MBA Büffeln in der Babypause: Funktioniert Weiterbildung während der Elternzeit?

Ratgeberseiten für junge Eltern betonen, dass sich eine Familienpause gut zum Lernen eigne.
Kiel Sämtliche Prüfungsfragen am Ende ihres ersten Semesters konnte Patricia Höbel präzise beantworten – alle, bis auf eine: „Wann kommt denn Ihr Baby?“, wollte der Professor im Januar 2018 zum Abschluss von der hochschwangeren Studentin wissen. Ihre Antwort: „Hoffentlich nicht heute.“ Tatsächlich dauerte es noch vier Tage bis zur Geburt ihres zweiten Kindes, der große Bruder war zum damaligen Zeitpunkt zwei Jahre alt.
In wenigen Wochen will die zweifache Mutter ihr damals begonnenes Managementstudium an der Hochschule Koblenz mit dem Titel Master of Business Administration (MBA) abschließen, aktuell schreibt sie an ihrer Masterarbeit. „Das MBA-Studium mit einer längeren Elternzeit zu verbinden war eine bewusste Entscheidung“, sagt die 35-jährige Finanzexpertin, die sich nach dem ersten Kind nur eine kurze Auszeit genommen hatte.
„Ich bin jemand, der gern lernt und sich weiterentwickeln will. In der Elternzeit zu studieren war zwar anstrengend, aber es eröffnet mir neue Perspektiven und macht mich auch sehr stolz.“ Ihre ehrgeizigen Pläne hätte Höbel jedoch ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Mutter bei der Kinderbetreuung nicht umsetzen können.
Das Beispiel von Höbel mag extrem sein, doch Menschen, die sich für ein berufsbegleitendes Studium entscheiden, sind in der Mehrzahl zwischen 25 und 35 Jahre alt – genau die Lebensphase also, in der typischerweise auch die Familiengründung stattfindet. Beides zu verbinden und die babybedingte Auszeit zur Weiterbildung zu nutzen klingt daher für viele plausibel.
Ratgeberseiten für junge Eltern betonen, dass sich eine Familienpause gut zum Lernen eigne: „Die Elternzeit kann man durch Fort- und Weiterbildungen sinnvoll nutzen“, heißt es beispielsweise auf dem Portal elternzeit.de. Die Teilnahme an firmeninternen Schulungen sei empfehlenswert, ein Fernstudium lasse sich ebenfalls gut integrieren.
Selbstdisziplin gefragt
Auch Anbieter privater Weiterbildungsprogramme wie Akad, die Hochschule Koblenz, die SRH Fernhochschule oder die Wilhelm Büchner Hochschule zeigen sich offen für die Bedürfnisse der Zielgruppe Eltern: „Bislang haben wir immer eine Lösung gefunden und weitestgehend positive Erfahrungen mit Studierenden in Elternzeit gesammelt“, sagt Thomas Mühlencoert von der Hochschule Koblenz.
Der Professor für Führung, Organisation und Logistik leitet das MBA-Fernstudienprogramm am Campus Remagen. Urlaubssemester ohne Studiengebühren, Stillen auf dem Campus oder das Verlegen von Prüfungsterminen seien problemlos möglich, so Mühlencoert. Allerdings stelle eine akademische Weiterbildung auf Masterniveau parallel zur Familiengründung eine enorme Herausforderung an das Selbstmanagement dar.
Patricia Höbel kann das bestätigen. Vor dem MBA-Studium während der Elternzeit hat sie bereits zwei berufsbegleitende Weiterbildungen an der Frankfurt School of Finance & Management sowie ein berufsbegleitendes BWL-Studium an der Hochschule Koblenz absolviert – alles noch ohne Kind. „Ohne berufliche Verpflichtungen und dafür ,nur‘ mit den Kindern zu Hause zu studieren habe ich mir leichter vorgestellt“, sagt sie. Spät abends oder früh morgens zu lernen erfordere viel Disziplin, die nicht jeder aufbringe. Ihr Tipp: „Klare Absprachen mit dem Arbeitgeber helfen dranzubleiben.“
Seit zwölf Jahren arbeitet die gelernte Versicherungskauffrau bei der R+V Lebensversicherung in Mainz. Seit ihrer Weiterbildung zur Betriebswirtin für betriebliche Altersvorsorge 2014 ist sie Beraterin im Firmenkundengeschäft. Alle Weiterbildungen – auch den MBA – hat sie vorher mit dem Unternehmen abgestimmt, ihre Masterarbeit hat unmittelbaren Bezug zu ihrem Job.
