Rürups Woche Rente: Erhöhung der Altersgrenze ist kein Königsweg
Düsseldorf Politiker der Parteien, die sich Hoffnung machen können, an der nächsten Regierungsbildung beteiligt zu sein, meiden derzeit das Rententhema gerne. Zu Recht ahnen sie, dass dies im Wahlkampf kaum ein Gewinnerthema ist. Im Gegensatz dazu erfreut sich dieses Thema in der Presse einer großen Beliebtheit (siehe dazu auch mein aktuelles Interview im „Focus“).
Unstrittig ist, dass ab Mitte dieses Jahrzehnts mit den geburtenstarken Jahrgängen der 1950er und 1960er Jahre, den Babyboomern, deutlich mehr Erwerbstätige aus dem Arbeitsleben ausscheiden als nachrücken werden. Für knapp 20 Jahre werden Wirtschaft und Gesellschaft daher mit dem Problem einer doppelten Bevölkerungsalterung konfrontiert sein: Weniger Erwerbstätige müssen für mehr Rentner die Altersbezüge finanzieren.
Erst nach 2040 entspannt sich die Lage
Ab Anfang der 2040er Jahre, wenn die Angehörigen der Babyboomer-Jahrgänge verstorben sein werden, entspannt sich die Situation – ein Stück weit. Die Bevölkerung wird allerdings weiter schrumpfen, aber das Verhältnis von Erwerbsbevölkerung zu Älteren wird sich nur noch recht langsam verschieben.
Die Bevölkerungsentwicklung hat negative Folgen sowohl für die staatliche Rentenkasse wie für das deutsche Arbeitskräftepotenzial und damit das Wirtschaftswachstum. Um dies abzufedern, wird von zahlreichen prominenten Ökonomen eine weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze empfohlen – über das ab Anfang 2031 erreichte gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren hinaus.
Erhöhung der Altersgrenze ist kein Königsweg
Dieser Ratschlag wird mit folgendem Argument begründet: Eine gleitende Anhebung der Regelaltersgrenze würde das Verhältnis von durchschnittlicher Lebensarbeitszeit und durchschnittlicher Rentenbezugsdauer konstant halten. Das sei doch nur gerecht und zudem wachstumsfördernd.
Diese Empfehlung klingt „rein sachlich“. Doch dahinter verbirgt ein Werturteil: Das Verhältnis der Länge der Erwerbsphase des Standardrentners und die von der Entwicklung der Lebenserwartung bestimmte Rentenbezugsdauer sollten konstant bleiben, um so die Kosten des längeren Rentenbezugs anteilig den zukünftigen Rentner/innen anzulasten. Dieses Werturteil kann man teilen, aber man muss es nicht.
Die Erhöhung der Altersgrenze ist kein Königsweg, sondern nur eine von mehreren Varianten, die nicht wegreformierbaren Kosten der Alterung zu verteilen.
Die Stellschrauben der Rentenpolitik
Ein weiterer Verteilungsparameter ist der Beitragssatz, dessen Erhöhung vorrangig die Beschäftigten trifft und die Arbeitskosten erhöht. Denkbar wäre auch eine Absenkung des Rentenniveaus, wovon sowohl die Bestandsrentner als auch die zukünftigen Rentenempfänger betroffen wären. Schließlich ist auch ein höherer Steuerzuschuss eine Option. Dies belastete alle Steuerzahler und damit auch die Rentner/innen.
Ökonomen weisen gerne und zurecht darauf hin, dass ein späterer Rentenbezug das Produktionspotenzial der Volkswirtschaft höher ausfallen lässt. Die entscheidende Frage ist jedoch: Reicht dies aus, um den weitverbreiteten Wunsch in unserer zunehmend älter werdenden Gesellschaft nach einem eher früheren Renteneintritt zu ignorieren? Das kann kein Ökonom bestimmen, sondern nur eine Mehrheit des Bundestages.
Die Legitimation durch die Wähler ist entscheidend
Rentenpolitik ist nun einmal mehr als Mathematik. In einer Demokratie kann „soziale Gerechtigkeit“ nie etwas anderes sein, als die – sich auch mit der Altersstruktur der Bevölkerung ändernde – Diagonale im Parallelogramm der politischen Kräfte.
Um Rentenpolitik betreiben zu können, bedarf es in erster Linie einer Legitimation durch die Wähler. Und deren mittleres Alter liegt bereits bei etwa 54 Jahren – Tendenz steigend.
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