Schulden Kredit als Lebenselixier des Kapitalismus

Ohne Schulden läuft nichts, sagt Ökonom Thomas Strobl.
FRANKFURT. Buchtitel wie „Der Staatsbankrott kommt“ oder „Schulden ohne Sühne“ haben Konjunktur. Wo man hinschaut, kämpfen Staaten ums finanzielle Überleben, und Investoren bangen um ihr in Staatsanleihen angelegtes Geld. Deutschland geht es in dieser Hinsicht zwar vergleichsweise blendend, aber die Deutschen misstrauen dem Staat als Schuldenmacher zutiefst.
Ausgerechnet in dieser Zeit kommt Thomas Strobl mit dem Buch „Ohne Schulden läuft nichts“ auf den Markt. „Warum uns Sparsamkeit nicht reicher, sondern ärmer macht“, lautet der Untertitel, den er seinem gewagten Werk gegeben hat. Ja, klar, ist man versucht zu denken. Noch ein Buch, das uns die Lehren des Großmeisters Keynes nahebringen will, dass der Staat im wirtschaftlichen Abschwung Schulden machen und durch Mehrausgaben die Wirtschaft ankurbeln soll.
Doch Strobl, der mit „Weissgarnix“ einen erfolgreichen Ökonomie-Blog führt, geht es um viel Grundsätzlicheres. „Der Kredit ist der Wohlstandsmotor des Kapitalismus“, entgegnet er auf das hierzulande vorherrschende Bauchgefühl, nach dem Schulden zu machen als moralisch fragwürdig gilt.
Die Ökonomen sind ahnungslos
Erfrischend schnell schiebt Strobl alles beiseite, was die tonangebenden Ökonomen zu diesem Thema zu sagen haben, denn diese haben sich „eine kapitalistische Welt zurechtgezimmert, der alles fehlt, was den Kapitalismus ausmacht“, nämlich Geld, Kredit, Finanzmärkte und Zeit. Bei dieser inzwischen viel gehörten Klage bleibt Strobl allerdings nicht stehen. Stattdessen präsentiert er seinen Gegenentwurf einer Marktwirtschaft, zu der das Ziehen von Wechseln auf die Zukunft als elementarer Bestandteil gehört. Das beinhaltet die Feststellung, dass Geld und Schulden nicht voneinander unabhängig sind, sondern dass eine Bank, die Kredit gibt, damit gleichzeitig Geld schöpft. Schulden und Geld sind zwei Seiten einer Medaille. Diese Einsicht ist zentral, widerspricht sie doch der naiven Quantitätstheorie des Geldes à la Milton Friedman oder Otmar Issing, die uns einreden will, dass die Zentralbank die Geldmenge kontrolliert.
Wichtig ist, dass mit dem zusätzlichen Geld etwas Produktives gemacht wird. Dann steht der höheren Geldmenge auch eine größere Menge an Waren und Leistungen gegenüber. Wenn nicht, gibt es entweder Inflation oder, im schlimmeren Fall, eine Vermögenspreisblase. Das ist deshalb der schlimmere Fall, weil steigende Vermögenspreise die Menschen leicht in die Irre führen und zur Spekulation auf Kredit anreizen. Das führt irgendwann in den Crash. Hier kommen dann die Empfehlungen von Keynes ins Spiel: „Wenn sich keiner mehr verschulden kann – der Staat kann immer“, heißt das bei Strobl.
Wechsel des Blickwinkels
Man muss Strobels in lockerer und verständlicher Sprache vorgetragene, aber tiefgründige Analysen nicht teilen, um von diesem Buch zu profitieren. Dadurch, dass er den Kredit ins Zentrum seiner Überlegungen rückt, dort wo er im Kapitalismus auch hingehört, eröffnet Strobl dem Leser neue Einsichten in die Wirkungsweise der Marktwirtschaft und bringt die Diskussion über die Rolle des Staates und der Finanzbranche voran.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Schuldenmachen für ertragsstarke investitionen oder um neue Märkte zu erschließen- ja, das ist rentabel, aber für Konsumzwecke, auch für staatlichen Konsum, ist strikt abzulehnen. Natürlich sehen banker das anders, Kredit geben ist ihr Umsatzgeschäft. Von der Zinsmarge leben sie und ihre Kapitalgeber und bankeigner. Wie immer im Leben, Übertreibungen, wie wir sie in der Finazkrise erleb hbn, sind immer schädlich, für den Einzelnen und für ganze Volkswirtschaften. Ein Hohelied auf Kredite zu singen, ist übertrieben bis abwegig.
ich habe das buch zwar auch nicht gelesen, aber wenn die Zusammenfassung hier im Handelsblatt stimmig ist, dann ist das buch im Grunde einfach nur eine deutsche Version von Keynes alter General Theory. Keynes wird ja auch gerade im großen Maßstab von der FED und den USA angewandt, die jede neue Staatsschulden machen, Geld über QE2 in den Wirtschaftskreislauf pumpen und die Zinssätze nahe bei 0 halten.
Leider führt Keynes in der Praxis aber zu fortwährenden Zyklen von boom (blasenbildung) und bust (Depression), obwohl gerade Keynes vorgibt, dass durch weitere Staatsschulden verhindern zu können.
immer mehr Menschen erkennen jedoch, dass dieses System nicht funktioniert. Denn im Keynes-System ist der Zinssatz künstlich verzerrt. Es werden Fehlanreize für investitionen gesetzt, d.h. es werden Projekte begonnen, die sich bei einem marktgerecht gesetzen Preis gar nicht gerechnet hätten und durch die Aufblähung der Geldmenge kommt es zu inflation, was man derzeit sehr gut bei den Preisen für Rohstoffe, Gold und Silber sowie bei immobilien und Aktien beobachten kann.
