HRI-Analyse Boden besteuern – ja, bitte!

Kostengünstiges Wohnen entwickelt sich mehr und mehr zu einer drängenden sozialen Frage. Denn die Preise für Wohnimmobilien legten deutschlandweit zwischen 2010 und 2018 um gut 45 Prozent zu. Während die preisbereinigten Bestandsmieten deutschlandweit nur mäßig steigen, schlägt sich die vor allen in Ballungsgebieten zunehmende Wohnungsknappheit vor allem bei den Neuvertragsmieten nieder.
Wie eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes ergab, stiegen im Jahr 2018 die Neumieten in den sieben größten deutschen Städten um bis zu 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Berlin versucht die Landesregierung daher sogar einen kompletten Mietstopp durchzusetzen.
Die Gründe für die Verteuerung von Wohnraum sind nicht nur in den steigenden Baukosten zu finden, sondern auch auf die Knappheit an kostengünstigem Bauland zurückzuführen. So verteuerten sich die Preise für Bauland in Deutschland zwischen 2010 und 2018 um mehr als 60 Prozent. Im gleichen Zeitraum legten die Baupreise nur um etwas mehr als 20 Prozent zu (siehe Grafik „Engpassfaktor Bauland“).
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, welche Wellen eine eher beiläufige Bemerkung des neuen Co-Vorsitzenden der SPD Norbert Walter-Borjans schlug, als er in der vergangenen Woche eine Steuer auf den Wertzuwachs bei der Umwidmung von Ackerflächen in Bauland forderte. Das wichtigste Gegenargument gegen solch eine neue Steuer war, dass damit das Wohnen zusätzlich verteuert würde. Von Seiten des Koalitionspartners der SPD war prompt zu hören, eine solche Steuer werde es mit Union nicht geben.
Auch wenn der Vorschlag der SPD-Spitze einer Wertzuwachssteuer auf Bauland bislang vage bleibt, bietet er doch den Anlass, über eine höhere Besteuerung des Grundbesitzes in Deutschland nachzudenken.
Im internationalen Vergleich ist die Besteuerung von Immobilien in Deutschland niedrig
In Deutschland wird Grundbesitz über die Grundsteuer und die Grunderwerbssteuer besteuert, wobei die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umgelegt werden kann. Das Aufkommen dieser Steuern ist im internationalen Vergleich relativ gering.
Insgesamt beträgt der Anteil der Grundsteuer am gesamten Steueraufkommen in Deutschland laut OECD 1,1 Prozent (Steuern und Sozialbeiträge zusammengerechnet). Im OECD-Durchschnitt ist dieser Anteil mit 3,1 Prozent fast drei Mal so hoch. An diesem geringen Anteil wird auch die im vergangenen Herbst beschlossene Reform der Grundsteuer nichts ändern. So war das erklärte Ziel der Reform, die Aufkommensneutralität sicherzustellen, und somit die Gesamteinnahmen bei etwa 14 Milliarden Euro zu belassen.
Seit längerem wird in Deutschland darüber diskutiert, wie die im internationalen Vergleich hohe Steuer- und Abgabenlast auf die Arbeitseinkommen gesenkt werden kann. Denn in der Tat liegt in Deutschland die Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuer- und Sozialabgaben eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners bei fast 50 Prozent.
Gerade in angelsächsischen Ländern, in denen der Faktor Arbeit vergleichsweise gering belastet wird, trägt vor allem die Grundsteuer mit einem Anteil von 11 Prozent in den USA oder mit 9,2 Prozent in Großbritannien verhältnismäßig viel zum Gesamtsteueraufkommen bei (siehe Grafik). Die durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung liegt in diesen Ländern allerdings bei gerade einmal um die 30 Prozent des abgabenpflichtigen Einkommens.
Die OECD, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission haben deshalb bereits mehrmals vorgeschlagen, die Belastung von den Arbeitseinkommen verstärkt auf den Grundbesitz zu verlagern. Nach einem Papier der EU-Kommission sei dies vor in Italien, Deutschland, Finnland und Österreich angezeigt. Dahinter steht der Gedanke, dass dadurch der Anreiz, mehr zu arbeiten, ansteige, ohne dass es zu gesamtstaatlichen Steuermindereinnahmen kommen müsse.
Hinzu käme, dass sich der immobile Grundbesitz der Besteuerung nicht entziehen könne, da das Besteuerungsobjekt - anders als bei Geldvermögen - nicht ins Ausland verlagert werden kann.
