Entrepreneurship Kann man Gründergeist mit einem MBA-Studium lernen?

Seine Professoren waren die ersten Investoren.
Kiel Die Geschäftsidee kam Firmengründer David Nothacker quasi im Hörsaal. Noch während seines MBA-Studiums an der französischen Wirtschaftshochschule Insead schrieb er seinen ersten Businessplan, 2015 gründete er in Berlin.
Heute ist Nothacker Chef von Sennder, dem jüngsten deutschen Neuzugang im Klub der Venture-Capital-Milliardäre. Sennder gilt als Einhorn. So werden Start-ups bezeichnet, die von Wagniskapitalgebern mit einer Milliarde US-Dollar bewertet werden, Nothackers digitale Speditionsplattform vernetzt Warenversender mit Transporteuren. Das Ziel ist, Lkw-Routen zu optimieren und Leerfahrten zu vermeiden.
Den Erfolg seines Start-ups führt der ehemalige Berger-Berater nicht zuletzt auf seine Weiterbildung in Sachen Unternehmertum zurück. „Meine ersten Investoren waren Professoren und Kommilitonen aus dem Entrepreneurship-Kurs“, sagt Nothacker. Seinen ersten Business Angel und weitere Kapitalgeber habe er über das weltweite Insead-Netzwerk gefunden.
Kann man so etwas wie Gründergeist also tatsächlich lernen? Braucht es mehr als ein klassisches BWL-Studium mit Fächern wie Marketing, Controlling und Personalführung?
Dem Weiterbildungsmarkt zufolge ja. Denn das entsprechende Angebot an Kursen, Seminaren und Studiengängen wächst. Neben Handels- und Handwerkskammern sowie privaten Bildungsunternehmen bieten digitale Lernplattformen wie Lecturio oder Udemy ein breites Spektrum von Onlinekursen und Webinaren zum Thema Unternehmensgründung an. Auch private Hochschulen setzen auf den Trend mit einer breiten Palette vom vierwöchigen Crashkurs bis zum Vollzeitstudium.
Steigender Bedarf
Nach jahrelanger Flaute in Deutschland ist Gründen wieder im Trend – auch wenn die Corona-Pandemie den Gründergeist 2020 wieder deutlich bremste. 2019 nahm die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland laut KfW-Gründungsmonitor erstmals seit Langem wieder zu. Erfolgsstorys wie die des Impfstoffentwicklers Biontech oder des Gebrauchtwagenportals Auto1, das vor wenigen Wochen ein fulminantes Börsendebüt hinlegte, sorgen für ein positives Image von Start-ups.
Tobias Kollmann, Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, sieht daher Bedarf für das wachsende Angebot. Mit seinem Weiterbildungsunternehmen Netstart bietet er selbst berufsbegleitende Kurse und Workshops zu Themen wie E-Leadership oder digitale Geschäftsmodelle an. Zwar können mehr als 80 Prozent aller deutschen Gründer einen Hochschulabschluss oder sogar eine Promotion vorweisen. Doch ein klassisches Ingenieur- oder BWL-Studium bereite oft nicht ausreichend auf das Abenteuer Start-up vor, so Kollmann.
Vor allem die emotionale Komponente durch glaubwürdige, motivierende Vorbilder kommt ihm zu kurz. „Leider gibt es zu wenige Hochschullehrer, die selbst schon erfolgreich ein Unternehmen gegründet haben“, sagt Kollmann, der Co-Gründer von Autoscout24 ist.
Jungunternehmer Nothacker weiß nur zu gut, wie nützlich Erfahrungswerte anderer Gründer sein können, wenn es darum geht, typische Anfängerfehler zu vermeiden. Ein wichtiger Rat aus seinem Entrepreneurship-Kurs an der Insead lautete, viel Zeit für Korrekturschleifen und Detailarbeit einzuplanen. „Ich habe das damals nicht geglaubt und war mir sicher, dass mein Geschäftsmodell nach dem Studium auf Anhieb funktionieren würde“, sagt er.
Doch statt sofort durchzustarten, hätte er beinahe Insolvenz anmelden müssen. Die ursprüngliche Geschäftsidee, Pakete auf der letzten Meile mit öffentlichen Bussen auszuliefern, erwies sich als wenig praxistauglich. Erst als die Gründer ihren Businessplan grundlegend überarbeiteten und gezielt die Wünsche und Bedürfnisse potenzieller Kunden ausloteten, rollten die Geschäfte an.
Als digitale Mitfahrzentrale für Fracht koordiniert Sennder heute die Ladekapazitäten und Tourenpläne von Speditionen, beschäftigt europaweit 800 Mitarbeiter und peilt bis 2025 einen Umsatz von zwei Milliarden Euro an.
Trend zur Akademisierung
Seine Erfahrungen teilt Insead-Alumnus Nothacker bereitwillig mit aktuellen Studenten und bietet ihnen Praktika in seinem Unternehmen an. „So helfen meine Verbindungen aus dem MBA-Studium heute bei der Suche nach unternehmerisch denkenden internationalen Talenten.“
Der Zugang zu einem gründungserfahrenen Alumni-Netzwerk zählt zu den großen Pluspunkten eines Weiterbildungsstudiums an einer renommierten Hochschule. In Deutschland hat sich besonders die WHU Otto Beisheim School of Management einen Ruf als Gründeruni erarbeitet. Die Absolventenliste liest sich wie ein Who’s who der deutschen Internetwirtschaft.
Alternativ zum zeitaufwendigen, teuren Vollzeitstudium bieten viele Hochschulen auch berufsbegleitende Onlineprogramme oder einzeln buchbare Module in Entrepreneurship und Innovation an, etwa die Steinbeis School of Management and Innovation in Berlin, die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin mit berufsbegleitenden Bachelor- und Masterstudiengängen für Gründer oder die SRH Fernhochschule mit einem Online-Masterstudium Entrepreneurship.
Für Andrea Masini, Professor an der Pariser Business School HEC, zählen Unternehmertum und Wagnisfinanzierung klar zu den aktuellen Trends in der akademischen Managementausbildung. Das beste Beispiel sei Biontech: „Dieses bis dato kaum bekannte, von einem Gründerehepaar geführte Biotech-Start-up erteilt mit seinem lebensrettenden Impfstoff der Welt gerade eine anschauliche Lektion über die Bedeutung von Unternehmertum“, so der Direktor des MBA-Programms an der HEC.
Um globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu lösen, brauche die Welt innovative Lösungen agiler, vorausdenkender Unternehmer – und diese eine Ausbildung, in der sie genau das lernen könnten.
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