Der österreichischen Schule der Volkswirtschaft ist hier der Vorzug zu geben: Der Zinssatz ist auch nur ein Preis. Er muss sich ergeben aus dem Aufeinandertreffen von Sparern, die Geld anlegen wollen und Kreditnehmern, die investitionen tätigen wollen. Ein hoher Zins führt dazu, dass die bürger einen höheren Anzeiz zum Sparen erhalten. Dieses kann dann für sinnvolle Projekte eingesetzt werden, die der Gesellschaft auch tatsächlich einen Vorteil bieten, denn sie müssen sich bei dem Marktzins rechnen. Die Niedrigzinspolitik der FED und der EZb führt nur dazu, dass sich banken zu nahe 0% Geld leihen und dieses dann für die Spekulation verwenden.
@Eckard
Falsch. Schonmal was von abnehmendem Grenznutzen des Konsums gehört? Dann verstehen sie sicher auch dass so etwas wie Konsumglättung Sinn macht oder?
;)
Asiens Weisheiten: "Geld ist ein Segel in der Tasche." Das gilt auch für banken und Geldmacher. Man kann damit Gutes tun - oder Menschen ermorden und dann deren Geld verräumen. Oder Hunderte Milliarden Euros von anderen missbrauchen. Die inkarnation dieses "Kapitalismus" ist die bayr. CSU. Eine Leiche. Und wir zahlen deren Schulden - weltweit.
Eine Sache wird jedoch konstant ausser Acht gelassen, wenn es um Geldschöpfung und Schuldenmachen geht: Durch den Geldmultiplikator-Effekt (also die Zirkulation des Geldes über Geldschöpfung- Kreditvergabe-Konsumption-Erlös-bankanlage-Kreditvergabe, etc) kann, in einem Zyklus, bis ungefähr 9 Mal der Wert des ursprünglich "geschaffenen" betrages als Schulden verbucht sein. Ein bestimmter, zu einem Zeitpunkt eingeführter, bzw. "geschaffener" Geldbetrag kann also zu fast neun (!) Mal soviel Schulden führen. Somit verlangt die hieraus entstandene und breit gestreute Zisnlast nach äquialentem Wachstum, um bedient werden zu können. Kann die Realwirtschaft da mithalten? Die Empirie gibt ein klares "nein". So erklärt sich bspw. das Phänomen, dass das Finanzkapital (also Schuldverschreibungen jeglicher Art) mehr als 100 Mal größer als das "Realkapital" betragen, Tendenz steigend.
Es ist schön, mit Krediten eine Firma wie Microsoft aufzubauen.
Es ist unschön, wenn daraus so etwas wie Cargolifter wird.
Und es ist blödsinn, Kredite zu verkonsumieren.
So ein blödsinn.
ich empfehle Jörg buschbeck mal ein paar begriffe zu dem Thema (auf Englisch!) bei scholar.google einzugeben und mal zu lesen, was viele Ökonomen überhaupt schreiben.
Und danach würde ich gerne nochmal einen Kommentar von ihm hier lesen
Die begrifflichkeit der "Naivität der Quantitätstheorie" konnte man schon 1978 in der "Volkswirtschaftlichen Saldenmechanik" des leider fast vergessenen deutschen Wirtschaftsweisen und Jahrhundertökonom Wolfgang Stützel nachlesen.
Die Zusammenhänge sind rational betrachtet einfach, aber unsere ökonomische Elite ist zu rationalen Gedanken weitgehend nicht in der Lage. bauchgesteuert und ständig mit der Frage befasst, WER,WER und nochmals WER was gesagt hat. Für einfachste logische WARUM-Fragen ist da bei den emotionalen Geldsystemfragen kein Platz.
Das Guthabenwachstum Schuldenwachstum erzwingt ist absolut im bereich der kognitiven Dissonanzen verborgen.
Habe das buch nicht gelesen deshalb nur zu obigem Artikel: Natürlich ist Vertrauen (=Kredit) eine wichtige Produktivkraft und Angst (z.b. vor Schulden) führt in eine Abwärtsspirale. Jeder kennt es aus seinem Leben. Traut man sich was zu, obwohl noch nie gemacht, gelingt es meist auch und zweifelt man nur, bringt man auch nichts zu stande. insofern haftet beiden Einstellungen etwas Selbsterfüllendes an.
So weit so gut. Das eigentliche Problem und die Kunst ist doch gesundes Selbstvertrauen von Übermut und gesunde Skepsis von Depression zu unterscheiden. Und der Punkt in der gegenwärtigen Finanzkrise ist gerade, dass ganz offensichtlich Übermut und Gier der bankenaristokratie ("Masters of the Universe") und politischen Klasse (z.b. irland) erst in die Misere geführt hat. Mit dem ganzen Geld wurden eben nichts Produktives gemacht, wurden keine realen Werte geschaffen, sondern rein virtuelle -letztlich (Selbst-)betrug.
im übrigen hat die Deutsche bundesbank (und auch die EZb, die sich nur nicht daran hält) ja kein absolutes Geldmengenziel sondern berücksichtigt immer die Eckwerte für das Wachstum des Produktionspotenzials, so das obige Kritik an den Geldmengenzielen unpassend ist.
Es ist schön, Leistungen schon zu bekommen, die ich erst in der Zukunft bezahlen muß.
Und wenn Zahltag ist, reiben sich alle verwundert die Augen ?