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Steuereinnahmen für Kommunen

Für viele ist die Gewerbesteuer ein Fluch, doch für manche ein Segen.

(Foto: dpa)

HRI-Analyse zur Gewerbesteuer Die unfaire Steuer

Die Gewerbesteuer ist schon über 100 Jahre alt. Sie wirkt heute wie ein Fremdkörper im Steuersystem. Wenn sie schon nicht abgeschafft werden kann, sollte ihr Aufkommen wenigstens anders verteilt werden.
23.08.2019 - 08:00 Uhr Kommentieren

Düsseldorf Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Unabhängig davon, wie viele Milliarden Haushaltsüberschüsse die Gemeinden in den vergangenen Jahren auch machten, die kommunalen Spitzenverbände wurden nicht müde, gebetsmühlenartig mehr Geld von Bund zu fordern. Erst fehlten Mittel für Investitionen schlechthin, dann für den Kita-Ausbau, die Flüchtlingsbetreuung, die Sanierung und Digitalisierung der Schulen und, und, und. Mit jeder Milliarde Euro Überschuss wurden die Rufe nach zusätzlichem Geld aus Berlin lauter.

Dies veranlasste Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), bei der Vorstellung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ völlig überraschend anzukündigen, dass der Bund bereit sei, besonders hoch verschuldeten Kommunen beim Abbau ihrer Altschulden zu helfen. Nach der Sommerpause – also sehr bald – will die Bundesregierung mit dem Bundestag, den Ländern sowie den Kommunen und ihren Spitzenverbänden sprechen, um „auszuloten, ob eine solche nationale Lösung möglich ist“.

Zur Erinnerung: Seit 2012 schreiben die Kommunen in der Summe schwarze Zahlen; insgesamt erwirtschafteten sie seitdem weit mehr als 30 Milliarden Euro Überschuss. Nach Prognosen ihrer Verbände werden bis 2021 noch weitere rund zwölf Milliarden Euro hinzukommen. Gleichzeitig sind nicht wenige Kommunen faktisch überschuldet, teils aus strukturellen Gründen, teils wegen gravierender Fehlinvestitionen und teils wegen einer wegschauenden Kommunalaufsicht. Auffallend viele dieser hoch verschuldeten Kommunen sind in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu finden.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) identifizierte jüngst 19 deutsche Regionen mit akuten Problemen – während im Umkehrschluss die übrigen 77 Regionen mehr oder weniger kräftig vom zurückliegenden Boom profitiert haben. Angesichts dieses Befundes sollte es eigentlich naheliegen, zunächst einmal die Umverteilung zwischen den Kommunen zu überdenken, anstatt nach zusätzlich Geld zu rufen.

Grundsätzlich sind die Bundesländer für eine angemessene Finanzausstattung ihrer Kommunen verantwortlich. Dazu dienen die je nach Land etwas unterschiedlich ausgestalteten kommunalen Finanzausgleiche. Meist wird über diese Ausgleichsysteme jedoch nicht horizontal umverteilt, sondern vertikal: Das Land weist den Gemeinden gemäß pauschal ermittelter Bedarfe Geld zu. Gemeinden, die selbst mehr Geld einnehmen, als ihr ermittelter Bedarf, dürfen dieses Geld in den meisten Ländern fast vollständig behalten; sie bekommen lediglich keine Zuweisungen vom Land.

Die mit Abstand wichtigste Kommunalsteuer ist dabei die Gewerbesteuer. Sie wurde im Rahmen der Miquel‘schen Steuerreform 1891 eingeführt; das erste Gewerbesteuergesetz stammt von 1936. Damals bildeten neben dem Gewerbeertrag auch das Gewerbekapital und die Lohnsumme die Bemessungsgrundlage. Grundidee war, dass diese Steuer ein Ausgleich für die Lasten sein sollte, die Gewerbetreibende der Gemeinde verursachten. Kommunen haben ein Hebesatzrecht, das es ihnen ermöglicht, den Steuersatz faktisch selbst zu bestimmen.

Mit dem Steueränderungsgesetz entfiel 1979 die Lohnsummensteuer, und die Gewerbekapitalsteuer wurde 1998 abgeschafft. Somit wurde die Gewerbesteuer neben der Körperschaft- bzw. der Einkommensteuer faktisch zu einer zweiten Steuer auf gewerbliche Gewinne. Letztmalig reformiert wurde sie 2008, als die Bemessungsgrundlage deutlich ausgeweitet wurde. Im vergangenen Jahr erreichte das Gewerbesteueraufkommen mit 56 Milliarden Euro einen neuen Rekord. Selbst nach Abzug der Umlagen an Bund und Länder verblieben noch mehr als 50 Milliarden Euro davon bei den Gemeinden.