Die Studiengebühren von rund 20.000 Euro hat sie vorgestreckt, bei einer guten Abschlussnote bekommt sie jedoch den vollen Betrag vom Arbeitgeber erstattet: „Ein Endlosstudium mit mäßigen Noten wäre am Ende ohnehin nicht viel wert“, sagt Höbel, die mittlerweile wieder Vollzeit arbeitet.
Mehrwert dank Praxisbezug
Allzu lange sollte eine berufliche Pause jedoch nicht ausfallen – egal ob mit oder ohne Weiterbildung, rät Personal- und Karriereberaterin Christiane Kraus aus München. „Aus Arbeitgebersicht sind zwei oder drei Jahre eine lange Zeit“, sagt sie. Wer seine Elternzeit für ein Studium nutzen wolle, müsse klare Absprachen mit dem Partner treffen und sich gut organisieren.
Kraus empfiehlt überschaubare Einheiten, die das berufliche Profil gut ergänzen. Eine komplette berufliche Neuorientierung nach einer langen Elternzeit hält die Recruiterin dagegen eher für schwierig: „Ein Weiterbildungsstudium ohne relevante Berufspraxis ist für viele Arbeitgeber kein Mehrwert. Ein solcher Kaltstart erfordert auf jeden Fall sehr viel Eigeninitiative.“
Wer Interesse an einer Weiterbildung habe, sollte dies von vornherein klar kommunizieren, rät Kraus: „Die Unternehmen haben oft Angebote, aber die müssen Sie in der Regel proaktiv einfordern.“
Verlässliche Zahlen zu Angebot und Nachfrage nach beruflicher Weiterbildung in Elternzeit sind kaum zu bekommen. Mangelnde Bereitschaft der Arbeitgeber will Oliver Schmitz jedoch nicht unterstellen. Der Geschäftsführer der Organisation Beruf und Familie schätzt vielmehr das Lernbedürfnis junger Eltern kurz nach der Geburt als eher gering ein.
Ohne Druck vom Chef
Auf Initiative der Hertie-Stiftung zertifiziert das gemeinnützige Unternehmen familienfreundliche Arbeitgeber. Der Zugang zu Weiterbildungsangeboten während Eltern- oder Pflegezeit sei dabei ausdrücklich kein Kriterium, so Schmitz: „Nicht umsonst heißt es Elternzeit und nicht Weiterbildungszeit.“ Wer die familienbedingte Auszeit zur beruflichen Fortbildung nutzen wolle, müsse dies freiwillig tun. Chefs dürften hier keinen Druck aufbauen.
Wie familienfreundlich ein Unternehmen wirklich ist, zeigt sich Schmitz zufolge vor allem durch eine offene, weniger präsenzorientierte Firmenkultur sowie attraktive Karriereperspektiven auch in Teilzeit. Hier sei vielerorts noch Luft nach oben.
Noch immer tappen vor allem Frauen in die Teilzeitfalle und begnügen sich nach der Rückkehr aus der Elternzeit mit weniger qualifizierten und schlechter bezahlten Teilzeitjobs – ein persönliches und volkswirtschaftliches Problem, das Patricia Höbel in ihrer Masterarbeit zum Gender Pension Gap untersucht.
Viele Talente liegen brach
Die Frankfurter Personalberaterin Britta Mues-Walter hat sich vorgenommen, hier Abhilfe zu schaffen. Seit 25 Jahren kümmert sie sich um das Recruiting von Führungskräften, vor zwei Jahren gründete sie mit &ahead ein zweites Unternehmen, das Menschen unterstützt, die nach einer längeren Auszeit eine zweite Karriere starten möchten.
Viele ihrer Klienten sind hochqualifizierte Frauen, die ihre eigene Karriere für die Familie und den Erfolg des Partners oft mehrere Jahre zurückgestellt haben. Gezielte Trainings, Mentoring und Networking sollen ihnen helfen, einen Karriereplan zu entwickeln und für potenzielle Arbeitgeber wieder sichtbar zu werden: „Da liegt ein großer verborgener Talentpool brach“, so Mues-Walter.
Für Patricia Höbel jedenfalls ist Stillstand keine Option. Mit ihrem MBA-Fernstudium an der Hochschule Koblenz – Schwerpunkt: Unternehmensführung und Finanzmanagement – will sie sich das nötige Rüstzeug für den nächsten Karriereschritt holen: In absehbarer Zeit würde sie gern eine Führungsposition übernehmen.
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