Besteuerung des potenziellen Ertrags
Allerdings wird bei der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer in Deutschland – genau wie in den meisten anderen Staaten – nicht zwischen dem Boden und der darauf gebauten Immobilie unterschieden. Aus ökonomischer Sicht sprechen jedoch gute Argumente dafür, vor allem den Faktor Boden stärker zu belasten. So ergibt sich der Wert einer Immobilie aus zwei Komponenten: Zum einen aus dem Grundstück selbst, zum anderen aus dem Zweck, der Ausstattung und dem Zustand des Gebäudes. Letzteres ist durch Instandhaltungs- sowie Ausbauinvestitionen direkt durch den Eigentümer beeinflussbar. Das Grundstück selbst benötigt jedoch keinerlei Instandhaltungsmaßnahmen, da Boden nicht abnutzt.
Die Preise des Bodens wiederum bemessen sich vor allem an seiner Lage bzw. Nutzungsmöglichkeiten. Je nach Lage und Attraktivität der Nutzungsmöglichkeiten, erhöht sich mit dem potenziellen Ertrag eines Grundstücks auch dessen Preis.
Gerade die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks können stark von Investitionen der öffentlichen Hand profitieren, beispielsweise durch eine verbesserte Verkehrsanbindung oder einen öffentlichen Park in der Nähe eines Wohngebietes. Nicht nur die Mieter einer Wohnung haben davon einen Nutzen, sondern auch die Eigentümer über ein erhöhtes Ertragspotential ihrer Grundstücke. Diesen Vorteil der Eigentümer durch eine Steuer stärker zu belasten, wäre daher gerechtfertigt.
Die am wenigsten schlechte Steuer
Eine Besteuerung des Bodens führt nicht dazu, dass das Angebot an Boden verringert wird. Denn das Bodenangebot ist mehr oder weniger unelastisch. Eine Steuer auf den Bodenwert ist daher eine allokationsneutrale Steuer, die keine Angebotsverzerrungen verursacht. Orientiert sich die Steuer proportional am Bodenwert (Bodenrichtwert der Gutachterausschüsse), kommt es zu keinerlei Nutzungsänderung, da die relativen Preise zwischen einer Innenstadtlage und einem Randgebiet gleichbleiben.
Dieses Argument überzeugte selbst den „Steuerskeptiker“ und Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman. So bezeichnete er eine Bodenwertsteuer als „die am wenigsten schlechte Steuer“ unter allen Steuern.
Darüber hinaus würde eine Bodenwertsteuer die Bodenspekulation in begehrten Lagen erschweren, da unbebaute Grundstücke keine Mieteinnahmen generieren.
Die Mieten wären kaum betroffen
Damit die Steuer ihre volle Lenkungswirkung entfalten kann, wäre es angezeigt, die bisherige Praxis der Grundsteuerumlage auf die Mieter in Frage zu stellen. Aus ökonomischer Sicht stellt der Ertrag auf Grund und Boden eine Rente dar, die der Staat abschöpfen könnte und es bei Bedarf tun sollte.
Dies erkannte bereits Adam Smith als er in seinem ‚Der Wohlstand er Nationen‘ schrieb: „Eine Steuer auf die Grundrente würde die Mieten nicht erhöhen. Sie würde gänzlich auf den Besitzer der Grundrente fallen, der stets als Monopolist auftritt und die größte Rente fordert, die er für die Benutzung seines Bodens erhalten kann.“
Da das Angebot an Boden unelastisch ist, trifft eine Steuer auf den Wert eines Grundstücks langfristig vor allem die Verpächter und Vermieter, die nicht durch eine Verringerung des Angebots reagieren können und daher nur wenig auf die Pacht/Miete aufschlagen könnten. Kurzfristig sind aber auch die Mieter betroffen, wenn sie nicht durch Umzug einem möglichen Aufschlag auf die Miete entgehen wollen. Würde die Grundsteuerumlage auf die Mieter wegfallen, würde auch kurzfristig der Anreiz für Vermieter erhöht werden, den knappen Boden intensiver zu nutzen und beispielsweise mehr Wohnraum zu schaffen.
Die Bundesländer haben es in Deutschland in der Hand
Es gibt bereits Anzeichen, dass die Politik den Bodenwert stärker als Einnahmequelle nutzen möchte. Zwar wurde bei der Reform der Grundsteuer im vergangenen Jahr am Wert der Immobilie (Haus und Grundstück) als Bemessungsgrundlage beibehalten. Allerdings haben die Bundesländer ab 2025 die Möglichkeit, eine abweichende Regelung vom bundeseinheitlichen Modell zu treffen. So prüft aktuell die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg ein komplett neues Grundsteuermodell, dass sich allein am Bodenrichtwert orientiert.
Auch wenn der Vorschlag von Walter-Borjans einer Bodenwertzuwachssteuer eher „nebenbei“ gesagt war, wäre es falsch, pauschal den Boden als sinnvolle Steuerquelle abzulehnen.
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