Ein wesentliches Problem dieser Unternehmensteuer ist, dass ihr Aufkommen regional extrem streut. Während sehr wirtschaftsstarke Gemeinden wie etwa Gräfelfing vor den Toren Münchens in guten Jahren auf über 8.000 Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Einwohner kommen, sind es in manchen strukturschwachen Städten Ostdeutschlands weniger als 200 Euro.

Weil das Gewerbesteueraufkommen von der Höhe der Unternehmensgewinne abhängt, die von den einzelnen Gemeinden allenfalls wenig beeinflussbar sind, ist der Anreiz zum Steuerdumping hoch: Jede Gemeinde hat es in der Hand, mit einem niedrigem Hebesatz Gewinne anzulocken und somit ohne echte Wirtschaftsförderung Steuereinnahmen zu generieren.

So tobt in Nordrhein-Westfalen derzeit ein selbst überzeugten Anhängern des Wettbewerbsföderalismus absurd anmutender Wettlauf nach unten. Die Gemeinde Monheim im Großraum Düsseldorf senkte in mehreren Schritten ihren Hebesatz auf nunmehr 260 Prozent – und wurde damit in den vergangenen Jahren reich und schuldenfrei. Denn ein dortiger Betrieb muss heute nur rund halb so viel an Gewerbesteuer zahlen, wie in vielen anderen NRW-Städten.

Wie zu erwarten reagierten darauf viele Unternehmen und verlegten Betriebsteile in die Ortschaft am Rhein oder gründeten dort eine Briefkastengesellschaft, in die Teile der Gewinne verlagert wurden. Um nicht noch mehr Einnahmen an die Nachbargemeinde zu verlieren, beschlossen nun Leverkusen und Langenfeld ihre Hebesätze ebenfalls drastisch zu senken – was wiederum die übrigen Nachbarn verärgerte und zu einer gemeinsamen „Zonser Erklärung“ veranlasste, in der eine Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Gewerbesteuer gefordert wird.

Mit dem Versuch, die Gewerbesteuer zu ersetzen oder grundlegend zu reformieren, sind schon viele Politiker und Experten gescheitert. Vor fast 20 Jahren erklärte der damalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Heribert Zitzelsberger die Gewerbesteuer zum Auslaufmodell. Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung forderte verschiedentlich, die Steuer durch einen kommunalen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen – vergeblich. Zuletzt stand die Steuer bei der Neuordnung der Kommunalfinanzen 2010/11 zur Disposition – und überlebte.

Akzeptiert man, dass die Gewerbsteuer faktisch nicht abzuschaffen ist, liegt es nahe, über eine sinnvollere Verteilung der Einnahmen nachzudenken. Müssten die Städte einen höheren Anteil ihres Gewerbesteueraufkommens an Bund und Land abführen, würde das jeweilige Bundesland in die Lage versetzt, große Unterschiede in der Finanzkraft ihrer Kommunen besser auszugleichen. Und erhielte der Bund nennenswerte Gewerbesteuereinnahmen, könnte er mit dem Geld gezielt strukturschwache Regionen unterstützen und vielleicht sogar einen Teil deren Altschulden übernehmen.

Gleichzeitigt hätten die Städte noch immer einen Anreiz, aktive Wirtschaftsförderung zu betreiben, auch wenn sie nur noch 50 oder 33 Prozent ihres örtlichen Gewerbesteueraufkommens behalten dürften. Das viel beschworene Band zwischen Wirtschaft und Kommune bliebe erhalten, es würde mancherorts jedoch freilich etwas dünner. Um die Verteilung der Steuereinnahmen auf die verschiedenen Ebenen konstant zu halten, könnten die Umsatzsteueranteile entsprechend nachjustiert werden.

Unter dem Strich dürfte die Mehrheit der Kommunen von einer solchen Reform profitieren. Würde diese dann auch noch mit einer Entlastung der Unternehmen gekoppelt, etwa beim Soli oder der Körperschaftsteuer, gäbe es auch noch Rückenwind dafür aus der Wirtschaft. Ein breiter Konsens müsste also möglich sein. Lediglich dort, wo den Bewohnern heute kostenloser Nahverkehr und Kitas angeboten werden und Negativzinsen auf Rücklagen das größte Haushaltsproblem sind, wird man Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Angesichts prall gefüllter Kassen in Monheim, Gräfelfing und Co. dürften diese verkraftbar sein.

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