MBA – Rektor der Wirtschaftshochschule WHU: „Wir wollen in die Top Ten Europas“
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Markus Rudolf im InterviewRektor der Wirtschaftshochschule WHU: „Wir wollen in die Top Ten Europas“
Professor Markus Rudolf erklärt, warum MBA-Programme in Deutschland trotz Corona boomen – und wie er in fünf Jahren 40 Prozent Wachstum schaffen will.
„Ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren mehr deutsche MBA-Anbieter von internationalem Rang sehen werden.“
(Foto: WHU, Kai Myller)
Buxtehude Die private Wirtschaftshochschule WHU gilt als Kaderschmiede der deutschen Start-up-Szene. Erfolgreiche Gründer wie Oliver Samwer (Rocket Internet) oder Robert Gentz (Zalando) machten hier ihren Abschluss. Doch auf der internationalen Bühne gehört die Business-School mit Sitz in Vallendar bei Koblenz noch nicht zur Spitzengruppe. Das will Rektor Markus Rudolf ändern: „Unser Ehrgeiz ist es, unter die Top Ten in Europa zu kommen“, sagt er im Handelsblatt-Interview.
In den kommenden fünf Jahren solle Hochschule um 40 Prozent wachsen, „sowohl beim Personal als auch beim Budget“, kündigt der Professor für Finanzwirtschaft an, der die WHU – Otto Beisheim School of Management seit 2015 leitet.
Finanziert werden soll die Expansion mit Unterstützung der Otto Beisheim Stiftung, die mit rund 30 Prozent der wichtigste Förderer der Bildungseinrichtung ist. Zusätzlich will Rudolf Unternehmen aus dem Dax und dem Euro-Stoxx davon überzeugen, sich finanziell zu engagieren.
Aufgrund der Corona-Pandemie muss die private Hochschule aktuell finanzielle Einbußen hinnehmen. In den Executive-Education-Programmen für erfahrene Manager sei der Umsatz um 40 bis 50 Prozent eingebrochen, räumt Rudolf ein. Dieser Bereich gilt bei Business-Schools als der lukrativste. Dagegen sei die Zahl der Studienanfänger in den MBA- und Masterprogrammen deutlich gestiegen.
Lesen Sie hier das komplette Interview:
Herr Professor Rudolf, wann haben Sie Ihre Studenten zuletzt persönlich getroffen? Gerade eben. Unsere Uni ist ja nicht dicht, es sind erstaunlich viele Studierende auf dem Campus. Sie dürfen die Arbeitsräume nutzen – natürlich unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Wir haben ein digitales Zugangssystem, das klar regelt, wer wann vor Ort sein darf. Es gibt nur keine Präsenzveranstaltungen im Moment.
Wie verlegt man einen Unibetrieb von jetzt auf gleich ins Netz? Dank vorhandener digitaler Tools konnten wir im März 2020 den gesamten Betrieb online weiterführen. Zusätzlich haben wir zwölf Klassenräume mit Deckenmikrofonen, Trackingkameras und Bildschirmwänden ausgestattet und im Sommer das Studio für virtuelle Vorlesungen eingerichtet. Bis Dezember konnten wir hybride Vorlesungen anbieten: bis zu 30 Studenten vor Ort, die anderen remote. Das hat so gut funktioniert, dass man oft gar nicht gemerkt hat, wer physisch dasitzt und wer digital.
Verlangen Sie trotz der aktuellen Situation von Ihren Studenten die vollen Studiengebühren? Wir bieten zwar nicht dasselbe Unterrichtsformat an wie vor der Pandemie, aber wir versuchen dennoch, exzellente Qualität abzuliefern. Auslandsmodule können zurzeit allerdings leider nicht stattfinden, deshalb haben wir unseren Studenten die Kosten, die deswegen nicht anfallen, erstattet. Darüber hinaus gab es nichts zurück, denn wir haben ja auch nicht weniger Kosten als vorher – im Gegenteil.
Welche finanziellen Folgen hat die Pandemie für die WHU? Wir haben rund eine Million Euro für digitale Technik ausgegeben. Hinzu kommen Umsatzeinbußen von 40 bis 50 Prozent bei den Executive-Education-Programmen, also unseren Angeboten für erfahrene Manager. Je seniorer die Teilnehmer, desto geringer die Akzeptanz für digitale Formate. Dafür haben wir im aktuellen Semester 190 MBA-Studenten aufgenommen – so viele wie noch nie.
