaßnahmen trifft dort auf eine hohe private Nachfrage. In Italien etwa ist das BIP im dritten Quartal um 2,6 Prozent gewachsen, in Österreich sind es 3,3 Prozent.

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Für das Auseinanderdriften gibt es zwei Gründe. Zunächst handelt es sich um eine Konsequenz aus der Krise: Während Deutschland die Pandemie recht gut überstanden hat, brachen viele andere europäische Volkswirtschaften deutlich stärker ein.

Umso mehr holen die anderen Länder jetzt auf. „Deutschland hat ein geringeres Erholungspotenzial“, sagt Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Trotz des lahmenden Aufschwungs ist Deutschland nur noch 1,1 Prozent vom Vorkrisenniveau des BIP entfernt.

Spaniens Wirtschaft etwa brach im vergangenen Jahr um fast elf Prozent ein, Italiens um neun, Deutschland musste hingegen nur einen Rückgang von 4,8 Prozent verkraften. Dennoch lag die Bundesrepublik damit nur im Mittelfeld der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa.

Deutschland leidet stärker unter globalen Lieferengpässen

Der Hauptgrund für den nun lahmenden Aufschwung liegt in der wirtschaftlichen Struktur des Landes und den damit massiven Auswirkungen der globalen Lieferengpässe. „Das verarbeitende Gewerbe ist davon besonders betroffen und hat hierzulande einen vergleichsweise hohen Anteil“, sagt Holtemöller. Ein Fünftel macht es an der Wertschöpfung aus. Allein die Automobilindustrie, die wie nie zuvor am Mangel von Halbleitern leidet, kommt auf rund fünf Prozent.

In Ländern wie Italien oder Spanien liegt der Industrieanteil lediglich bei rund 13 Prozent an der Wertschöpfung. Seit Monaten darbt die Industrieproduktion wegen fehlender und teurer Rohstoffe und Vorleistungen. „Das schlägt jetzt voll durch“, sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Die hohe Nachfrage nach der Pandemie und Einschränkungen in der Logistik machen sich bemerkbar.

Vor den großen Häfen in den USA und China stauen sich die Schiffe. Ein „kühler Herbstwind“ überziehe die deutsche Wirtschaft, hatte der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch gesagt, als er aufgrund der Lieferkettenproblematik seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr kappen musste.

Unternehmen in Deutschland können Aufträge nicht ausführen

Das Ifo-Institut schätzt die bislang durch Lieferengpässe ausgelösten Wertschöpfungsverluste in der deutschen Industrie auf knapp 40 Milliarden Euro. „Das ist gut ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands in einem Jahr“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Für das vierte Quartal 2021 rechnet das Ifo-Institut jetzt nur noch mit einem Wachstum von 0,5 Prozent statt bislang 1,3 Prozent. Die Auftragsbücher der deutschen Unternehmen sind zwar voll. Doch können sie die Aufträge nicht abarbeiten. Zahlen von Eurostat zeigen, wie sehr Deutschland getroffen ist.

Das Produktionsvolumen im verarbeitenden Gewerbe ist in 23 der 27 EU-Staaten zwischen dem letzten Quartal 2020 und dem zweiten Quartal 2021 gestiegen, teils deutlich. In den Niederlanden etwa steigerten die Firmen ihre Herstellung um sechs Prozent, in Griechenland waren es mehr als vier Prozent.

In Deutschland hingegen nahm die Produktion im gleichen Zeitraum um etwas mehr als ein Prozent ab. Ähnliche Rückgänge zeigten sich am ebenfalls starken Industriestandort Frankreich, in Nordmazedonien und Malta.

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Dass Deutschlands Wirtschaft aktuell dennoch wächst, hängt vor allem mit der im Vergleich zur Angebotsseite guten Nachfragelage zusammen. Das Wachstum im dritten Quartal 2021 sei vor allem von höheren privaten Konsumausgaben getragen, heißt es beim Statistischen Bundesamt.

200 Milliarden Euro Ersparnisse sollen die Deutschen während der Krise angestaut haben und wollen sie jetzt ausgeben. Die Dienstleistungsbranche ist derzeit die größte Stütze der Konjunktur. Die vielfach aufgehobenen Corona-Einschränkungen beleben das Geschäft.

Deutschland soll 2022 stärker wachsen als der EU-Durchschnitt

Die Hoffnung ist, dass sich die Lieferengpässe im kommenden Jahr größtenteils zurückbilden und Deutschland das ausgebliebene Wachstum nachholen kann, wenn die gute Auftragslage auf entsprechende Produktionsmöglichkeiten trifft.

Mit 4,8 Prozent Wachstum soll Deutschland 2022 über dem Durchschnitt der BIP-Entwicklung der EU liegen. Das EU-Wachstum schätzen die großen Wirtschaftsinstitute in ihrer Gemeinschaftsprognose auf 4,5 Prozent für 2022.

Auf Dauer hängt es aber an der Industrie und damit an der weiteren Entwicklung der Lieferengpässe, wie Deutschland dastehen wird, und damit auch, welchen finanziellen Spielraum die nächste Bundesregierung künftig haben wird. Sicherheit über diese weitere Entwicklung hat keiner.

Die meisten Konjunkturforscher zeigen sich für das nächste Jahr zwar recht optimistisch – doch Sorgen bleiben. „Die Zahlen geben wenig Anlass zur Hoffnung auf einen nachhaltigen, investitionsgetriebenen Aufschwung“, sagt DIHK-Geschäftsführer Wansleben. Nach Schätzung des DIHK wird das Vorkrisenniveau erst nach dem dritten Quartal 2022 erreicht.

Mehr: Die Inflation steigt, der Zins vorerst nicht – EZB hält an expansiver Geldpolitik fest.

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