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World Economic Outlook IWF revidiert Wachstumsprognose und warnt vor Inflationsspirale

Die Konjunkturerholung hält an, doch die Risiken verschärfen sich, warnt der Internationale Währungsfonds. Die Industrienationen leiden unter Lieferengpässen und Inflation.
12.10.2021 - 15:35 Uhr 1 Kommentar
„Das gefährliche Auseinanderklaffen der Wirtschaftsaussichten zwischen den Ländern gibt nach wie vor Anlass zu großer Sorge“, heißt es  beim IWF. Quelle: dpa
Containerhafen

„Das gefährliche Auseinanderklaffen der Wirtschaftsaussichten zwischen den Ländern gibt nach wie vor Anlass zu großer Sorge“, heißt es beim IWF.

(Foto: dpa)

Berlin, Washington Es klingt nach Krise, was der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem am Dienstag veröffentlichten World Economic Outlook (WEO) schreibt. Von einem „erhöhten Risiko sozialer Unruhen“, „realen Risiken“ und „weltweiten Folgen“ ist die Rede.

Dabei geht der Fonds für 2021 weiter von einem kräftigen Wachstum nach dem Einbruch im vergangenen Jahr aus. Doch der aktuelle WEO ist Warnung und Befürchtung zugleich, dass der Aufschwung einen beträchtlichen Dämpfer erhalten könnte.

Um 5,9 Prozent soll die globale Wirtschaftsleistung 2021 zunehmen, schätzen die IWF-Ökonomen. Ihre Prognose von Juli senken sie damit minimal ab. Für 2022 bleibt es bei der Erwartung von 4,9 Prozent.

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„Der weltweite Aufschwung hält an, aber die Dynamik hat sich abgeschwächt“, heißt es im WEO. Nach 2022 wird sich das Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Projektion zufolge mittelfristig auf etwa 3,3 Prozent abschwächen.

Gleich drei Konflikte machen den Aufschwung zu einem fragilen Konstrukt, allerdings mit großen Missverhältnissen zwischen den Regionen weltweit. Die Schwellen- und Entwicklungsländer leiden weiter enorm unter der Coronapandemie – und müssen langfristige Folgen durch das Virus fürchten.

Entwickelte Volkswirtschaften: Pandemie im Griff, Problemherde Lieferketten und Inflation

Die Industrienationen hingegen lösen sich aus der pandemischen Umklammerung, geraten aber in die nächsten Schwierigkeiten: ausufernde Lieferengpässe und riskante Inflationssteigerungen. „Das gefährliche Auseinanderklaffen der Wirtschaftsaussichten zwischen den Ländern gibt nach wie vor Anlass zu großer Sorge“, schreibt IWF-Chefökonomin Gita Gopinath.

Die Coronapandemie hat nahezu die gesamte Welt getroffen. Die entwickelten Volkswirtschaften aber haben längst das daraus resultierende konjunkturelle Tal überwunden.

60 Prozent der Bevölkerung in fortgeschrittenen Volkswirtschaften sind vollständig geimpft. „Wegen des wachsenden Impfschutzes der Bevölkerung wird die Wirtschaft im kommenden Winter voraussichtlich weit weniger belastet als zuvor“, sagt Geraldine Dany-Knedlik, Expertin für Weltwirtschaft am Deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut (DIW).

Gefeit vor pandemiebedingten Verwerfungen sind die Industrienationen trotzdem nicht. Mit 5,2 Prozent liegen die Wachstumsaussichten unter dem Durchschnitt. In vielen Ländern hat im verarbeitenden Gewerbe eine Spaltung eingesetzt: Die Auftragsbücher sind zwar voll und die Konsumlaune ist hoch, doch die Produktion kommt nicht hinterher.

Die Lieferketten machen erhebliche Probleme. Manche Häfen sind aus Infektionsschutzgründen geschlossen, Container und Personal sind knapp.

In der Folge fehlt es an Vorprodukten und Rohstoffen. Und wenn diese doch ankommen, sind sie umso teurer. Daraus resultiert die nächste Schwachstelle: die Inflation. In seinem Basisszenario rechnet der IWF in den letzten Monaten dieses Jahres mit Preissteigerungen von 3,6 Prozent in den entwickelten Volkswirtschaften. Danach würden wieder Raten wie vor der Krise erreicht – Mitte 2022 nur noch zwei Prozent.

Aber es könnte auch anders kommen. In einem Extremszenario würde sich der Anstieg des Preisniveaus 2022 bei drei Prozent einpendeln. Das wäre eine durchaus problematische Entwicklung.