Wir hatten doppelt so viele Bewerbungen für unsere Masterprogramme wie im Jahr zuvor. Insgesamt gesehen haben wir während der Pandemie an Umsatz zugelegt.
Vita Markus Rudolf
Seit 1998 ist Markus Rudolf Inhaber des „Allianz Stiftungslehrstuhls für Finanzwirtschaft“ an der WHU – Otto Beisheim School of Management, 2015 wurde er zum Rektor ernannt. Der 54-Jährige studierte Betriebswirtschaft und Mathematik in Trier und promovierte an der Universität St. Gallen.
1984 als „Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung“ gegründet, zählt die WHU mit ihren 1665 Studenten zu den führenden deutschen Business-Schools. Den Namen des verstorbenen Metro-Gründers Otto Beisheim trägt sie seit 1993. Dessen Stiftung ist der größte Förderer der WHU.
Wie erklären Sie sich das? Vor Corona galt der MBA schon fast als Auslaufmodell. Business-Schools in den USA beklagten Rückgänge von 20 bis 30 Prozent. Der globale MBA-Markt schrumpft, während die Masterprogramme wachsen – das stimmt. Ich glaube, dass das weltweit auch immer noch so ist. Hier in Deutschland ist die Situation anders. Zum einen kam uns 2020 zugute, dass wir ein recht gutes Corona-Management hatten. Das hat sicher einige überzeugt, hier zu studieren statt anderswo.
Zum anderen haben wir beim MBA immer noch Nachholbedarf. Es gibt auch nicht so viele Anbieter auf Weltniveau. Daher sehe ich für den MBA hierzulande noch Wachstumspotenzial, während Länder wie die USA den Gipfel überschritten haben.
Braucht es überhaupt noch klassische Studiengänge? Bald kann sich doch jeder sein individuelles Studium digital zusammenbauen. Ob das beim Erststudium so kommt, bezweifle ich. Aber es ist definitiv ein Markt im Bereich Executive Education: niederschwellige Angebote mit überschaubaren Modulen, die sich zu einem Zertifikat kombinieren lassen. Solche Programme wären auch für den Mittelstand interessant, der momentan noch Berührungsängste hat, und könnten passgenau auf einzelne Unternehmen zugeschnitten werden.
Klingt, als gäbe es konkrete Pläne. Ja, das gehört zu unseren strategischen Zielen, aber für Details ist es zu früh.
Executive Education ist ein globaler Markt. Hat ein international so kleiner Anbieter wie die WHU auf Dauer überhaupt eine Chance? Es wäre naiv, die amerikanischen oder britischen Business-Schools abzuschreiben. Die sind ganz klar die Leader in diesem Geschäft. Die Kellogg School, unser Kooperationspartner in den USA, baut ein Hörsaalgebäude für 280 Millionen, wir bauen eines für sieben Millionen. Wir sind trotzdem mächtig stolz darauf, aber das sind völlig andere Dimensionen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Markt tatsächlich so global ist oder ob wir nicht eine andere Entwicklung sehen werden.
Virtueller Hörsaal der WHU
Gesichter der Studenten lebensgroß auf dem Monitor.
(Foto: WHU, Kai Myller)
Was genau meinen Sie? Wir hatten bisher an der WHU immer eine recht große Zahl an Studierenden aus China. Ich bin mir nicht sicher, ob deren Reisetätigkeit in den kommenden fünf Jahren noch genauso intensiv sein wird wie in den Jahren vor 2020. Umgekehrt gilt dasselbe. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Globalisierung der vergangenen Jahre durch Corona eine Unterbrechung erfahren würde.
Das ist nicht, was ich mir wünsche, aber ich würde mich nicht darauf verlassen, dass nach der Pandemie alles wieder so wird wie vorher. Ich denke, Europa ist unser Markt. Mehr denn je.
Viele Wettbewerber in Europa sind größer und global bekannter. Wie wollen Sie die London School of Economics oder die französische Insead jemals einholen? Die deutschen Business-Schools sind in den vergangenen Jahren schon viel sichtbarer geworden und haben sich in den internationalen Ranglisten kontinuierlich verbessert. Die WHU liegt im europäischen Ranking der „Financial Times“ zurzeit auf Platz 19, vor ein paar Jahren waren wir noch auf Platz 37. Auch andere Business-Schools leisten sehr gute Arbeit.
