Regierungsbildung Baerbock als Superministerin, für Habeck das Innenressort? Wie sich die Macht bei den Grünen verschiebt

Die designierte Außenministerin Baerbock, mit dem designierten Vizekanzler Habeck.
Berlin Den Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck muss spätestens am Wahlabend um 18 Uhr klar gewesen sein, dass sie schon bald ihren Chefposten räumen müssen. Während andere Parteien Wahlverlierer an ihrer Spitze abstrafen, gelten bei den Grünen ganz eigene Gesetze.
Wer in die Regierung aufrückt, darf die Partei nicht mehr anführen. „Minister und Parteivorsitz ist ausgeschlossen“, sagte Habeck kürzlich dem Sender Phoenix und kündigte Vorstandswahlen für Januar an. Nicht nur Baerbock und Habeck müssen ihren Posten räumen, sondern fast die gesamte Parteiführung muss sich neu formieren. Denn dem sechsköpfigen Gremium, auch das sieht die Satzung vor, dürfen maximal zwei Bundestagsabgeordnete angehören. Seit der Wahl sind es aber fünf mit Bundestagsmandat.
Wie die Machtspiele ausgehen, entscheidet sich derzeit vor allem hinter verschlossenen Türen - in den Koalitionsgesprächen für eine Ampel mit SPD und FDP. Glücken die Verhandlungen, dann gilt es als sicher, dass Habeck und Baerbock ins Kabinett wechseln.
Wer welches Amt übernehmen wird, wie der Zuschnitt der Ministerien genau aussieht - diese Entscheidungen stehen und fallen mit der Antwort auf die Frage, welcher Partei in der künftigen Ampelkoalition das Finanzministerium zugeschlagen wird. So ist es jedenfalls in Grünen-Kreisen zu hören.
Insider berichten, dass Habeck genauso Anspruch auf den Top-Posten eines Finanzministers erhebt wie FDP-Chef Christian Lindner. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Liberalen bereits im Wahlkampf deutlich gemacht haben, dass Lindner das einflussreiche Amt anstrebt.
Die Grünen sind indes in der komfortablen Situation, dass sie als zweitstärkste Ampelfraktion nach der SPD den Finger für ein Ministerium heben können. Die Wahl könnte auf das Finanzministerium fallen. Die Betonung liegt auf „könnte“. Denn in Grünen-Kreisen kursiert auch die Möglichkeit, der FDP „die Trophäe“ Finanzressort zu überlassen – allerdings nicht kampflos, sondern als Teil einer „Paketlösung“.
Pläne für ein „Super-Klimaministerium“
Der politische Preis, den die Liberalen zahlen müssten, könnte dem Vernehmen nach darin bestehen, den Grünen ein „Super-Klimaministerium“ mit zusätzlichen Kompetenzen aus dem Wirtschaftsministerium, etwa den Bereich Energie, zuzugestehen. Für dieses Ressort käme Baerbock infrage.
Habeck könnte Innenminister werden. Der Grünen-Chef ist schon länger der Auffassung, dass seine Partei auch dieses Amt gut ausfüllen könnte. Auf die Frage, ob es mit Blick auf die Wahlen 2021 Zeit sei für einen ersten grünen Innenminister, sagte Habeck einmal: „Absolut“, auch das Innenressort im Bund solle man sich zutrauen.
Hinter all den Planspielen steckt die Einsicht, dass die Ampelkoalition nur funktionieren kann, wenn alle an einem Strang ziehen, sich gegenseitig Erfolge gönnen und jede Partei auch ihre eigenen Anhänger überzeugen kann.
Für die Parteizentrale der Grünen würden geglückte Verhandlungen einen schnellen Machtwechsel bedeuten.
Die Satzung der Partei sieht vor, dass Mitglieder des Bundesvorstandes nicht Fraktionsvorsitzende im Bundestag, in einem Landtag, im EU-Parlament oder Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder der EU-Kommission sein dürfen. Würden Mitglieder des Bundesvorstandes in ein solches Amt gewählt, so müssen sie ihren Platz innerhalb von acht Monaten räumen.
Zudem dürfen im Bundesvorstand nicht mehr als ein Drittel der Mitglieder Abgeordnete sein. Damit steht fast der gesamte sechsköpfige Bundesvorstand vor einer Neuaufstellung. Denn unabhängig davon, dass Baerbock und Habeck auf die Regierungsbank rücken könnten, haben Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sowie die Vize-Parteichefs Ricarda Lang und Jamila Schäfer ein Bundestagsmandat errungen.
Auf der Suche nach einem Nachfolger-Duo fallen zwei Namen besonders häufig: Ricarda Lang und Omid Nouripour. Beide würden für die Breite der Partei stehen und verschiedene Strömungen integrieren können, stellt ein Grüner fest.
Lang, 27 Jahre, gehört zum linken Flügel der Partei und war im November 2019 in den Bundesvorstand aufgerückt. Zuvor war die Stuttgarterin Vorsitzende der Grünen Jugend und vernetzte sich in dieser Zeit bestens in der Partei. Im September zog sie erstmals in den Bundestag ein.