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Die allgemeine Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Preisniveaus sei ausgeprägt, weil nicht klar sei, wann die vorübergehenden Effekte tatsächlich verschwänden: „Diese Ungewissheiten schüren die Sorge, dass die Inflation zu einer sich selbst erfüllenden Inflationsspirale führen könnte“, schreibt IWF-Chefökonomin Gita Gopinath.

Höhere Inflationserwartungen machten das Sparen unattraktiver, stattdessen werde mehr konsumiert. Der IWF betont, seine eigene Prognose sei „mit erheblichen Unsicherheiten verbunden“. Die Organisation fordert daher eine „klare Kommunikation“, um Inflationsängste zu verhindern. Es brauche einen Plan für einen möglichen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik.

Schlaglicht Deutschland: Autos ohne Halbleiter

Die Lieferengpässe sind besonders in Deutschland ein Problem. Vor allem mangelt es an Halbleitern, was den volkswirtschaftlich so wichtigen Automobilsektor enorm trifft.

Gleichzeitig kann die exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht so viel ausführen, wie sie gern würde. Mit 3,1 Prozent erwartetem Wachstum in diesem Jahr ist der IWF im Vergleich zu anderen Wirtschaftsforschern aber noch vergleichsweise optimistisch.

Offensichtlich gehen die Ökonomen davon aus, dass ein größerer Teil der Lieferprobleme noch in diesem Jahr verschwinden wird. 2022 erwartet der IWF ein um 4,6 Prozent höheres Wirtschaftswachstum.

Die absehbaren Auswirkungen auf die Preise sollen dennoch enorm sein. Über das Gesamtjahr rechnet der IWF damit, dass die Verbraucherpreise in Deutschland bis zu vier Prozent steigen. Für den Euro-Raum liegt die Erwartung nur bei 2,9 Prozent.

Seit mehreren Monaten steigen die Preise in Deutschland. Zuletzt legte die Inflationsrate im September auf 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Gegenüber August stagnierte das Preisniveau.

Doch schon im nächsten Jahr soll sich das Inflationsklima hierzulande wieder abkühlen, nur noch bei 1,5 Prozent liegen und sich bis 2026 bei zwei Prozent einpendeln. Für Deutschland bleibe die durchschnittliche Inflation damit „begrenzt“, heißt es beim IWF.

Schlaglicht USA: Zwischen Wachstumsmotor und Investitionsblockade

Die USA sind und bleiben Wachstumsmotor – doch in kaum einem Land zeigt sich der Aufschwung so belastet wie in den Vereinigten Staaten. So prognostiziert der IWF für das laufende Jahr ein Wachstum von sechs Prozent. Allerdings musste der Fonds seinen Ausblick im Vergleich zum Sommer um einen Prozentpunkt nach unten korrigieren.

Zuletzt gab es in den USA einige Anzeichen für einen weniger kraftvollen Aufschwung, sowohl das Konsumklima als auch der Jobmarkt schwächeln – und die Lieferketten bereiten die meisten Schwierigkeiten.

Aktuell stauen sich Hunderte Frachtschiffe in amerikanischen Häfen, die Wartezeit beträgt Wochen. Der Arbeitskräftemangel verschärft die Situation, weil es schlichtweg zu wenig Hafenpersonal gibt. Der IWF legt nahe, dass die Krise länger anhalten könnte als zunächst angenommen.

Eine große Gefahr für den Aufschwung ist hausgemacht. Denn die Billionen-Investitionen, die US-Präsident Joe Biden zum Amtsantritt versprochen hatte, sind noch immer nicht umgesetzt.

Der IWF kalkuliert die mehr als vier Billionen teuren Pakete in seine Wachstumsprognosen mit ein – es wären die größten Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Sozialprogramme, die jemals in den USA am Stück getätigt wurden.

Die versprochenen Billionen-Investitionen sind noch immer nicht umgesetzt. Quelle: action press
US-Präsident Biden

Die versprochenen Billionen-Investitionen sind noch immer nicht umgesetzt.

(Foto: action press)

Allerdings ist für den Moment unklar, ob die Reformen jemals beschlossen werden. Der Präsident signalisierte zuletzt, dass die Investitionen deutlich kleiner ausfallen könnten. „Jede wesentliche Änderung [...] der Fiskalpakete wird Auswirkungen auf die Wachstumsaussichten der USA und ihrer Handelspartner haben“, warnt der Fonds.

Der IWF betrachtet die angespannte Stimmung im politischen Washington zunehmend mit Sorge. Bidens Vision eines nachhaltigen, dauerhaften Wachstums nach der Pandemie ist mit knappen Mehrheiten im Kongress kaum in die Realität umzusetzen.