Deshalb glaube ich, dass wir in den kommenden Jahren mehr deutsche MBA-Anbieter von internationalem Rang sehen werden. Wir werden Lernerlebnisse für Studierende kreieren – online und offline. Unser Ehrgeiz ist es, unter die Top Ten in Europa zu kommen.
Wie wollen Sie das schaffen? Aktuell können wir zum Beispiel den Bereich Executive Education nicht vollständig abdecken, weil die Fakultät zu klein ist. Wir wollen daher in den nächsten fünf Jahren um 40 Prozent größer werden, sowohl beim Personal als auch beim Budget, um sämtliche Disziplinen bespielen zu können. Nur dann haben wir überhaupt die Chance, ganz oben dabei zu sein, weil solche Angebote Voraussetzung für eine Spitzenbewertung in den Rankings sind.
Können Sie einen solchen Wachstumsschub überhaupt finanzieren? Die Otto-Beisheim-Stiftung, die als unser größter Förderer rund 30 Prozent zum Budget beisteuert, trägt diese Strategie mit. Zusätzlich werden wir das Fundraising intensivieren und versuchen, mehr Unternehmen aus dem Dax, aber auch aus dem Euro Stoxx als Unterstützer zu gewinnen. Und wir erhoffen uns einen großen Zuwachs bei den Einnahmen, vor allem bei den Executive- und Online-Programmen.
Die Erlebnisse, die ein Präsenzstudium bietet, begleiten einen das ganze Leben, das lässt sich online schwer abbilden. Wem das wichtig ist, wird sich auch künftig für ein klassisches Studium entscheiden.
Die WHU sah wie viele Top-Business-Schools Online-Programme lange kritisch. Seit Oktober gibt es auch bei Ihnen einen Online-MBA. Kam der Sinneswandel durch Corona? Wir hatten schon länger mit dem Thema geliebäugelt und hätten den Global Online MBA auch ohne Corona eingeführt, nur nicht so schnell. Online-Programme hatten lange ein Stigma der Zweitklassigkeit, weil das akademische Niveau der Angebote nicht so hoch war. Deshalb gab es da viele Vorbehalte. Das hat sich durch Corona geändert.
Unser Global Online MBA kostet dasselbe wie die anderen Programme, trotzdem wird er extrem gut angenommen. So viele Anmeldungen für ein neues Programm hatten wir im ersten Jahr noch nie. Ich rechne damit, dass wir in vier bis fünf Jahren genauso viele Teilnehmer haben werden wie in den klassischen MBA-Programmen.
Wenn die Kombination aus Online- und Präsenzlehre die Zukunft ist, gibt es dann mittelfristig noch einen Unterschied zwischen einem MBA und einem Online-MBA? Mein Stiftungschef fragt mich auch immer, warum wir ständig neue Gebäude bauen, wo doch in Zukunft alles digital wird. Ich glaube nicht, dass die Programme sich allzu sehr angleichen werden; ich glaube, sie haben nicht einmal dieselbe Zielgruppe. Die Erlebnisse, die ein Präsenzstudium bietet, begleiten einen das ganze Leben, das lässt sich online schwer abbilden. Wem das wichtig ist, wird sich auch künftig für ein klassisches Studium entscheiden.
Was ist mit der digitalen Variante? Ein Online-MBA ist attraktiv für Menschen in einer anderen Lebensphase, die im Beruf stehen oder Kinder haben, örtlich oder zeitlich flexibel sein müssen oder weit entfernt leben. Für uns war es bisher zum Beispiel nicht leicht, Teilnehmer aus Afrika für unsere Programme zu interessieren. Das scheiterte oft schon an Visumsproblemen. Mit dem Global Online MBA sind die Hürden viel niedriger. Zudem lässt sich das Lernerlebnis mithilfe digitaler Technologien stärker individualisieren als im Hörsaal. Ich sehe da viele Chancen.
Haben Sie schon ein Konzept für die Rückkehr zur Präsenzlehre? Unser digitales Zugangs- und Testkonzept steht, aktuell sind wir in Gesprächen mit dem Gesundheitsamt. Sobald genügend Schnelltests verfügbar sind, werden wir sie kaufen und unseren Studenten zur Verfügung stellen. Wir wollen wieder hybride Veranstaltungen anbieten, so schnell wie möglich. Herr Professor Rudolf, vielen Dank für das Interview.
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