Suche nach dem Nachfolger-Duo
In ihrer Bewerbung machte sie sich dafür stark, dass die Grünen vielfältiger würden - und forderte bessere Aufstiegschancen für Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung. Lang selbst ist die erste offen bisexuelle Abgeordnete im Bundestag. Bis heute setzt sie sich für diese Themen ein, übernahm zuletzt für die Grünen die Leitung der Arbeitsgruppe Gleichstellung und Vielfalt in den Ampelsondierungen.
Aber auch Gesundheit und Pflege gehören zu den Themen der Sozialpolitikerin. Im Handelsblatt-Interview sprach sie für gut bezahlte Pflege und einen gedeckelten Eigenanteil aus. Es stünden noch schwierige Koalitionsverhandlungen mit FDP und SPD bevor, sagte sie damals.
Dass sie bald die zweitstärkste Regierungspartei anführen könnte, dürfte viele überraschen. Sie habe sich früh in Stellung gebracht, heißt es in der Partei. Lang ist zwar keine aus der ersten Reihe, dafür ist sie einer größeren Öffentlichkeit noch zu unbekannt. Sie steht aber für die Zukunft der Grünen, sei darüber hinaus äußerst durchsetzungsstark. Auch in den sozialen Medien gehört sie zu den hörbarsten Grünen - auch wegen vieler Hassangriffe auf ihr Äußeres, denen sie sich immer wieder wortgewaltig entgegenstellte.
Zu ihren Ambitionen schweigt sie allerdings. Der Deutschen Presseagentur sagte sie kürzlich: „Mein Fokus liegt gerade auf den Koalitionsverhandlungen, die Frage meiner zukünftigen Rolle steht für mich tatsächlich erst danach an.“
Auch Omid Nouripour hält sich zurück. Der 46-jährige Frankfurter, der im Iran geboren wurde und in Teheran auch die Grund- und Mittelschule besuchte, ist ein erfahrener Außenpolitiker. Er sitzt bereits seit 15 Jahren im Bundestag. Zwischen 2002 und 2006 war er schon einmal Mitglied im Bundesvorstand.
Machtverlagerung zurück in die Fraktion
Politikwissenschaftler gehen dennoch von einer Machtverlagerung in die Fraktion aus. „Angesichts der Neuorientierung innerhalb des Parteizentrums wird die Fraktion sicher die dominierende Rolle spielen, da es ja auch darum geht, parlamentarische Mehrheiten für die Koalition herzustellen“, sagte Michael Wehner, Leiter der Freiburger Außenstelle der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg, dem Handelsblatt.
Der wahrscheinliche künftige Kanzler Olaf Scholz werde erst einmal versuchen, dringende Fragen, die sich in einer Koalition stellten, mit seinen Ministern und Ministerinnen zu klären, die wiederum natürlich im engen Kontakt zu ihrer Fraktion stünden. „Insofern wird er den Hörer abnehmen und erst einmal Frau Baerbock oder Herrn Habeck kontaktieren. Die werden dann das Nötige veranlassen, um in der Fraktion entsprechende Unterstützung zu bekommen.“
„Mit Regierungsbeteiligung der Grünen rückt das Machtzentrum zurück von der Partei auf die Regierungs- und Fraktionsebene“, sagte auch Forsa-Chef Manfred Güllner dem Handelsblatt. „Der neue Parteivorstand wird keine große Rolle spielen.“
Das habe man bereits in der ersten Regierungszeit der Grünen von 1998 bis 2005 gesehen: „Die entscheidenden Personen damals waren Außenminister Joschka Fischer und Umweltminister Jürgen Trittin. Alle anderen haben in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle gespielt.“
Sowohl Alt-Grünen als auch Neu-Grünen sei es „egal, wer in der Partei das Sagen hat“, so Güllner. Einzige Ausnahme in der Parteiengeschichte seien die vergangenen vier Jahre mit Baerbock und Habeck an der Spitze gewesen.
Das weitere Ansehen der Grünen bei den Wählern wird „davon abhängen, wie sie in der Regierung agieren und was sie da zustande bringen“, meint Güllner. Es werde spannend zu sehen sein, wie diese neue Konstellation aus drei ungefähr gleich starken Partnern funktionieren werde. Darüber urteile am Ende auch der Wähler. Güllner glaubt nicht, dass die Grünen zwingend Anspruch auf ein bestimmtes Ministerium erheben müssten: „Sie können aus jedem Ministerium etwas machen.“
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Habeck als Innenminister ist die beste Lösung für die Zerstörung unseres Sozialstaates. Das globale Sozialamt bittet zur Kasse.
Und die Staaten dieser Welt hören auf diese Traumtänzer. Da kann man nur sagen = über Spanien lacht die Sonne und über Deutschland die ganze Welt =,
Die Grünen MÜSSEN das Außenministerium und das Klimaministerium erhalten. Daran führt kein Weg vorbei. Sie müssen in der Welt für ihre Ideale werben und diese im Klimaministerium umsetzen.