Rürups Woche Autoindustrie fehlt ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell
Düsseldorf Die deutsche Autoindustrie steckt in einer veritablen Krise. Kurzfristig fehlen wichtige Vorprodukte, um die gestiegene Nachfrage befriedigen zu können, und mittel- bis langfristig fehlt dieser traditionellen deutschen Vorzeigebranche ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell.
Im Juni brach die Autoproduktion in Deutschland saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um gut 13 Prozent ein. Letztlich laufen derzeit nur noch gut halb so viele Autos in Deutschland vom Band wie vor der Pandemie.
Die Autoindustrie ist bescheidener geworden
Immerhin, laut einer Ifo-Umfrage verbesserte sich die Stimmung bei Herstellern und Zulieferern im Juni. Der Indikator zur Geschäftslage stieg auf plus 44,2 Punkte, nach plus 37,8 im Mai. Der Indikator zu den Erwartungen legte hingegen nur leicht zu auf plus 3,2 im Juni, nach minus 1,6 Punkte im Mai.
„Die Autobranche ist im Strukturwandel bescheidener geworden“, sagt Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien. Für die Beschäftigten der Branche bleiben die Aussichten verhalten: Die Unternehmen planen weiter einen Arbeitsplatzabbau: „Der Abbau dürfte vor allem die Produktion treffen.“
EU-Kommission besiegelt das Ende des Verbrenners
Schließlich scheint das Ende des Verbrennungsmotors besiegelt. Die EU-Kommission wird kommende Woche ihr „Fit-for-55“-Klimapaket vorlegen. Es wird erwartet, dass sie darin vorgibt, dass Neuwagen bis 2035 ihren CO2-Ausstoß um 100 Prozent reduzieren müssen – was einem Verbot von Verbrennern gleichkommt.

Handelsblatt: PP=Prozentpunkte *Abweichung durch Rundungsdifferenzen möglich. Quellen: Handelsblatt Research Institute, Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit
Bemerkenswert dabei ist, dass Brüssel noch immer an dem Irrglauben festhält, Elektromotoren würden keine Klimagas-Emissionen verursachen – ganz gleich, ob der Strom von Kohle- oder Gaskraftwerken, Kernkraftwerken oder Windrädern produziert wurde.
Durchwachsene Konjunkturdaten
Die deutschen Konjunkturdaten dieser Woche waren durchwachsen. Die Industrieproduktion fiel im Mai leicht um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat, die Aufträge brachen um 3,7 Prozent ein, und die ZEW-Konjunkturerwartungen gingen überraschend deutlich zurück.
Einige Ökonomen begannen daraufhin, ihre optimistischen Konjunkturprognosen wieder in Zweifel zu ziehen. Wir hingegen fühlen uns mit unseren Erwartungen für Deutschland – 2,7 Prozent Wachstum dieses Jahr und 3,7 im kommenden – auf der sicheren Seite.
Neues Inflationsziel der EZB
Und dann ist da noch die EZB, die gestern ihr neues Inflationsziel verkündete. Zuerst hat die EZB das Inflationsziel der Deutschen Bundesbank, „unter zwei Prozent“ übernommen. Seit 2003 lautete dieses Ziel „unter aber nahe zwei Prozent“, und nunmehr strebt die Notenbank eine Teuerungsrate von 2,0 Prozent an – freilich mittelfristig.
Zwar haben sich Vorschläge, bei der Zielformulierung ausdrücklich auf eine Durchschnitts-Inflationsrate abzustellen, nicht durchgesetzt. Gleichwohl bedeutet das neue Ziel jedoch letztlich, dass für einen längeren Zeitraum auch eine höhere Inflation toleriert wird, ohne dass die EZB sich zum Handeln genötigt fühlt.
Anleihekäufe dürften weitergehen
Die indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenbank wird so selbst bei anziehender Konjunktur und Inflation erleichtert, ohne dass die EZB Rechtfertigungsprobleme bekommt. Die Anleihekäufe dürften daher bis auf Weiteres weitergehen.
Der Preisanstieg hat sich im Juni in Deutschland etwas verlangsamt. Allerdings ist klar, dass die 2,3 Prozent vom Juni nur ein Vorgeschmack auf das waren, was im zweiten Halbjahr in Deutschland zu erwarten ist.
Monatswerte von um die vier Prozent sind nämlich sehr wahrscheinlich. Die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf die alten Sätze, die neue CO2-Abgabe und rasant gestiegene Öl- und Rohstoffpreise werden mutmaßlich für kurzfristige Preissprünge sorgen, wie sie in Deutschland lange nicht registriert wurden.
Wie reagiert die EZB?
Ein Teil dieses Preisauftriebs ist auf Einmaleffekte zurückzuführen. Doch, wir erinnern uns, als ein niedriger Ölpreis die Inflation nahe an die Nulllinie drückte, läuteten in der EZB die Alarmglocken. Präsident Mario Draghi malte das Deflationsgespenst an die Wand und öffnete die Geldschleusen.
Unser Angebot in dieser Woche
Der Chefökonom: Die Corona-Lücke
Gastkommentar: Die Finanzierung der Start-ups
Der Podcast: Professor Bert Rürup und Michael Hüther im Gespräch
Die Grafik der Woche: Der Anstieg der Transportkosten
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Der Autor ist Präsident des Handelsblatt Research Institute.
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