Immerhin konnte der Kongress einen drohenden Staatsbankrott vorerst abwenden. Allerdings gilt der Beschluss nur bis Anfang Dezember, eine langfristige Einigung ist nicht in Sicht.

Schwellen- und Entwicklungsländer: Schleppende Impfkampagne birgt erhebliche Unsicherheiten

Die wirtschaftlich rückständigen Länder sind aktuell Wachstumstreiber – und doch das größte Risiko für die Weltkonjunktur. Mit 6,4 Prozent BIP-Wachstum sollen sie in diesem Jahr über dem globalen Durchschnitt liegen.

Doch es ist gut möglich, dass das Coronavirus ein längerfristiges Problem bleibt. „Jedes Land wird dem Coronavirus potenziell ausgesetzt und anfällig bleiben, solange sich der Erreger schnell durch ungeimpfte Bevölkerungen in jedem Teil der Welt ausbreiten kann“, sagt der britische Ökonom Nicholas Stern. 96 Prozent der Bevölkerung in Ländern mit niedrigem Einkommen seien nicht geimpft.

Die Befürchtung des IWF: „Ständig mit Covid-19 leben zu müssen bedeutet, dass die Aktivität in vielen kontaktintensiven Sektoren möglicherweise nie wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen werden.“

Das mittelfristige Abwärtsrisiko schätzt die Organisation auf mehr als einen Prozentpunkt weniger Wachstum pro Jahr. In der Pflicht sieht der IWF daher die Industrienationen-Zusammenschlüsse G7 und G20. Sie müssten schnell ärmere Länder mit Impfstoff versorgen. Auf dem Spiel stehen laut IWF ansonsten 5,3 Billionen Dollar globaler Wirtschaftsleistung.

Schlaglicht China: Schulden werden zum Problem

Mit fast fünfmal so viel Verbindlichkeiten wie Eigenkapital ist der taumelnde Immobilienentwickler Evergrande der Inbegriff dessen, wogegen die politische Führung in Peking derzeit ankämpft. Dem „fiktionalen Wachstum“ – erzeugt allein durch Verschuldung – hat die Staatsführung den Kampf angesagt.

Nimmt man die Schulden des öffentlichen Sektors, der Unternehmen und der privaten Haushalte zusammen, ist China mit 287 Prozent der Wirtschaftsleitung verschuldet. „Chinas Schuldenproblem könnte einen Dominoeffekt auslösen und die Wirtschaftskraft Chinas schwächen, mit enormen globalen Auswirkungen“, warnt Lisandra Flach, Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft.

Das zeigt auch die IWF-Prognose. Mit acht Prozent in diesem und 5,6 im nächsten Jahr ist China kaum noch Wachstumstreiber.

Schon jetzt zieht die Volksrepublik damit auch die Wachstumsstars der zweiten Reihe mit herunter. Die als Asian Five bekannte Nationengruppe um Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand und Vietnam wird in diesem Jahr nur noch um 2,9 Prozent wachsen. Noch vor drei Monaten hatte der IWF mit eineinhalb Prozent mehr gerechnet.

Mehr: Vier Gründe für das schwache Wachstum in Deutschland

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1 Kommentar zu "World Economic Outlook: IWF revidiert Wachstumsprognose und warnt vor Inflationsspirale"

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  • Die Annahme, dass die Inflation 2022 wieder rückläufig sein soll ist eine unbegründete Beruhigungspille für die Bevölkerung.

    Grundsätzlich unterzeichnen die genannten Inflationszahlen die reale Geldentwertung da beispielsweise die Immobilienpreise, eine Mehrheit der Europäer wohnt in der eigenen Immobilie, nicht inkludiert sind.

    Im Zuge der Corona Panik hatten die Notenbanken excessiv Geld geschöpft während das Waren- und Dienstleistungsangebot durch willkürliche Schliessungen ganzer Wirtschaftszweige verknappt wurde. Dadurch ist der bestehende Geldüberhang gestiegen.
    Im Zuge der Ökoreligion und des Dogma vom "Klimawandel" wird die Energie in Westeuropa und einigen anderen Altindustriestaaten mutwillig verteuert. Das reicht weit über 2022 hinaus. Dieser Preisimpuls geht über Rohstoffpreise, Erzeugerpreise auf die Konsumentenpreise über. Da die Politiker nicht von diesem Dogma ablassen gibt es keinen Grund dass die Energiepreise und damit die Inflation sinkt.

    Die Inflation führt zur grünen Vision einer verarmten, feudalistischen Gesellschaft und dürfte damit von vielen Politikern in Deutschland und anderen Altindustriestaaten begrüsst, oder geduldet werden.

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