Rürups Woche Rentenpolitik ist immer Verteilungspolitik
Düsseldorf Die Inflation in Deutschland ist erneut angestiegen. Das Statistische Bundesamt meldete Mitte der Woche, dass der Anstieg der Verbraucherpreise im Juli mit satten 3,8 Prozent den höchsten Wert seit 1993 erreicht hat. Im Juni lag die Teuerungsrate noch bei 2,3, und im Dezember vergangenen Jahres hatte es sogar einen Rückgang des Preisniveaus gegeben.
Natürlich wurden angesichts des Preisschubs Forderungen laut, dass nunmehr politisch reagiert werden müsse. Dem ist aber nicht so!
Inflation aufgrund von Sonderfaktoren
Seit dem Beitritt Deutschlands zur Europäischen Währungsunion Ende des vergangenen Jahrhunderts gibt es weder für Deutschland noch für einzelne Euroländer nationale Inflationsziele. Das Ziel der EZB ist eine mittelfristig bei zwei Prozent liegende Inflationsrate – und zwar für den Euroraum.
Der mutmaßlich noch einige Zeit anhaltende Preisanstieg in Deutschland ist daher für sich genommen kein Grund für eine Änderung des geldpolitischen Kurses der EZB. Hinzu kommt, dass die Preissteigerungen in Deutschland das Ergebnis einer Reihe von Sonderfaktoren sind.
Kein Vorbote eines Inflationsschubs
Da ist zum einen der Preisverfall im Vorjahr als Folge der Corona-Pandemie, der bei dem üblichen Jahresvergleich die aktuelle Inflationsrate steigen lässt. Hinzu kommen die Rückkehr zu den alten Mehrwertsteuersätzen, die neue CO2-Abgabe, der kräftige Anstieg der Preise für Kraftstoffe und Heizöl sowie die Folgen der Lieferengpässe bei wichtigen Vorprodukten.
Dies alles sind – zweifellos unangenehme – temporäre Effekte, aber keine Vorboten eines nachhaltigen Inflationsschubs. Damit aus diesen Sonderfaktoren ein nachhaltiger Auftrieb des Preisniveaus wird, wären flächendeckend kräftige Lohnerhöhungen notwendig. Die kann man nicht ausschließen; allerdings zeichnet sich das Entstehen einer Preis-Lohn-Spirale – zum Glück – bislang nicht ab.
Rentenpolitik ist immer Verteilungspolitik
Die einzige Partei, die sich klar und sehr dezidiert zu ihren Absichten in der Rentenpolitik äußert, ist „Die Linke“. Dies ist verständlich, da diese Partei kein Risiko läuft, nach der Wahl ihr Programm umsetzen zu müssen. Die anderen Parteien – namentlich die Union – sind mit belastbaren Aussagen und Festlegungen recht zurückhaltend.
Der Grund dafür: Es geht in der Rentenpolitik immer um komplexe Verteilungsfragen – egal ob die Beitragshöhe, das Rentenniveau, die Regelaltersgrenze oder der Umfang der aus Steuermitteln finanzierten Bundeszuschüsse geändert werden.
Kein ökonomisches Optimierungskalkül
Die Politik muss bestimmen: Belastet sie die Erwerbstätigen durch höhere Beiträge? Trifft sie alle Rentnerinnen und Rentner durch eine Absenkung des Rentenniveaus? Sollen die künftigen Rentenempfänger über ein höheres gesetzliches Renteneintrittsalter zahlen? Oder übernehmen alle Steuerzahler die Rechnung über eine Ausweitung der Bundeszuschüsse?
Die richtige Mischung in der Rentenpolitik über ein ökonomisches Optimierungskalkül zu ermitteln, ist nicht möglich. Dies geht nur über eine politische Wertentscheidung – und zwar durch in Wahlen legitimierte Politikerinnen und Politiker.
Börsch-Supan irrt sich
Daher irrt der ausgewiesene Rentenexperte Axel Börsch-Supan, wenn er im Brustton der Überzeugung feststellt: „Unsere Aufgabe als Gutachter ist, zu sagen, was gemacht werden muss, und nicht, Wahlen zu gewinnen.“
Tatsächlich ist es auch kein Defekt der politischen Willensbildung, wenn den Belangen der Älteren von den politischen Parteien ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Denn Deutschland ist eine Gesellschaft, in der das Durchschnittsalter der Wähler deutlich angestiegen ist und weiter ansteigt.
Wer darin ein politisches Versagen der Demokratie sieht, sehnt sich letztlich nach einem „weisen Diktator“, der – jenseits der Wünsche der Mehrheit der Wähler – das aus seiner Sicht „sachlich Gebotene“ durchsetzt.
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